Ihr seid beide 2019 Mütter geworden. Hand aufs Herz, habt ihr es euch so vorgestellt?
Co Gfeller: Es ist strenger, als ich gedacht habe.
Fabienne Wernly: Und ich konnte mir das ständige fremdgesteuert sein nicht richtig vorstellen.
Co Gfeller: Zum Glück nicht, sonst gäbe es weniger Kinder.
Welche Vorstellung war im Nachhinein illusorisch?
Fabienne Wernly: Ich habe immer gedacht, dass Babys viel schlafen, weil es heisst: Schlafen wie ein Baby. Aber mein Sohn meldete sich sicher alle drei Stunden und schlief generell nicht gut.
Und was habt ihr total unterschätzt?
Co Gfeller: Ich dachte immer es sei Quatsch, dass Mütter eher spüren, was das Kind braucht. Ich dachte, die Väter müssen sich einfach mehr anstrengen. Aber Bowie ruft wirklich in der Nacht nur nach mir und ich merke generell viel eher im Voraus, was er braucht oder wenn er Hunger hat. Dieses Gespür haben Männer irgendwie weniger.
Was ist die grösste Herausforderung am Mamisein?
Co Gfeller: Die ganze Umstellung. Ich habe zuvor ein egoistisches Leben in einer Musiker-WG in L. A. gelebt. Ich konnte jederzeit an einem Song schreiben, wenn ich wollte. Proben, Konzerte spielen oder Freunde treffen. Aber als ich zurück in die Schweiz kam, hing alles an mir, nichts wurde mehr durch die WG-Gspänli aufgeteilt. Kochen, putzen, bügeln, aufs Kind schauen – das ist eine grosse Umstellung.
Seid ihr auch mal überfordert?
Co Gfeller: Ja, wenn Bowie weint, ohne dass ich den Grund weiss.
Fabienne Wernly: Wenn Emilio krank ist, habe ich stets das Gefühl, dass wir ins Kinderspital sollten. Wenn ich ihn nicht beruhigen kann, fühle ich mich überfordert.
Aber es gibt auch die Freuden ...
Fabienne Wernly: Und zwar so viele! Ich finde es das Schönste, seine Entwicklung zu sehen, seine neuen Wörter zu hören – und er ist lustig. Ich finde diese kleinen Menschlein mit ihren individuellen Charakteren und ihrem Humor ganz toll. Und ehrlich, meinen Sohn zu haben, ist die grösste Freude meines Lebens, auch wenn es ein paar Falten und graue Haare mehr mit sich bringt.
Co Gfeller: Und wie sie Freude an kleinen Dingen haben, die wir nicht einmal anschauen. Bowie hat ein Legostück, das er überall hinträgt und davon sagt, es sei sein Snowboard. Man lernt die einfachen Sachen wieder zu geniessen und zu schätzen.
Ihr bezeichnet euch als Vollzeitmamis. Habt ihr euch bewusst dafür entschieden?
Co Gfeller: Ich definitiv nicht! Ich hatte mir immer vorgestellt, dass mein Mann und ich uns Fifty-Fifty aufteilen. Da er als Golflehrer viel im Sommer arbeitet, dachte ich, dass ich dann im Winter viele Konzerte spielen kann. Wegen Corona fällt das jetzt alles ins Wasser. Aber ich hoffe, dass ich bald wieder mehr arbeiten kann.
Fabienne Wernly: Ich habe es mir auch nie so vorgestellt. Aber bei mir liegt es daran, dass ich nicht gut loslassen, mich nicht gut von Emilio trennen kann.
Co Gfeller: Wirklich? Ich kann das gut.
Fabienne Wernly: Es ist auch so, dass ich es wirklich sehr geniesse. Das hätte ich mir zuvor auch nie so vorstellen können.
«Wir wollen Themen aufgreifen, die man nicht auf dem Spielplatz hört»
Co Gfeller
Auf welche Themen oder Tabus haben euch auch andere Mamis nicht vorbereitet?
Co Gfeller: Dass wir Frauen auch noch zwei Wochen nach der Geburt täglich Blutungen haben. Über alles, was mit dem Baby zu tun hat, wird geredet, aber nicht darüber, was mit unserem Körper passiert. Mein Beckenboden ist noch nicht so wie zuvor, was ich beim Joggen merke. Ich weiss auch von Müttern, die bis heute nicht auf ein Trampolin gehen können. Es gibt so viel, deshalb reden wir genau über solche Tabus in unserem Podcast. Wir wollen Themen aufgreifen, die man nicht auf dem Spielplatz hört.
