«Ich erinnere mich an Tage zurück, an denen ich weinend im Badezimmer lag und mich vor Schmerzen kaum bewegen konnte», erzählt Janine (36) aus Zürich. «Es fühlte sich an, als ob mir jemand ein Messer in den Rücken und die Oberschenkel rammte.»
Die Krankheit, von der Janine betroffen ist, heisst Endometriose. Schätzungsweise sechs bis zehn Prozent aller Schweizerinnen im gebärfähigen Alter leiden darunter. Das sind rund 190'000 bis 280'000 Frauen1. Wenn die Mutter an Endometriose leidet, hat die Tochter ein sechsmal höheres Risiko, ebenfalls daran zu erkranken1.
«Die typischen Symptome sind Schmerzen während, aber auch schon vor der Menstruation», sagt Dr. med. Julian Metzler, Oberarzt an der Klinik für Gynäkologie am Unispital Zürich. «Zu den anderen Symptomen gehören nebst starken Unterbauchschmerzen auch Beschwerden beim Wasserlassen oder Stuhlgang, ausstrahlende Schmerzen in Rücken und Beine oder Verdauungsbeschwerden.» Aber auch starke oder unregelmässige Monatsblutungen und Schmerzen beim Sex können ein Anzeichen der Krankheit sein.
Bei Endometriose treten krankhafte Wucherungen der Gebärmutterschleimhaut ausserhalb der Gebärmutterhöhle im Beckenbereich auf und gelangen häufig in das Bauchfell1. Jedoch können auch andere Stellen im Bauchraum von den krankhaften Wucherungen betroffen sein, zum Beispiel die Eierstöcke, der Darm, die Blase oder Bereiche ausserhalb des Beckens wie das Zwerchfell oder die Lunge. «Diese sogenannten Endometriose-Herde verursachen eine Entzündungsreaktion und starke Schmerzen», sagt Metzler.
Warum sich die Gebärmutterschleimhaut bei manchen Frauen innerhalb des Beckens und Bauchraumes ansiedelt, ist noch nicht vollends geklärt. Die bekannteste Theorie ist die sogenannte «retrograde Menstruation». «Dabei fliesst das Menstruationsblut teilweise rückwärts über die Eileiter in den Bauchraum und verursacht Entzündungen», erklärt Metzler.
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Obwohl Endometriose keine seltene Erkrankung ist, weiss man noch sehr wenig über diese Krankheit. Die Diagnose kann für Frauen oft ein langer und frustrierender Prozess sein. Viele Betroffene suchen zumeist mehr als fünf medizinische Fachpersonen auf, bevor sie die nötige Versorgung erhalten. Im Durchschnitt vergehen acht Jahre, bis die Diagnose Endometriose gestellt wird2.
Bei Janine dauerte der Leidensweg doppelt so lange. «Ich wurde oft nicht ernst genommen und belächelt», erinnert sie sich. «Eine Gynäkologin sagte mir, ich solle mich nicht so anstellen. Starke Schmerzen während der Periode seien normal.» Eine andere Ärztin riet ihr sogar, schwanger zu werden. «Sie sagte, dass die Schmerzen nach der Geburt nachlassen würden.»
Janine war damals 19 Jahre alt und schockiert über diese Aussagen. «Ich fühlte mich mit meinem Problem alleine. Teils hatte ich so extreme Schmerzen, dass ich ohnmächtig wurde.» Julian Metzler bestätigt, dass die Schmerzen bei Frauen mit Endometriose deutlich stärker sein können als normale Menstruationsschmerzen. «Manche Frauen können teilweise nicht arbeiten oder keinen sozialen Aktivitäten nachgehen.»
Einige Frauen mit Endometriose verspüren keine Schmerzen. In diesen Fällen wird die Diagnose Endometriose nicht, oder nur zufällig festgestellt. Zum Beispiel, wenn der Kinderwunsch unerfüllt bleibt. Eine von vier Frauen, die nicht spontan schwanger wird, leidet an Endometriose. «Wenn die Eileiter oder das Eierstockgewebe durch Endometriose-Herde vernarbt oder zerstört sind, kann das den Transport des Eis zur Gebärmutter sowie dessen Befruchtung im Eileiter erschweren oder gar verhindern», sagt Metzler. «Endometriose kann auch die Eierstöcke schädigen, was zu einer schlechteren Eizellreserve führen kann.» Deshalb haben viele Frauen mit Endometriose Schwierigkeiten, schwanger zu werden1.
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Endometriose ist zwar nicht heilbar, aber es gibt mehrere Möglichkeiten, die Symptome zu bekämpfen. «Zum einen gibt es die rein symptomatische Therapie mit Wärme, Entspannung, entzündungshemmenden und krampflösenden Medikamenten», sagt Metzler. Manche Frauen wenden die Traditionelle Chinesische Medizin an, wie zum Beispiel Akupunktur. Wichtige Pfeiler der Therapie sind die hormonelle Behandlung und operative Verfahren wie die Laparoskopie. «Bei dieser minimalinvasiven Operation wird der Bauchraum nach Endometriose-Herden abgesucht, um diese dann möglichst vollständig zu entfernen.»
Janine hat sich vor fast zwei Jahren für diese Operation entschieden. «Ich habe an chronischen Schmerzen gelitten und musste täglich haufenweise Tabletten schlucken», erinnert sie sich. Der Eingriff hat ihr Leben verändert. «Seit der Operation nehme ich täglich Hormontabletten, die den Eisprung unterdrücken. So können sich keine neuen Herde bilden, und ich bin seither schmerzfrei.»
Julian Metzler liegt es am Herzen, dass das Thema Endometriose ernst genommen wird. «Um eine zeitnahe Diagnose zu erhalten, ist es wichtig, dass darüber gesprochen wird. Wer starke Schmerzen während der Periode hat, sollte seine Gynäkologin oder seinen Gynäkologen darauf ansprechen.»
Quellenverzeichnis
1) USZ Universitätsspital Zürich | Krankheiten & Therapien | Endometriose https://www.usz.ch/krankheit/endometriose/
2) APPG on Endometriosis 2020 https://ncimi.co.uk/latest/all-party-parliamentary-group-on-endometriosis/