Meine pubertierende Tochter (17) treibt mich in den Wahnsinn. Sie ist ständig weg, mault andauernd und lässt sich von mir bedienen. Bislang habe ich alles erduldet. Aus Angst sie zu verlieren, mache ich ihr sogar die Wäsche. Doch meine Nerven sind am Ende. Wie viel Familienzeit darf ich als Mutter von meinem Kind verlangen? – Karin
Liebe Karin
Auch wenn es intensiv und schmerzhaft ist: Deine Tochter wird erwachsen und sucht die Auseinandersetzung. Sie braucht den Konflikt, aber auch deine Liebe und Fürsorge. Sie will Orientierung und diese erfährt sie durch Grenzen, die du ihr setzt.
«Die Jugendlichen möchten, dass die Eltern sich mit ihnen auseinandersetzen, sie anhören, ihre Launen aushalten und ihre Gefühle ernst nehmen», sagt Erwachsenenbildnerin Susanne Baldini. Sie möchten also mitreden und mitbestimmen. «Die Eltern sollten die Diskussionen zulassen und sich auch einmal auf einen Kompromiss einigen, doch am Ende selbst entscheiden – denn sie tragen die Verantwortung», so Baldini. Durch die Auseinandersetzung würden die Kinder merken, dass sie ihren Eltern wichtig sind, das gebe ihnen Selbstvertrauen.
Habt ihr auch ein Thema, das euch beschäftigt? Dann schreibt ein Mail an romina@schweizer-illustrierte.ch
Ich kann gut verstehen, dass deine Tochter keine grosse Lust auf Wanderausflüge mit der Familie hat. Trotzdem gibt es Möglichkeiten, regelmässig Zeit mit ihr zu verbringen. Zum Beispiel beim gemeinsamen Essen. «Es ist wichtig, dass die Eltern mit den Jugendlichen im Austausch bleiben. Durch das gemeinsame Essen bleiben sie in Kontakt, sie können ihre Wertvorstellungen vermitteln, nach ihren Freunden fragen und erfahren so auch, wo sie sich herumtreiben», so die Fachfrau. Daher gelte auch an den schulfreien Wochenenden: «Am Mittag oder Abend setzen wir uns zusammen, auch wenn die Jugendlichen nicht hungrig sind.»
Liebe Karin, auch wenn deine Tochter selbstständig ist, solltest du deine Aufsichtspflicht weiter wahrnehmen. «Auch im Teenager-Alter können ihre Kinder nicht sich selbst überlassen und Woche für Woche alleine zum Wandern in die Berge fahren, nur weil die Kinder keine Lust auf ausgiebige Wandertouren haben», sagt Baldini. Das gehe vielleicht in einer Ausnahmesituation, aber es sollte keinesfalls zur Regel werden. So sei die Erziehung der Kinder nicht nur im Kleinkindesalter wichtig, sondern gerade auch in der Pubertät sehr bedeutend: «Die Jugendlichen müssen merken, dass es ihren Eltern nicht egal ist, was sie machen!»
«Das Ziel ist, dass die Jugendlichen im Widerstand die Arbeit erledigen, aber machen.»
Susanne Baldini, Erwachsenenbildnerin
Damit die Pubertät nicht zur monatelangen Tortur wird, fährst du am besten, wenn du einige Regeln aufstellt und diese konsequent durchziehst:
Wäsche: Für ihre Wäsche ist deine Tochter selbst zuständig. Du kannst ihr anbieten, ihre Kleider zu waschen, unter der Voraussetzung, dass sie ihre Sachen selbst in den Keller bringt, die Socken auseinanderzieht und alles nach deinem System sortiert. Laut Baldini sollen die Pubertierenden auch ihr Bett selber an- und abziehen. «Das Ziel ist, dass die Kinder im Widerstand die Arbeit erledigen, sie aber machen», sagt Baldini. Mit anderen Worten: Deine Tochter darf murren und stänkern und du liebe Karin, solltest einzig dafür sorgen, dass sie die Aufgaben erledigt.
Freunde treffen: Auch hier kannst du einfordern, dass sich deine Tochter mit ihrer Freundin abwechslungsweise bei sich und bei ihr trifft. Mein Rat: Lass die beiden in dieser Zeit möglichst in Ruhe. Wenn du nämlich ständig mit irgendwelchen Kleinigkeiten ins Zimmer platzt, ist das für sie sehr unangenehm und die Chance, dass sie weiterhin Kollegen mit nach Hause bringt, eher klein.
Handy: Den Handy-Konsum solltest du altersgerecht beschränken. Nimm das Gerät aber in der Nacht unbedingt aus ihrem Zimmer – nicht nur wegen der schädlichen Strahlen! Schlaf ist wichtig und mit dem Smartphone im Raum ist die Gefahr gross, dass sich dein Kind bis spät mit ihren Kollegen austauscht. Unter der Woche sollte eine schulpflichtige Jugendliche um 22 Uhr im Bett liegen und das Licht löschen.
Es lohnt sich auch, Bücher zum Thema zu lesen. Hier ein paar Empfehlungen:
- «Loslassen und Halt geben» von Jan-Uwe Rogge, Rowohlt.
- «Wenn erziehen nicht mehr geht» vn Jesper Juul, Penguin.
- «Vier Werte die Eltern und Jugendliche durch die Pubertät tragen» von Jesper Juul, Gräfe und Unzer.
- «Miteinander durch die Pubertät» von Inke Hummel, Humboldt.
Liebe Karin
Ich wünsche dir viel Power, Geduld und Gelassenheit mit deiner Tochter.
Herzlich,
Romina
Unsere Expertin für Familienfragen
Nie waren Eltern so gut informiert wie heute. Und nie war es schwieriger, im Dschungel aus Ratgebern und Internetforen den besten Weg für den eigenen Nachwuchs zu finden. Unsere Familien-Expertin Romina Brunner hilft, Ordnung zu schaffen. Regelmässig berät die zweifache Mutter und Journalistin die SI-Family-Community zu Themen und Fragen aus dem Familienalltag.