Vor zwei Monaten sind Mauro Caviezel (36) und seine Ehefrau Nina (29) Eltern von Zwillingen geworden: Nala und Maleo. Nala bedeutet auf Suaheli «die Löwin», Maleo «starker Löwe». «Wir haben die Namen bewusst nach ihrer Bedeutung gewählt», erklärt der ehemalige Skirennfahrer in der Schweizer Illustrierten. «Nina und ich haben beide das Sternzeichen Löwe.» Mit dieser Namenswahl ist es den Caviezels gelungen, was sich viele Zwillingseltern wünschen: Namen zu finden, die verbunden sind, aber nicht zu ähnlich klingen.
Ähnliche Namen: Geschenk oder Bürde?
Psychologin und Mehrlingseltern-Beraterin Elian Zürcher versteht den Wunsch nach ähnlich klingenden Namen. «Es ist für viele etwas sehr Besonderes, Zwillinge zu erwarten. Mit harmonischen Namen wie Lia und Mia oder Nick und Mick möchten sie zeigen, dass die Kinder zusammengehören. Das ist verständlich, kann aber belastend sein», erklärt Zürcher.
«Für die Identitätsentwicklung ist es wichtig, dass Kinder als eigenständige Personen wahrgenommen werden – nicht nur als Teil eines Duos»
Elian Zürcher
Besonders bei eineiigen Zwillingen, die womöglich auch gleich angezogen werden, führe dies oft zu Verwechslungen. «Ein Vorname ist nicht so leicht änderbar wie Kleidung. Für die Identitätsentwicklung ist es wichtig, dass Kinder als eigenständige Personen wahrgenommen werden – nicht nur als Teil eines Duos», betont Zürcher.
Identische Looks: Praktisch oder problematisch?
Viele Zwillingseltern kaufen identische Kleidung. Das sieht süss aus und ist pragmatisch: Man nimmt alles doppelt, wenn man etwas Passendes findet. «Das ist für Babys kein Problem», sagt Zürcher. «Je jünger die Zwillinge sind, desto häufiger werden sie gleich oder passend angezogen. Dagegen spricht erst einmal nichts.»
Doch mit zunehmendem Alter ändern sich die Bedürfnisse. «Im Laufe der Entwicklung wird es wichtiger, die Wünsche der Kinder miteinzubeziehen. Haben etwa Mädchen-Zwillinge unterschiedliche Vorlieben – eines mag Hosen, das andere Kleidchen –, sollten diese auch respektiert werden. Zwillinge haben oft völlig unterschiedliche Interessen, was sich auch in der Kleidung zeigt», so Zürcher.
Psychologin Elian Zürcher ist Drillingsmutter. In ihrer Praxis in Zug begleitet sie Familien, die ihre Kommunikation und Organisation verbessern wollen. Sie hilft, Beziehungskonflikte zu bearbeiten und Rollenkonflikte zu lösen.
Speziell für werdende Eltern von Zwillingen und Drillingen bietet Elian Zürcher Kurse zur Vorbereitung auf die Geburt und das Familienleben an.
Individualität fördern: Wie geht das bei Zwillingen?
Zwillinge haben oft eine besondere Verbindung, entwickeln aber mit der Zeit ein Bedürfnis nach Individualität. «Diesen Wunsch sollten Eltern ernst nehmen und fördern», rät Zürcher. Das beginne bei der Sprache: «Die Kinder mit ihren eigenen Namen anzusprechen, statt sie als ‹die Zwillinge› zu betiteln, hilft, sie nicht nur als Einheit zu sehen.»
Auch sollten Eltern die Meinungen der Kinder einzeln einholen. «Es ist wichtig, dass jedes Kind seine eigene Meinung äussern kann – auch wenn das bedeutet, dass sie sich uneinig sind oder mal getrennte Aktivitäten unternehmen.» Einzelzeit mit jedem Kind sei besonders wertvoll: «Das stärkt die Beziehung und gibt Raum für individuelle Entwicklung. Gerade im Kleinkindalter kann dies helfen, Konflikte zu entschärfen, etwa in der Autonomiephase.»
Einschulung: Getrennt oder zusammen?
In vielen Gemeinden der Schweiz können die Eltern mitbestimmen, ob ihre Zwillingskinder in gemeinsamen oder getrennten Klassen eingeschult werden. Teilweise werden Trennungen von Schulen empfohlen. Dahinter steckt der Wunsch, die sozialen Fähigkeiten zu fördern und individuelle Freundeskreise zu bieten. Wissenschaftlich hat eine Trennung bisher keine Vorteile gezeigt – weder in Bezug auf Leistungen noch betreffend sozialer Kompetenzen. Ob eine getrennte Einschulung sinnvoll ist, könne man nur individuell entscheiden, sagt Zürcher. «Zwillinge, die ihre Beziehung als einengend empfinden, könnten getrennte Klassen als befreiend erleben. Hingegen kann eine erzwungene Trennung bei symbiotischen Zwillingen äusserst belastend sein, wenn sie dafür nicht bereit sind.»
«Individualität lässt sich auf vielen Ebenen fördern – es muss nicht zwingend durch getrennte Klassenzimmer geschehen.»
Elian Zürcher
Die Forderung nach Individualität sollte nie zulasten einer sicheren Bindung gehen, so die Expertin. «Individualität lässt sich auf vielen Ebenen fördern – es muss nicht zwingend durch getrennte Klassenzimmer geschehen.» Eltern sollten zudem darauf achten, eigene Unsicherheiten nicht auf die Kinder zu übertragen. «Positiver Zuspruch und Vertrauen stärken Kinder und helfen ihnen, Herausforderungen zu meistern», so Zürcher.