Die Weltreise als Weichensteller: Beim Surfen an den schönsten Spots der Erde ärgerte sich Sara Zbinden vor allem über eines: die schlechte Qualität ihrer Lieblings-Bikinis. Aus Omas Stoffresten schneidert die Sport- und Wirtschaftsabsolventin deshalb eigene Modelle, was sich schnell bis über den Freundeskreis hinaus herumspricht. Aus einem Hobby wird ein brummendes Business. Denn die Bademode von Pura Clothing ist nicht nur schön und praktisch, sondern auch nachhaltig. Von ihrer Wohnung im Zürcher Kreis 4 verschickt Zbinden ihre in Italien aus Recyclingstoffen gefertigten Zweiteiler nach Österreich, Deutschland und in die Schweiz.
Wie war es für sie, mit Mitte 20 ein eigenes Unternehmen zu gründen? Wer macht ihr bei wichtigen Entscheidungen Feuer unter dem Hintern? Und wie schafft sie es trotz Social-Media-Dauerpräsenz Ruhe zu finden? Wir haben Sara Zbinden 12 Fragen gestellt.
Meinen ersten richtigen Job nach nur zwei Jahren zu kündigen und mich mit 25 Jahren selbstständig zu machen. Mein Business war so gross geworden, dass ich entscheiden musste: Bleibt es ein Hobby oder möchte ich davon leben? Dieser Sprung hat viel Überwindung gebraucht. Schliesslich konnte ich in den zwei Jahren nach dem Studium nicht viel Geld ansparen. Ausserdem hatte ich eigentlich einen richtigen Traumjob im Sport-Marketing. Da überlegt man sich dann schon: Was, wenn es nicht funktioniert? Kann ich dann wieder in den Beruf einsteigen? Inzwischen kann ich mir nicht mehr vorstellen, an einem Ort zu arbeiten, wo mir morgens jemand sagt, was ich zu tun habe. Ich schätze die Selbstständigkeit und Eigenverantwortung.
Für mich stand die Fairness Mitarbeitern, Produzenten und der Umwelt gegenüber von Anfang an im Mittelpunkt. Nachhaltigkeit hört für mich nicht bei recycelten Stoffen auf, sondern hat auch einen sozialen und wirtschaftlichen Aspekt. Ich möchte mit meinem Unternehmen in jedem Bereich die verantwortungsvollste Entscheidung treffen. Am liebsten würde ich meine Bikinis zum Beispiel aus natürlichen Materialien herstellen, aber weil diese den Ansprüchen nicht Stand halten und schnell ausleiern, habe ich mich für Stoffe entschieden, die zwar synthetisch, aber wenigstens nachhaltig sind. Auch privat gilt für mich: Es muss nicht perfekt sein, aber immer so gut wie möglich.
Sie haben eine Vision, denken quer und scheuen sich nicht vor grossen Herausforderungen. 2020 stellen wir im Interview-Format «12 Frauen, 12 Fragen» jeden Monat eine erfolgreiche Unternehmerin in der Schweiz vor, die uns mit ihrer Power, Eigenständigkeit und Innovationsfreude inspiriert – Werte, denen sich auch Toyota mit seiner weltweit führenden Hybrid-Technologie verschrieben hat.
Bislang beschäftige ich eine Aushilfe. Die Idee wäre, dass ich bis in fünf Jahren zwei bis drei Stellen schaffen und allen Mitarbeitern gute Löhne bezahlen kann. Solange ich das nicht garantieren kann, mache ich lieber selber Überstunden. Mein Unternehmen soll organisch wachsen. Bei der schmalen Produktmarge, die ich mir gesetzt habe, werde ich sowieso nie eine Massenproduktion haben können. Aber das ist ok so. Ich muss nicht Millionärin werden. Für mich reicht es schon, wenn ich ein paar Arbeitsplätze kreieren kann.
Menschen, die viel Gutes tun, aber auch Schwächen zeigen. Mich erschüttert es, wenn Greta Thunberg angefeindet wird, weil sie in Plastik verpacktes Toastbrot isst oder wenn Menschen kritisiert werden, weil sie zwar kein Fleisch essen, aber trotzdem noch fliegen. Das sind Punkte, wo auch ich eine gewisse Angriffsfläche biete, wenn ich zum Beispiel für ein Shooting ausnahmsweise mit dem Flugzeug reise, weil meine Fotografin und das Model etwas weiter weg zusammen Ferien machen. Aber niemand ist perfekt! Ich glaube, es spornt Menschen mehr an, wenn man an ihre guten Absichten glaubt, als wenn man für jeden kleinen Fehler mit dem Finger auf sie zeigt.
Ich habe inzwischen gelernt, die Meinung anderer einzuholen. Und zwar wende ich mich bewusst an Menschen, von denen ich weiss, dass sie die Dinge anders sehen als ich. Meine Schwester hat zum Beispiel ein Talent dafür, genau den wunden Punkt zu finden, den ich lieber ignoriert habe. Im ersten Moment führt das dann oft zu einer Konfrontation, die jedoch einen Denkprozess auslöst. Am Ende bleibe ich dann in den Grundzügen meistens bei meiner Ursprungsidee, versuche aber die anderen Inputs zu berücksichtigen. Ich musste mir irgendwann eingestehen, dass diese Kompromisse meistens die beste Lösung sind.
