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«Angst ist in der Schweiz unbegründet»

Ist Fluorid-Zahnpasta gefährlich für Kinder?

Auch dank fluoridhaltiger Zahnpasten haben Kinder heute viel weniger Karies als noch vor sechzig Jahren. Trotzdem sind Fluoride bei Eltern teilweise umstritten. Wieso das so ist, weshalb Fluoride gerade für Kinder wichtig sind und welche Vorsichtsmassnahmen einzuhalten sind erklärt Prof. Dr. Florian Wegehaupt im Interview.

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Kind Zähneputzen Zahnpasta

Kind Zähneputzen Zahnpasta

Getty Images/Cavan Images RF

Prof. Dr. Florian Wegehaupt, wie oft müssen Sie fluoridhaltige Zahnpasten gegenüber Eltern verteidigen?

Es gab schon immer Eltern, die skeptisch gegenüber Fluorid sind. Die Intensität der Kritik entwickelt sich wellenartig. Aktuell ist es wieder etwas ruhiger.

Was sind die häufigsten Kritikpunkte?

Die Angst vor einer Vergiftung ist sicher am zentralsten. Das hat aber auch damit zu tun, dass Fluorid oft mit Fluor verwechselt wird, teilweise sogar in Medienberichten. Und das gasförmige elementare Fluor ist tatsächlich hochgiftig. Fluoride sind jedoch Salze der Fluorwasserstoffsäure und nur in grossen Mengen problematisch. Ich vergleiche das immer mit Chlor und Chlorid: Auch Chlor ist ein hochgiftiges Gas. Chlorid aber, als eine Verbindung des Chlors, kennen wir zum Beispiel als Natriumchlorid, also Kochsalz. Daneben gibt es bezüglich Fluorid aber auch Befürchtungen vor einer Überdosierung, was zu weisslichen Verfärbungen auf den Zähnen, so genannter Dentalfluorose führen kann. Auch vor brüchigen Knochen, der Skelettfluorose, wird teilweise gewarnt.

«Im Internet findet heute jeder ungefiltert Informationen und Untersuchungen aus der ganzen Welt, die man dann ohne das entsprechende Grundwissen falsch einordnet.»

Professor Dr. Florian Wegehaupt

Gefahren, die Eltern verständlicherweise Angst machen können…

… die aber in der Schweiz schlicht unbegründet ist.

Woher kommen denn die Ängste?

Im Internet findet heute jeder ungefiltert Informationen und Untersuchungen aus der ganzen Welt, die man dann ohne das entsprechende Grundwissen falsch einordnet. So gibt es zwar durchaus Regionen auf der Welt, in denen hohe Fluoridwerte im Trinkwasser ein Problem sind und Dental- und/oder Skelettfluorose zur Folge haben können. Das kann sein, wenn das Wasser zum Beispiel zuvor durch Vulkangestein versickert ist. Diese Gefahr lässt sich aber nicht eins-zu-eins auf die Schweiz übertragen. Auch haben wir strenge Fluorid-Grenzwerte für Trinkwasser. Und es wird dem Trinkwasser auch schon länger kein Fluorid mehr beigemischt. In Basel-Stadt wurde dies bis 2003 gemacht.

Dann beginnen wir doch bei diesem Grundwissen. Was bewirkt Fluorid?

Heute weiss man, dass Fluorid auf drei Ebenen gegen Karies hilft. So tragen Fluoride dazu bei, dass sich der Zahnschmelz schneller wieder remineralisiert, wenn er durch Säure beschädigt wurde. Solche Säure entsteht, wenn sich Bakterien den Essensrückständen annehmen. Und weil die Defekte im Zahnschmelz schneller wieder geschlossen werden, kann Karies weniger schnell entstehen. Gleichzeitig werden Fluoride auch in den Zahnschmelz eingebaut und machen diesen widerstandsfähiger. Und nicht zuletzt ist der Stoffwechsel von Bakterien in der Gegenwart von Fluorid leicht gehemmt, so dass sie schon von Beginn an weniger Säure bilden können.

Zur Person

Professor Dr. Florian Wegehaupt ist Titularprofessor an der Universität Zürich und wissenschaftlicher Leiter des Bereichs «Präventivzahnmedizin und Orale Epidemiologie» in der Klinik für Zahnerhaltung und Präventivzahnmedizin. Er ist Beauftragter für Jod- und Fluoridfragen der Schweizerischen Zahnärzte-Gesellschaft SSO.

Professor Dr. Florian Wegehaupt
Florian Wegehaupt

Wie ist der Erfolg?

