Denkt ein Elternpaar an die Trennung, berücksichtigt es oft Fragen rund um Finanzen, Besuchs- und Sorgerecht. Allerlei Organisatorisches und Rechtliches. Das kommt in diesem Artikel nicht vor. Wir haben stattdessen eine alleinerziehende Mutter gefragt, welche ungeahnten Schwierigkeiten – aber auch Benefits – sie nach der Trennung erlebt hat.
Seraina aus Bern ist 39 Jahre alt, zu 80 Prozent berufstätig und Mutter zweier Kinder im Alter von 8 und 10 Jahren. Seit sechs Jahren ist Seraina alleinerziehend. Sie hat ihre Erfahrungen für uns zusammengefasst. Hier sind die am meisten unterschätzen Aspekte des Lebens als Alleinerziehende.
Das Schwierigste: «Alleinerziehend zu sein, bedeutet, die Freude über die Kinder nicht mehr teilen zu können. Diese kleinen berührenden Momente, wenn ein Kind einen lustigen Satz macht, etwas Neues schafft oder einfach nur herzig aussieht, wenn es schläft. Natürlich gibt es noch Freundinnen, Grosseltern und das weitere Umfeld. Aber es wird nie dasselbe sein, wie damals, als man mit dem anderen Elternteil in der Tür zum Kinderzimmer stand und den Stolz und die Freude über das gemeinsame Kind in Verbundenheit gefühlt hat. Für mich ist das im Alltag die einschneidendste Veränderung, unter der ich noch Jahre nach der Trennung manchmal leide.»
Das Beste: «Man liest überall, alleinerziehend zu sein bedeute, doppelte Arbeit zu leisten. Ich erlebe es nicht so. Seit ich alleinerziehend bin, kann ich alles effizient und in meinem Tempo erledigen, ohne dass mir jemand reinfunkt. Vielleicht bin ich einfach nicht teamfähig, aber mich entspannt das. Wer mit einem Partner oder einer Partnerin gesegnet war, der oder die sich nicht am Haushalt beteiligte, dessen Arbeitsaufwand nimmt nach der Trennung sogar ab: Denn plötzlich sind die Wäscheberge nicht mehr ganz so hoch.»
«Nicht getrennte Eltern, die behaupten, sie seien so gut wie alleinerziehend, haben keine Ahnung!»
Seraina, alleinerziehende berufstätige Mutter aus Bern
Das Nervigste: «Was nervt, sind nicht getrennte Eltern, die behaupten, sie seien so gut wie alleinerziehend, weil ihre Partner oder Partnerinnen viel abwesend sind oder sich nicht nach Wunsch am Familienleben beteiligen. Lasst euch gesagt sein: Ihr habt keine Ahnung, was es bedeutet, nicht einmal hypothetisch die Möglichkeit zu haben, dass einem vielleicht einmal im Jahr jemand abends den Zahnputzkrieg mit den Kids abnimmt. Auch wenn man krank ist oder mal wirklich keine Energie mehr hat: als Alleinerziehende muss man funktionieren. Jede Sekundes jedes Tages im Jahr. Wer das nicht erlebt hat, kann es nicht nachfühlen.»
Das Unerwartetste: «Womit ich nicht gerechnet habe, ist, dass man als alleinerziehender Elternteil seine gesellschaftliche Position verliert. Während Paare häufig von anderen Paaren eingeladen werden oder sich mit ihnen verabreden, habe ich als alleinerziehende Mutter die Erfahrung gemacht, dass der Austausch einschläft, wenn ich ihn nicht forciere. Paare scheinen ernsthaft Hemmungen zu haben, einen einzelnen Elternteil bei sich willkommen zu heissen. Auch in den Ferien auf dem Familien-Campingplatz fühle ich mich zwischen all den Vorzeige-Familien, die mit Mama UND Papa ausgestattet sind, jeweils etwas verloren. Notlösung: Ab sofort werden Campingferien nur noch mit alleinerziehender Begleitung begangen.»
«Unsere schönsten und innigsten Momente erleben wir, wenn niemand sonst dabei ist.»
Das Schönste: «Das werden auch Elternteile kennen, die nicht alleinerziehend sind aber manchmal allein mit ihren Kindern unterwegs: Das Schönste ist die intensive Connection, die zwischen mir und den Kindern entsteht, wenn wir zu dritt sind. Ich kann mich besser auf sie einlassen, wenn ich nicht durch eine andere erwachsene Person abgelenkt bin. Und sie scheinen es ebenfalls als beruhigend zu empfinden, wenn sie sich voll auf mich konzentrieren können. Unsere schönsten und innigsten Momente erleben wir, wenn niemand sonst dabei ist.»