Ein edles Candle-Light-Dinner? Das brauchen sie nicht: Eislauf-Europameisterin Sarah Meier und Triathlon-Star Jan van Berkel schätzten schon immer eher die kleinen Momente im Alltag. So an diesem Freitag Ende Mai. Jan plant mit seinem Rennvelo ein 120-Kilometer-Training von zu Hause in Döttingen AG auf die Schwägalp AR, Sarah spielt unterwegs Verpflegungsposten. Und im Ziel geniessen sie noch ein paar Stunden die Natur des Alpsteins.
Hier hatten sie 2013 eines ihrer ersten Rendezvous. Hier haben sie im November 2018 geheiratet. Mit einer Zeremonie auf dem Säntis hoch über dem Nebelmeer und einem ausgelassenen Fest auf der Schwägalp.
Und nun sind sie mit ihrem fünf Monate alten Söhnchen Tim hier, picknicken in der Sonne. «Er ist ein so zufriedenes Baby», sagt Sarah, 36. «Wenn er morgens aufwacht, liegt er da, brabbelt vor sich hin und strahlt uns an.» Kletsmajoor sagen sie ihm manchmal, «Plauderi» auf Holländisch. Der Vater des 34-jährigen Jan kommt aus den Niederlanden, Tim wächst aber nicht zweisprachig auf, da auch Jan nicht perfekt Holländisch spricht.
Am 3. Januar ist Tim zur Welt gekommen, und die ersten Monate des Familienlebens waren zuerst ausserordentlich turbulent – und dann ausserordentlich ruhig. Denn als die beiden Zürcher Unterländer Anfang März von einer Mietwohnung in ihr erstes gemeinsames Haus zogen, war alles ein wenig viel aufs Mal: das Neugeborene, die zahlreichen Dinge, die bei einem Hauskauf zu erledigen sind, das Zügeln. Dann Jans Abschlussprüfung seiner Weiterbildung (CAS) in internationalem Sportrecht und die Vorbereitung auf den ersten Ironman des Jahres, eine Eiskunstlauftrainer-Prüfung von Sarah – alles innerhalb weniger Wochen. Da kamen sie kurz an ihre Grenzen.
Am Wochenende danach folgte der Lockdown, «und es ging von 200 auf null».
Für den zweifachen Sieger des Ironman Zürich fallen alle Trainingslager und Wettkämpfe wegen Corona weg. Und Sarah, die ein Wochenende ohne Pläne kaum kannte, tat es gut, einfach mal zu Hause in den Tag hineinzuleben. «Ich habe in zwei Monaten vielleicht zweimal den Wecker gestellt.» Für die frischen Eltern war die geschenkte Zeit im Corona-Modus ein Segen: So viel Zeit zu dritt hätte es sonst nicht gegeben. «Es ist schön, dass ich nicht immer wegrennen muss», sagt Jan, der so von Beginn weg voll eingebunden war.
Auch die totale Fokussierung auf den Sport in den Wochen vor einem Rennen fällt weg, es ist alles ein wenig lockerer. So gehen Sarah und Tim im Juni mit, wenn Jan im Engadin trainiert. Und getrennte Schlafzimmer sind ebenfalls kein Thema mehr. Auch weil Tim beneidenswert lange schläft. Er hat in der Nacht meist bloss einmal zwischen vier und sechs Uhr morgens Hunger.
Jan schwimmt frühmorgens um 7.15 Uhr. Wenn er zurückkommt, frühstücken sie, dann spielt Jan mit Tim, und nach einem weiteren Training gibts einen gemeinsamen Mittagsschlaf. Sarah nutzt die Zeit für Sport oder ihre geliebte Badewanne. Sie schätzt die Zeit, in der sie den Tag noch flexibel dem Trainingsplan ihres Mannes anpassen kann. Denn im Juli beginnt sie wieder zu 60 Prozent als Sportredaktorin bei der SI; neben Jan kümmern sich dann auch die Eltern um den Kleinen. «Ich bin gespannt, habe aber auch Respekt davor», sagt Sarah.
Längst kann sich das Paar nicht mehr vorstellen, wie es ohne Tim war. «Es fühlt sich so natürlich an», sagt Jan, der es geniesst, wenn sein Sohn lächelt, einfach weil seine Eltern um ihn herum sind. «Er saugt alles auf, das ist unbeschreiblich.» Für Sarah ist die Liebe, die sie empfindet, «wirklich überwältigend». Manchmal macht es ihr aber auch Angst, obwohl sie sonst kein ängstlicher Mensch ist. «Man denkt einfach: Ui, wir müssen alles geben, damit ihm und uns nichts passiert.»
Das seien aber Blitzgedanken, die auch schnell wieder verschwinden. Denn grundsätzlich geniessen sie jede Minute als Familie. In ihrem Holzhaus im Aargau fühlten sie sich von der ersten Nacht an zu Hause, auch wenn die Einrichtung wegen Corona noch unvollständig ist. Zum Beispiel fehlt auf der grossen Terrasse mit Weitblick ein Esstisch. Aber wenn die van Berkels abends von dort die grandiosen Sonnenuntergänge über der Aare beobachten, spielt das keine Rolle mehr. Es sind eben die kleinen Dinge, die das Leben ausmachen.