Woher kam denn das Bedürfnis, den Podcast «Two Moms» ins Leben zu rufen?
Fabienne Wernly: Co und ich haben uns gesucht und gefunden ...
Co Gfeller: Ja, wir kennen uns noch nicht lange, sondern lernten uns erst kurz vor der Geburt von meinem Sohn kennen.
Fabienne Wernly: Du hattest mich nach der Geburt von Emilio auf Instagram kontaktiert, da du dich als Mom-to-be austauschen wolltest. Wir reden beide gerne und wollen beide Geschichten erzählen, auch die Geschichten von anderen. Das tun wir nun in unserem Podcast.
Co Gfeller: Alle Interview-Gäste kennen wir selber oder sind durch Freunde auf ihre Geschichten gestossen.
Wieso müssen Mütter immer übers Mamisein reden?
Fabienne Wernly: Müssen wir nicht. Aber die Menschen reden auch ständig über ihren Beruf, wenn sie sich treffen. Und Eltern zu sein, ist meiner Meinung nach mehr als ein Beruf, eher Berufung. Damit kommt auch das starke Bedürfnis, sich austauschen, sich mit anderen zu vergleichen. Es ist die grösste Aufgabe im Leben eines Menschen, einen anderen Menschen als guten Bürger heran zu erziehen. Und darum finde ich es wichtig und richtig, dass man möglichst viel darüber redet, sich vergleicht und auch hinterfragt.
Co Gfeller: Ich wusste zuvor so wenig über Babys und fand, dass Mütter nur noch darüber reden können! (Lacht) Aber wenn du selber drin bist, ist es zu 120 Prozent dein Thema. Ich rede auch darüber, weil ich selber Hilfe brauche und interessiert bin, was die anderen erlebt haben. Ich habe mein Mami, mein Omi, mein Grosi ausgefragt, damit ich von ihnen lernen kann.
Was können die Zuhörer denn bei euch lernen, beziehungsweise erwarten?
Fabienne Wernly: Wir lassen auch die Väter zu Wort kommen, was ich wichtig finde. Unsere Gäste haben ein spannendes Leben, eine interessante Situation oder etwas Spezielles erlebt. Es sind keine 08/15-Menschen – und vor allem sind sie schonungslos ehrlich.
Co Gfeller: Und sie sind bereit, über ihr Schicksal zu reden. Zum Beispiel wie es ist, ein Kind zu verlieren. Darüber sprechen zu können, braucht Zeit und Mut.
Fabienne Wernly: Und sie haben auch keine Angst anzuecken. Die bald 40-jährige Frau, die keinen Partner aber ein Kind will und sich in Dänemark künstlich befruchten liess. Diese Geschichte eckt an, da es unter anderem in der Schweiz auch nicht erlaubt ist.
Co Gfeller: Oder die ehemalige Sportlerin Mimi Jäger, die bewusst nicht stillen möchte und die bewusst den Kaiserschnitt gewählt hat. Ich finde es toll, wenn die Leute dazu stehen.
«Frauen sind grundsätzlich hart mit sich selber und mit anderen Frauen. Und Mütter sind das nächstes Level»
Fabienne Wernly
Man sagt, Mamis seien die härtesten Kritikerinnen von anderen Müttern. Wahr oder falsch?
Fabienne Wernly: Absolut wahr. Frauen sind grundsätzlich hart mit sich selber und mit anderen Frauen. Und Mütter sind das nächstes Level.
Co Gfeller: Ich merke selber auch, wie ich trotz meiner minimalen Erfahrung als Mutter manchmal denke: Das hätte ich so nicht gemacht. Und wir Mütter reden einander auch oft rein, es ist schwierig aufs Maul zu sitzen. Dabei finde ich es sehr wichtig, dass man aufs Maul sitzt. Das Mom-Shaming ist schon extrem. Und es tut doch auch weh, wenn jemand an deinen Entscheiden herumkritisiert.
Fabienne Wernly: Ein frischgebackenes Mami muss sich auch erst finden, da brauchts nicht ständig Ratschläge.
Welche Mütter beeindrucken euch?
Co Gfeller: Mütter, die mehrere Kinder haben. Ich habe eine Freundin mit vier Kindern. Da denke ich: Wow! Ich habe schon Mühe ein Kind bereit zum Schlitteln zu machen – und sie schafft es vier Kinder in der gleichen Zeit anzuziehen. Da ziehe ich den Hut.