In den 1950er-Jahren begann man, dem Speisesalz nicht nur Jod, sondern auch Fluorid beizumischen, quasi als erster Schritt. Bis heute ist sowohl jodiertes als auch fluoridiertes Speisesalz erhältlich. Ab den 1960er-Jahren fanden auch fluoridhaltige Zahnpasten immer mehr Verbreitung, unter anderem über den aufkommenden Prophylaxe-Unterricht in den Schulen. Mit Erfolg: Eine Studie der Universität Zürich hat gezeigt, dass Karies bei Kindern zwischen den 1960er-Jahren bis zur Jahrtausendwende um 90 Prozent zurückgegangen ist. Früher hatte praktisch jedes Kind bis im Alter von zwölf Jahren bereits Karies. Heute kommt das nur noch vereinzelt vor. Klar wurden auch die Zahnbürsten besser in dieser Zeit, gleich wie die Aufklärung zum richtigen Zähneputzen oder worauf man beim Essen schauen sollte. Rund ein Drittel des Rückgangs wird aber den Fluoriden in Zahnpasten zugeschrieben.

Trotzdem: Sie haben eingangs gesagt, dass Fluoride zumindest in grossen Mengen auch problematisch sind. Sind die Ängste von Eltern total unbegründet?

Damit ein Kind Vergiftungserscheinungen zeigt, müsste es schon sehr grosse Mengen fluoridhaltige Zahnpasta essen. Und auch Dentalfluorose aufgrund einer Überdosierung von Fluorid ist in der Schweiz sehr selten. Vielmehr kann Dentalfluorose häufig mit Karies im Frühstadium verwechselt werden. Zum Teil kommt es auch zu einer Verwechslung von Dentalfluorose mit milden Symptomen der Molaren-Inzisiven-Hypomineralisation, kurz MIH oder Kreidezähnen. Und nein, auch ein Zusammenhang von Kreidezähnen mit Fluorid ist wissenschaftlich nicht erwiesen. Im Gegenteil: Fluorid ist bei Kreidezähnen sogar nochmals wichtiger für den Schutz gegen Karies. Und trotzdem gibt es natürlich Vorsichtsmassnahmen, die es gerade bei Kindern zu berücksichtigen gilt, um eben keine Überdosierung zu riskieren.

«Aus meiner Sicht gibt es keine vernünftigen Alternativen zu fluoridhaltiger Zahnpasta.»

Professor Dr. Florian Wegehaupt

Worauf muss ich achten?

Kinder sollten auf eine auf ihr Alter angepasste Kinderzahnpasta verwenden. Diese enthalten nur rund ein Drittel so viel Fluorid wie Zahnpasten für Erwachsene. Das ist in der Schweiz auch so vorgeschrieben. Ich rate ausserdem von Zahnpasten ab, die intensiv nach Erdbeeren usw. schmecken. Das animiert nur dazu, dass Kinder die Zahnpasta nach dem Zähneputzen herunterschlucken. Grundsätzlich sollte man Zahnpasta ausspucken.

Und wenn das Kind die Zahnpasta nach dem Zähneputzen trotzdem runterschluckt?

Dann ist das auch keine Katastrophe. Es sollte einfach nicht zur Gewohnheit werden. Gerade bei kleineren Kindern lässt sich das Runterschlucken aber nicht immer verhindern. Deshalb sollte die Zahnbürste jedoch auch nicht überfüllt werden. Ein erbsengrosser Tropfen Zahnpasta reicht aus.

 

Vater mit Tochter Zähneputzen

Kinder sollten auf eine auf ihr Alter angepasste Kinderzahnpasta verwenden. Ausserdem reicht ein erbsengrosser Tropfen Zahnpasta aus und die Zahnpasta sollte nach dem Zähneputzen nicht heruntergeschluckt werden.

Getty Images

Oder man beginnt erst, wenn das Kind schon älter ist?

Gerade bei kleinen Kindern sind fluoridhaltige Zahnpasten besonders wichtig. Denn sie putzen ihre Zähne häufig noch nicht so sauber, wie Erwachsene. Und auch wenn die Eltern nachputzen, erreicht man oft nicht alle Stellen. Umso wichtiger ist eben der zusätzliche Schutz durch Fluoride.

Alternativen dazu gibt es keine?

Das fluoridhaltige Speisesalz alleine reicht nicht. Wir empfehlen es aber unbedingt als Ergänzung. Dann gäbe es noch Mundspülungen, die Fluoride enthalten. Aber diese schlucken Kinder noch einfacher hinunter. Deshalb nein, aus meiner Sicht gibt es keine vernünftigen Alternativen zu fluoridhaltiger Zahnpasta.

Wie kann ich sicher sein, dass meine Kinderzahnpasta auch wirklich fluoridhaltig ist?

Grundsätzlich sind Zahnpasten ohne Fluorid häufig auch so gekennzeichnet, weil dies ja eines ihrer Verkaufsargumente ist. Trotzdem sollte man auch bei anderen Zahnpasten einmal kurz bei den Inhaltsstoffen schauen, ob tatsächlich Fluorid enthalten ist. Dann ist man auf der sicheren Seite.

Thomas Bürgisser
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Von Thomas Bürgisser am 18. Februar 2025 - 18:00 Uhr