Machts einfach! Es gibt viel zu viele, die sich nicht trauen, weil sie erst loslegen wollen, wenn alles perfekt ist. Und dann bleibt die Idee einfach liegen. Das ist schade. Es ist völlig normal, dass man zu Beginn nicht weiss, wo man anfangen soll. Ich habe zum Beispiel begonnen zu googeln, wie man eine Website-Domain kauft und habe ein erstes Logo gekritzelt. Der Rest ergibt sich dann Schritt für Schritt – und vielleicht fällt man dabei auch mal auf die Nase. Ich habe zum Beispiel Lehrgeld gezahlt, weil ich meinen Webshop anfangs falsch aufgebaut hatte. Aber aus jedem Fehler lernt man tausendmal mehr, als wenn immer alles rund läuft.
Ich gehe raus: in die Badi, zum Sport, an die Sonne. Gerade wenn es stressig wird, nehme ich mir auch mal bewusst einen Tag frei, an dem ich einfach gar nichts mache und mir vier Stunden lang ohne schlechtes Gewissen eine Serie anschaue. Das Nichtstun musste ich aber zuerst lernen. Gerade am Anfang meiner Selbstständigkeit waren so viele Unsicherheiten da. Da fand ich es schwer runterzufahren. Ein Problem ist auch, dass ich mein Büro praktisch im Hosensack habe. Inzwischen bin ich deshalb soweit, dass ich Social-Media-Apps lösche oder das Handy ganz ausschalte, wenn ich eine Pause brauche. Andererseits beruhigt es mich aber auch, wenn ich sonntags ein paar Mails beantworten kann, damit mich am Montag nicht ein Riesenberg Arbeit erwartet.
Ich bin sehr ehrlich, was teilweise auch als unsensibel rüberkommen kann. Trotzdem glaube ich, dass meine Ehrlichkeit eine Qualität ist. Gerade Frauen sind oft zu nett und sagen nicht gerade heraus, was sie denken. Natürlich hat mir da schon angeheizte Diskussionen beschert. Aber ich bin fest davon überzeugt, dass man schneller ans Ziel kommt, wenn beide Seiten ehrlich sind. Gerade auch auf Social Media sind mir Authentizität und Transparenz wichtig. Klar werden unsere Bilder sanft bearbeitet, aber wir würden nie ein Bäuchlein oder Cellulite wegretuschieren. Auf vielen Fotos posiere ich selber – und da sieht man dann halt auch meine Dehnungsstreifen.
Das war vor vier Jahren. Ich hatte gesehen, dass es einen Markt für kleine Labels gibt und habe sicher zwei Wochen hin- und herstudiert, ob ich dort meine selbstgemachten Bikinis präsentieren soll. Mein Partner konnte es irgendwann nicht mehr ertragen und hat mich vor die Wahl gestellt: Entweder du machst da jetzt mit oder ich will nichts mehr davon hören. Entscheide dich endlich! Den Schubs habe ich gebraucht. Er hat dann den Stoff zugeschnitten und ich habe zusammen mit meiner Grossmutter stundenlang Bikinis genäht. In diesem Moment wurde aus meiner Idee ein Business.
Daran kann ich mich ehrlich gesagt nicht erinnern. Wahrscheinlich war das der Moment, in dem ich mich für die Selbstständigkeit entschieden habe. Ich war immer schon ein sehr unbeschwerter Mensch und zweifle nur selten an mir. Dass ich mit etwas scheitern könnte, war für mich noch nie ein Grund es nicht wenigstens zu probieren. Ich weiss, dass ich mich mit meinem Business für viel Gutes einsetze und bekomme auch viel positives Feedback. Das bestärkt mich auf meinem Weg.
Ja, während den ersten paar Monaten meiner Selbstständigkeit habe ich schlecht geschlafen. Es ist immer noch so, dass ich die Produktion meiner Bikinis jedes Jahr vorausbezahlen muss, ohne zu wissen, wie die Kollektion bei den Kundinnen und Kunden ankommt. Aber ich habe gelernt, mit dieser Unsicherheit umzugehen. Bis jetzt waren die Sorgen immer unberechtigt, deshalb stresse ich mich nicht mehr im Voraus. Wenn ich im Juni merken würde, dass sich die Modelle für den Sommer nicht verkaufen, könnte ich mir immer noch einen Plan B einfallen lassen.
Dass Nachhaltigkeit nicht nur ein Trend ist, sondern eine Bewegung, die langfristige Wirkung zeigt. Ich wünsche mir, dass die Konsumenten mehr hinterfragen und sich nicht mit der erstbesten Lösung zufriedengeben. Wir alle müssen mehr Verantwortung für unsere Kaufentscheide übernehmen. Wenn der Dialog anhält, reden wir in zehn Jahren hoffentlich mindestens doppelt so viel über Fair Fashion wie jetzt.