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  4. Coronavirus: Oberster Schulleiter Thomas Minder will keine Klassen zurückstellen
Lerndefizite wegen Corona-Krise

«Das Schuljahr zu wiederholen wäre unmöglich»

Seit dem Wochenende kursiert die Idee, alle Klassen der Schweiz ein Jahr wiederholen zu lassen, sollten die Schulschliessungen wegen der Corona-Pandemie bis zu den Sommerferien andauern. Wir haben den obersten Schulleiter der Schweiz, Thomas Minder, gefragt, was er von dieser Idee hält. Und eine klare Antwort erhalten.

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Blick in ein leeres Schulzimmer in der Primarschule Tellenmatt, aufgenommen am Montag, 16. Maerz 2020, in Stans. Der Bundesrat schliesst wegen der Corona-Pandemie bis 4. April alle Schulen. (KEYSTONE/Urs Flueeler).

Wie lange bleiben die Klassenzimmer noch leer in der Coronakrise? Und wie holen Schüler das Lerndefizit wieder auf? Diese Fragen beschäftigen derzeit die ganze Schweiz.

keystone-sda.ch

Thomas Minder, was halten Sie von der Idee der obersten Zürcher Schulleiterin Sarah Knüsel, alle Klassen ein Jahr zurückzustellen, sollten die Schulschliessungen bis zum Sommer andauern?
Thomas Minder Ich kenne natürlich Frau Knüsel und ich weiss, was ihre Absicht war: Sie wollte bei den Eltern Druck wegnehmen in der ganzen Situation. Das war ein kreativer Versuch, ist jedoch in Praxis nicht durchführbar.

Wieso nicht?
Stellen Sie sich vor, man würde alle Kinder ein Jahr repetieren lassen, aber im Kindergarten würde ja dann trotzdem der neue Jahrgang dazu kommen. Diesen doppelten Klassenzug müsste man während der gesamten Schulzeit, also über neuen Jahre führen. Dazu würden die doppelte Infrastruktur sowie die doppelten personellen Ressourcen benötigt. Es wäre schlicht nicht durchführbar.

Es würde jedoch berufstätige Eltern, die mit Homeoffice und Homeschooling gerade das Doppelte leisten, massiv entlasten.
Die Lernziele sind nicht so hochgesteckt. Elter müssen sich nicht unnötig Sorgen machen. Auch wenn sie nicht permanent beschulen, es kommt schon gut.

«Ich empfehle ihnen, den Fokus auf das Wohlbefinden in der Familie zu legen.»

Thomas Minder

Je nachdem, wie viel sich die Eltern diesbezüglich leisten können und wollen, wird es Kinder geben, die benachteiligt sind und eventuell den Anschluss verlieren. Mit Klassenrückstellungen könnte auch mehr Chancengerechtigkeit geschaffen werden.
Ich bin sehr zuversichtlich, dass der Zeithorizont, den wir momentan für den Fernunterricht haben, nicht zu massiven Verzerrungen führt.

Und wenn die Schulschliessungen über den 19. April hinaus verlängert werden?
Selbst wenn wir bis zu den Sommerferien keinen Unterricht hätten, könnte man das auffangen. Es gibt Kinder, die aus gesundheitlichen Gründen lange dem Unterricht fernbleiben und dann trotzdem nicht die Klasse wiederholen müssen. Man kommt ja im Unterricht immer wieder an dieselben Themen heran und kann diese repetieren. So haben Kinder die Möglichkeit, gewisse Punkte aufzuholen.

Was empfehlen Sie Eltern, die sich in der jetzigen Phase überfordert fühlen?
Ich empfehle ihnen, den Fokus auf das Wohlbefinden in der Familie zu legen. Man kann natürlich nicht einfach Aufträge der Schule ignorieren, aber man kann sich mit den Lehrpersonen austauschen und nach Lösungen suchen. Es ist ein miteinander, nicht ein gegeneinander. Kinder lernen in dieser Zeit zuhause ja auch ganz viele andere Sachen. Verantwortung übernehmen, Kochen. Auch das ist wichtig.

Thomas Minder

Thomas Minder ist als Präsident des Verbands der Schulleiterinnen und Schulleiter VSLCH der oberste Schulleiter der Schweiz.

ZVG

Könnten Sie sich ein Szenario vorstellen, in dem die Sommerferien zur Schulzeit umfunktioniert würden?
Nein. Zum jetzigen Zeitpunkt sehe ich das nicht als gute Lösung. Man müsste dann den Mut haben, die fünf Wochen Ferien vorzuverlegen. Das würde aber eventeuell immer noch in die kritische Phase der Bewältigung der Corona-Krise fallen. Was Ferien da für eine Bedeutung haben, ist schwer einschätzbar. Es ist eine Frage der Werte. Aber in der Bevölkerung käme das nicht gut an.

Im Fall der Fälle – wer hätte die Entscheidungsmacht bezüglich einer Rückstellung aller Klassen? Wäre das der Bundesrat per Notrecht?
Ich glaube eher, dass das nicht Sache des Bundesrats ist. Mit Notrecht hat das nichts zu tun. Das würde auf Kantonsebene entschieden. Und im Falle einer solchen Entscheidung, können sie schon jetzt ganz klar mit dem Widerstand der Schulleiterverbände rechnen.

Sylvie Kempa
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Von Sylvie Kempa am 23. März 2020 - 18:21 Uhr