Es schneit in Cadenazzo. Zwar keine weissen Flocken, aber Briefe! Im Tessiner Paketzentrum hat der Schweizer Weihnachtsmann sein Zuhause. Und er ist eine Frau beziehungsweise sind es mehrere. Eine von ihnen heisst Ruth Crotta. Seit drei Jahren beantwortet sie immer im Dezember die Kinderbriefe, die an den Samichlaus oder das Christkind adressiert sind.
Ruth Crotta, an wen richten die Kinder ihre Briefe häufiger? An den Weihnachtsmann oder das Christkind?
Uns schreiben Kinder aus der ganzen Schweiz in allen Landessprachen. Rund 60 Prozent der Briefe sind an den Père Noël adressiert. In der Westschweiz ist diese Tradition stark verankert. Auch deutschsprachige Kinder schreiben eher an den Weihnachtsmann als ans Christkind.
Wie viele Briefe flattern während der Adventszeit rein?
Es sind jedes Jahr um die 30 000 Schreiben, die wir beantworten. Ungefähr 3000 Kinder kriegen keine Antwort, weil wir die Absenderadresse nicht kennen. Auch Post aus dem Ausland können wir leider nicht berücksichtigen.
Schreiben Sie den Kindern handschriftlich zurück?
Nicht handschriftlich, aber personalisiert.
Gerade hatte ich einen Brief auf dem Pult, in dem ein Bub fragte, was der Nikolaus zum Frühstück mag.
Ruth Crotta
Mit welchem Anliegen richten sich die Kinder am häufigsten an den Weihnachtsmann?
Viele Briefe enthalten Wunschlisten mit Geschenken. Aber oft sind auch Zeichnungen oder kleine Bastelarbeiten dabei. Und manchmal stellen die Kinder dem Weihnachtsmann eine Frage. Ob er den Weg in die Schweiz denn auch kenne, sorgen sich viele. Wie es den Rentieren gehe, wollen andere wissen. Gerade hatte ich einen Brief auf dem Pult, in dem ein Bub fragte, was der Nikolaus zum Frühstück mag.
Was denn?
Er passt sich natürlich dem Land an, in dem er zu Besuch ist. In der Schweiz isst er Brot mit Confi.
«Oft kommt der Wunsch vor, dass getrente Eltern wieder zusammenkommen – oder sich wenigstens nicht mehr streiten.»
Ruth Crotta
Gibt es auch Kinder, die Sorgen mit Ihnen teilen?
Ja. Im Moment beschäftigt sie der Krieg in der Ukraine. Viele Kinder schreiben uns, dass sie sich wünschen, der Krieg möge aufhören. Auch oft kommt der Wunsch vor, dass getrennte Eltern wieder zusammenkommen mögen. Oder sich wenigstens nicht mehr streiten.
Welcher Brief hat Sie ganz besonders berührt?
Letztes Jahr haben uns zwei Schwestern geschrieben, dass sie sich je ein eigenes Bett wünschen, damit sie nicht mehr im selben Bett schlafen müssen. Die Mädchen waren schon ziemlich gross, vielleicht zehn oder zwölf Jahre alt. Das ging mir nahe. Man kann sich fast nicht vorstellen, dass in der Schweiz Familien unter solchen Bedingungen leben müssen. Leider konnten wir den Mädchen nicht antworten, da sie keinen Absender aufs Couvert geschrieben hatten.
Welche materiellen Geschenke wünschen sich die Kinder am häufigsten?
Spielkonsolen und Handys stehen ganz oben auf der Liste. Aber auch Lego ist sehr beliebt. Ich habe das Gefühl, dieses Jahr ist das eines der am meisten gewünschten Spielzeuge. Sammelkarten oder Plüschtiere kommen ebenfalls häufig vor. Und nicht selten wünscht sich ein Kind sogar ein echtes Haustier, einen Hund oder eine Katze.
Haben Sie selbst als Kind an den Weihnachtsmann und das Christkind geglaubt?
Ja, das habe ich. Aber geschrieben habe ich weder dem einen noch dem anderen. Meine Eltern wussten damals nicht, dass das möglich ist. Dabei hatte der Weihnachtsmann schon damals eine Postadresse.
Was motiviert Sie für dieses Engagement?
Mir gefällt die Möglichkeit, die Magie für Kinder aufrechtzuerhalten. Vor allem in der heutigen Zeit, in der alles so schnelllebig ist, finde ich es schön, dass man den Kindern so ein Erlebnis gönnt. Sie schreiben noch richtige Briefe, Kommunikation mit dem Weihnachtsmann findet offline statt. Es ist schön, ein Teil dieses Weihnachtszaubers zu sein.
Diese Adressen haben Weihnachtsmann und Christkind
Kinder, die dem Weihnachtsmann oder dem Christkind einen Brief schreiben, erhalten auf dem Antwort-Couvert eine ganz besondere Briefmarke. Eine Adresse braucht man dazu übrigens nicht. Einfach «An den Weihnachtsmann» der Ähnliches aufs Couvert schreiben. Und den Absender nicht vergessen!