Jungle Folk entstand auf einer Reise durch Südamerika. Nach ihrem Studium in Internationalen Beziehungen suchte Pauline Treis Kontakt zu verschiedenen Handwerkern und entwickelte die Idee für ein nachhaltiges, fair produziertes Mode-Label. Sieben Jahre später arbeitet die Zürcherin mit Familienbetrieben und Kooperativen aus verschiedensten Ländern der Welt zusammen – von Peru über Indien bis Portugal. Treis setzt auf zeitlose Basics mit langer Lebensdauer. Das Ziel: Weniger Mode konsumieren, dafür bewusst und nachhaltig. Wer bei Jungle Folk ein Teil kauft, weiss nicht nur genau, wo es herkommt, sondern kann es auch ein Jahr lang gratis reparieren lassen.
Seit zwei Jahren kann die 32-Jährige von ihrem Label leben. Die Geschäfte laufen. Weshalb der finanzielle Aspekt für sie dennoch zweitrangig ist und was einen Tag für sie wirklich erfolgreich macht, erzählt sie im Interview.
Was man als mutig betrachtet, ist sehr subjektiv. Mich kostete es besonders viel Mut, mit Gewohnheiten zu brechen. Mich zu trauen, eine Veränderung anzupacken. Das gilt fürs Privat- wie auch fürs Berufsleben. Ich tendiere dazu, alles selber machen zu wollen, da ich die Firma alleine gegründet habe und lange kein Team hatte. Leute einzustellen, Bereiche abzugeben – das war ein grosser Schritt für mich. Seit letztem Jahr habe ich zwei Mitarbeiterinnen. Das hat ganz neue Themen aufgeworfen. In die Chefinnen-Rolle musste ich erstmal reinwachsen.
Mich inspirieren alternative Lebensentwürfe. Spirituelle und integre Menschen, die ihren eigenen Weg gehen. Es ist nicht leicht, in der Modewelt alternativ zu arbeiten und ein Label aufzubauen. Wenn ich mich mal wieder in Business-Themen verfange, merke ich, wie mir Natur und Meditation einen Ausgleich geben. Ich habe keine bestimmten Rituale, die ich praktiziere. Aus dem Fenster zu gucken, eine Kerze anzünden, Musik hören und schreiben – das hilft mir, um Energie zu tanken.
Ich brauche lange und zögere den Entscheid hinaus, obwohl ich eigentlich von Anfang an weiss, was ich will. Ich gebe den Dingen Zeit und überdenke sie tausendmal. Und ich spreche mit vielen Leuten über die Problematik, manchmal sogar mit solchen, die ich noch gar nicht lange kenne. Einfach weil es mich interessiert, was sie denken. Langsam habe ich aber gelernt, besser auf mein Bauchgefühl zu hören. Am Ende behält es meistens recht.
Sie haben eine Vision, denken quer und scheuen sich nicht vor grossen Herausforderungen. 2020 stellen wir im Interview-Format «12 Frauen, 12 Fragen» jeden Monat eine erfolgreiche Unternehmerin in der Schweiz vor, die uns mit ihrer Power, Eigenständigkeit und Innovationsfreude inspiriert – Werte, denen sich auch Toyota mit seiner weltweit führenden Hybrid-Technologie verschrieben hat.
Meine beiden Schwestern, die mir sehr nahe stehen und mich sehr gut kennen. Bei ihnen kann ich abladen und durchschnaufen. Manchmal geht es auch einfach darum, das oben erwähnte Bauchgefühl auszusprechen und sich Bestätigung zu holen. Dieser letzte kleine Push benötigt viel Energie. Deshalb ist es schön, wenn er auch mal von jemand anderem kommen kann.
Wenn ich mich intensiv mit etwas befassen und mir Zeit für ein Thema nehmen konnte. Das können die unterschiedlichsten Dinge sein, einen Text schreiben zum Beispiel oder die Selektion von Materialien für die nächste Kollektion. Auch wenn es produktiv sein kann, finde ich Multitasking nicht sehr befriedigend. Mir gibt es persönlich mehr, wenn ich in die Tiefe gehen kann.
