Mein Partner hat sich mit seinem Freund, dem Götti unseres Sohnes, zerstritten. Jetzt will dieser nicht mehr Pate sein. Mein Sohn (11) leidet sehr und mein Mann macht sich Vorwürfe. Einen Ersatz haben wir nicht. Braucht ein Kind heute überhaupt noch einen Götti? - Claudia (39)
Liebe Claudia
Ich habe mich auch schon gefragt, wie zeitgemäss das Gotti/Götti-Amt noch ist. Denn erschreckend viele meiner Freunde haben einen Chnorz mit einem Paten ihrer Kinder. Da ist der Götti, der nur noch Nötli schickt. Das Gotti, mit dem sich die Mami nicht mehr versteht. Oder das andere Gotti, das nie einen Draht zum Kind fand, sich aber bestens mit dem Geschwister versteht.
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«Früher mussten die Taufpaten vor allem eines: dem Kind Pate stehen. Es aufnehmen, wenn die Eltern verstorben waren. Auch sollten sie diese in der religiösen Erziehung unterstützen», sagt Pfarrer Leonhard Jost, 64.
«Ein Götti oder ein Gotti kann für das Kind eine wichtige Bezugsperson sein. Etwa bei Problemen in der Pubertät oder bei Streitigkeiten der Eltern.»
Obwohl der Glaube heute in vielen Familien keine besondere Rolle mehr spielt, hält Jost Patenschaften nach wie vor für sinnvoll. «Ein Götti oder ein Gotti kann für das Kind eine wichtige Bezugsperson sein. Etwa bei Problemen in der Pubertät oder bei Streitigkeiten der Eltern», so der Bündner.
Bricht eine Patenschaft auseinander, leiden meistens auch die Eltern. Schliesslich waren es sie, die den Götti für ihr Kind ausgewählt haben. Oft sind es sogar die besten Freunde der Eltern, was den Bruch umso schmerzhafter macht.
In deinem Fall, liebe Claudia, würde ich offen mit deinem Sohn reden. Wie wichtig ist es ihm, einen Götti zu haben? Hat er vielleicht schon einen Ersatz im Kopf? Wenn ja, wie wärs, wenn er seinen Wunsch-Kandidaten selbst fragt? Oder ihm einen Brief schreibt? Je nach Person ist es allerdings ratsam, wenn du erst mit dem Betroffenen allein sprichst. So vermeidest du erneute Tränen.
Auch unsere Tochter hat keinen Götti mehr. Zum Bruch kam es, als sich meine Schwester von ihrer Jugendliebe und Paten unserer Kleinsten, getrennt hat. Mein (beinahe) Schwager war seit Jahren so innig mit unserer Familie verbunden, dass ihn alles bei uns an seine grosse Liebe erinnert hat. Wir sind dankbar, dass er sich traute, die Wahrheit zu sagen. Schliesslich soll die Patenschaft beiden Freude machen.
Mit dem Ersatz-Götti tun wir uns hingegen extrem schwer. Irgendwie stimmt so gar nichts. Erst wollte ich statt einem Götti das Paten-Amt auf zwei Gottis im 50- Prozent Pensum aufteilen. Also drei Frauen, statt traditionsgemäss einem Mann und einer Frau. Leicht trotzig dachte ich: «Wenn mein Mäuschen schon keinen Götti mehr hat, sollte sie dafür eine coole Alternative bekommen!»
Doch irgendwas hält mich zurück. Vielleicht, weil ich keiner Freundin das Gefühl geben möchte zweite Wahl zu sein. Vielleicht aber auch, weil sie ein Schlitzohr ist und es dazu mit Männern gut kann. Vielleicht aber auch, weil sie einen Götti hat! Einen Götti, der sie auf den Tauffotos verliebt in den Armen hält, der das Taufversprechen unterschrieben hat und nun einfach nicht mehr kann. Vielleicht muss sie genau das lernen. Lernen, dass das Leben manchmal auch weh tut.
Herzlich, Romina
Unsere Expertin für Familienfragen
Nie waren Eltern so gut informiert wie heute. Und nie war es schwieriger, im Dschungel aus Ratgebern und Internetforen den besten Weg für den eigenen Nachwuchs zu finden. Unsere Familien-Expertin Romina Brunner hilft, Ordnung zu schaffen. Regelmässig berät die zweifache Mutter und Journalistin die SI-Family-Community zu Themen und Fragen aus dem Familienalltag.