Wollt ihr mal was Scharfes sehen? Jennifer Lopez neue Single «In the Morning» ist ein pures Spektakel. Nicht jetzt wegen der Musik, sondern weil sie sich so werbewirksam auf dem Cover positioniert. Werbewirksam heisst nackt. Aber es sind nicht nur Männer, die sie anschauen. Auch wir schauen. Und auf unseren Gesichtern zeigen sich Staunen, Bewunderung, Begehren – oder Schock. Letzteres nicht, weil sie nackt ist. Nicht, weil sie sich mit über 50 Jahren nackt zeigt. Sondern, weil sie mit über 50 nackt noch so aussieht.
50 ist das neue 30. Haben wir schon gelesen. Haben wir schon geschrieben. Aber welches 50 ist jetzt genau das neue 30? Alle – oder das, was uns Lopez da gerade vormacht? Die Frage, die sich uns, den schockierten Betrachter:innen aufdrängt, ist: Ist Jennifer Lopez Body wirklich ein realistisches Ziel – für eine 50-Jährige?
«Sollen wir wirklich so aussehen, wenn wir 50 sind?» Das fragt sich Autorin Jennifer Weiner – selbst 50 – in einem Artikel in der New York Times nach dem Auftritt von Jennifer Lopez an der Superbowl-Halbzeitshow im vergangenen Februar. Sie fühlt sich von J.Los Aussehen verurteilt.
Jedem ist klar, hinter dem Aussehen der Sängerin steckt harte Arbeit. Sie treibt mindestens vier Mal die Woche Sport, sagte sie mal in einem Interview. Damit meint sie aber nicht einen kurzen Besuch im Fitness-Studio, sondern intensive Trainings von bis zu fünf Stunden. Ausserdem setzt sie schon seit Jahren auf Intervall-Fasten, was bedeutet, dass sie nur acht Stunden am Tag isst und dann sechzehn Stunden auf Nahrung verzichtet. Das Ergebnis ist daher also nicht super überraschend.
Sind Frauen wie J.Lo nun unsolidarisch, weil sie die Latte für alle Frauen unerreichbar hochlegen? Vielleicht sollten wir uns hier mal nicht auf das Offensichtliche konzentrieren, sondern auf das Mindset, das vermittelt wird.
«Die sieht aber toll aus – für 50!»
«Männer werden älter, Frauen werden alt gemacht», hat die Journalistin Bascha Mika in ihrem 2014 erschienenen Buch «Mutprobe – Frauen und das höllische Spiel mit dem Älterwerden» geschrieben. Auch Susan Sontag hat diesen «Double Standard of Aging» schon analysiert. Altern ist für Männer zwar auch nicht easy, aber halt ein natürlicher Prozess und darum: Ist halt so. Bei Frauen ist das auch so. Aber ihnen nimmt man das irgendwie übel. Wow, die hat aber viele Falten gekriegt.
Auch wir müssen uns eingestehen, dass wir die meiste Zeit unseres Leben nicht für über 50-jährige Frauen geschwärmt haben. Dass wir gar nicht viele benennen konnten, weil sie für uns nicht so sichtbar waren. Das wurde einfach so hingenommen, als wäre die Unsichtbarkeit unser natürliches Schicksal. Ja, noch da, aber irgendwie irrelevant.
Obwohl die Fünfzig für die Karriere einer Schauspielerin/Sängerin wohl immer noch eine grössere Zäsur bedeutet als für einen Mann, tut sich langsam etwas. Jennifer Lopez macht vor, wie es geht. Sie steht für eine Generation von Frauen, die sich wegen ihres Alters nicht mehr aufs Abstellgleis schieben lässt, sondern den biologischen wie branchenüblichen Gesetzen trotzt.
Zum Beispiel sind da Laura Dern, 53, oder Gillian Anderson, 51 – sie alle sind nicht mehr nur Abziehbilder für das Jungbrunnen-Motto «50 ist das neue 30». Sie leben es auch: Schnappen sich noch Hauptrollen in Hollywood oder fangen an, Filme und Serien selbst zu produzieren. Sie verlieben sich neu, treten auf wie gehabt.
Darum dürfen wir uns nicht daran aufhalten, dass J.Los Abs unrealistisch definiert sind, dass bei ihr alles noch ungewöhnlich straff ist, sondern sollten feiern, dass diese Frau beweist, dass man nicht 25 sein muss, um Erfolg zu haben.