Man muss davon überzeugt sein, dass man ein gutes Produkt hat und voll hinter seiner Idee stehen. Integrität ist zentral. Es gibt ganz viele Leute, die einen mit Tipps überschütten und es besser wissen wollen. Da ist es wichtig, dass man sich treu bleibt und sich nicht verzettelt. Ausserdem braucht man viel Geduld. Für mich zählte nie der schnelle Erfolg. Der Aufbau meines Labels war viel mehr ein Kennenlernen meiner selbst als das Umsetzen eines Businessplans.
Das weiss ich nicht. Es gibt nach wie vor keinen Businessplan, auf dem das steht. Klar hat man Träume und Ideen, zum Beispiel eigene Produktionsstätten. Aber ich messe meinen Erfolg nicht am wirtschaftlichen Wachstum. Für mich ist es wichtig, dass die Community wächst, ich Menschen glücklich machen kann. Ich möchte keinen Konzern auf die Beine stellen, sondern weiterhin einen sehr familiären Arbeits- und Lebensstil pflegen.
Mit Projekten und Ideen. Es macht mir Spass, an etwas zu arbeiten! Aber es fällt mir schwer, mich abzugrenzen, was auch daran liegt, dass ich es vielen recht machen möchte. Ich glaube, das ist ein Gefühl, das gerade Frauen sehr gut kennen. Auch mache ich oft zu viel, weil ich einfach viel Energie und viele Ideen habe. Seit kurzem arbeite ich daran, mich nicht für alles verantwortlich zu fühlen und mehr abzugeben. Die Balance zu finden, ist nicht leicht.
Viele Ideen zu haben. Bei mir fliesst es einfach. Mit meiner Motivation reisse ich viele Menschen mit, sowohl im Team als auch ausserhalb mit anderen Projekten. Es kommen immer wieder Leute auf mich zu, die mir sagen, dass ich sie dazu inspiriert habe, eine Firma zu gründen. Für mich selbst war dieser Schritt nicht schwierig. Es war einfach naheliegender als in einem Unternehmen zu arbeiten.
«Das ist aber wahnsinnig spät» – ein Satz, der mit dem Rhythmus des Modezirkus zusammenhängt. Da passt es nicht ins Konzept, wenn eine Herbstkollektion erst Ende September geliefert wird anstatt Ende August. Das sind festgefahrene Strukturen, die diktiert werden von grossen Marken, Messen und Modemagazinen. Ein Label, das sich nicht daran halten kann, weil es an die Produktionszyklen von kleinen Kooperativen gebunden ist, fällt da schnell mal unten durch. Das finde ich nicht fair, gerade auch unseren Produzenten gegenüber.
Davon gab es ganz viele. Was aber den Impuls gab, gestalterisch tätig zu werden, war ein Austauschjahr in Berlin, während dem ich viele Kreative und Unternehmer kennenlernte. Ich wohnte ich einer WG mit einer Tätowiererin, einem Fotografen und einem Filmemacher. Meine Nachbarin war Modedesignerin. Da habe entdeckt, dass man auch selber etwas machen kann und nicht unbedingt ein kleines Rädchen in einem grossen Unternehmen sein muss. So kam es, dass ich meine Passion, in fremden Ländern etwas bewegen zu wollen, mit dem Kreativen verband.
In Schweden. In unserem kleinen roten Häuschen auf einer Insel ausserhalb von Stockholm, wo die Tage im Sommer so lang sind, dass man das Gefühl hat, alle Zeit der Welt zu haben. Auf den grossen Steinen zu spazieren oder rudern zu gehen – das tut mir gut. Aber eigentlich kommt es auf den geografischen Ort nicht so drauf an. Viel wichtiger, um sich wohl zu fühlen, ist, dass man sich Zeit und Raum nimmt.