Fabienne Wernly: Ich bewundere auch Mütter, die schwere Schicksalsschläge erlebt haben mit ihrem Kind oder ein krankes Kind haben. Vor allem, wie sie damit umgehen können. Emilio war bisher einmal im Kinderspital. Mit vier Wochen hatte er einen Rotavirus. Damals habe ich nur einen Hauch davon erlebt, wie es mit einem kranken Kind ist.
Was für Mamis versucht ihr denn zu sein?
Co Gfeller: Ich versuche, so relaxt wie möglich zu sein, versuche dreimal durchzuatmen und auch nicht zu viel Angst zu haben. Ich will Bowie nicht ständig alle Gefahren aufzeigen.
Fabienne Wernly: Ich versuche auch, ruhig zu bleiben, und möchte nicht bloss Nein sagen, sondern ihm Situationen erklären. Und ich versuche, immer ein liebevolles Mami zu sein. Mir ist wichtig, dass wir ein Team sind. Ich wünsche mir, dass er zurückschaut und sagt, ich habe eine schöne Kindheit gehabt.
Co Gfeller: Das ist das Ziel. Die Frage ist, ob man das auch schafft.
Musstet ihr in der Erziehung auch schon kapitulieren?
Co Gfeller: Handy, TV und Laptop wollte ich ihm gar nie geben. Aber es gibt einfach Momente, in denen ich froh bin, dass ich zum Beispiel in Ruhe kochen kann. Da stelle ich ihm auch mal Peppa Pig ein.
Fabienne Wernly: Ich musste auch in der Screen-Zeit kapitulieren. Für uns war es einfach nicht möglich, ihn davon fernzuhalten.
Gibt es eigentlich eine Frage, die man Müttern nicht stellen sollte?
Co Gfeller: In unserer Welt wird ständig danach gefragt, wenn man den Kinder haben wird. Oder kaum hat man eines, wann das zweite kommt. Oder Kommentare zum Körper nach der Geburt. Wir sind uns gewohnt, einfach alles zu sagen, ohne zu überlegen, was die Person vielleicht durchgemacht hat.
Fabienne Wernly: Fragen danach, ob man stillt, oder ob das Kind im Familienbett oder in einem eigenen schläft. Solche Dinge muss man nicht diskutieren, da die Entscheide bei jedem alleine liegt.
Co Gfeller: Ja, bei den Themen Kinder und Erziehung kann man generell viel Salz in Wunden streuen.
Aber über was sollten Mütter unbedingt mehr reden?
Fabienne Wernly: Über ihre Fehler! Es gibt so viele perfekte Mütter auf Instagram. Zeigt doch mal, dass ihr das Kind vor dem TV platziert habt. Oder sagt, wie ihr es gemacht habt, als ihr keine Nerven mehr hattet, müde wart.
Co Gfeller: Ich habe auch Mühe, wenn ich jenen Müttern folge, die vier Kinder haben, in Hawaii leben und jeden Tag am Beach sind, dabei selber noch top aussehen und perfektes Essen kochen.
Fabienne Wernly: Wenn ich in meinem Umkreis frage, was sie gerade zu Abend essen, dann gibt es nicht selten Chipolata und eine Päcklirösti. Die Realität sieht oft anders aus, als das, was wir in den Sozialen Medien sehen und womit wir uns vergleichen.
Ich möchte ein Thema nicht vergessen: Wie involviert sind bei euch die Daddys?
Fabienne Wernly: Sehr. Mein Mann arbeitet zwar Vollzeit, aber am Abend ist er sehr präsent. Der Kleine ist ein absolutes Papi-Titti, worauf ich schon fast eifersüchtig bin.
Co Gfeller: Bei uns auch. Da Yves aktuell nicht als Golflehrer arbeiten kann, haben wir viel Zeit zusammen. Ich wünschte mir sogar, dass es Tage gäbe, in denen er alleine auf Bowie achten kann – und ich endlich wieder arbeiten.
Ab dem 19. Januar ist der «Two Moms»-Podcast wöchentlich auf Spotify, iTunes und via Podcast App von Apple zu hören. Themen der 14 Sendungen sind unter anderem «Gender Disappointment – Hilfe, es wird ein Junge!» oder «Schwanger ohne Mann: über Kindstod & künstliche Befruchtung». Auf Facebook unter «Two Moms» können sich die Leute zudem austauschen.