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Experte für Cybercrime klärt auf

Cybergrooming: So können Eltern ihre Kinder schützen

«Derzeit gibt es an Schulen vor allem Probleme mit Cybermobbing und Sexting/Cybergrooming», sagt Cem Karakaya. Hier erklärt der Experte für Cybercrime und Prävention, wie Eltern ihre Kinder schützen können.

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Cybermobbing und Cybergrooming sind Gefahren für Kinder und Jugendliche.
Cybermobbing und Cybergrooming sind Gefahren für Kinder und Jugendliche. iStock via Getty/Highwaystarz-Photography

In Messenger–Diensten und sozialen Netzwerken lauert die Gefahr: Cem Karakaya, langjähriger Interpol–Mitarbeiter und Experte für Cybercrime und Prävention, erklärt im Interview mit spot on news, wie Eltern ihre Kinder vor Cybergrooming schützen können. Zusammen mit Tina Groll hat er das Buch «Klicken Sie hier. Digitale Selbstverteidigung leichtgemacht» (Ariston) verfasst. Hier verrät Cem Karakaya zudem, was droht, wenn Jugendliche selbst zu Tätern werden.

In Ihrem Buch «Klicken Sie hier. Digitale Selbstverteidigung leichtgemacht» geben Sie Tipps, wie man sich selbst, die Kinder und die Elterngeneration gegen neue Bedrohungen aus dem Internet schützen kann. Von welcher Form der Internetkriminalität sind Kinder und Jugendliche derzeit am meisten betroffen?

Cem Karakaya: Derzeit gibt es an Schulen vor allem Probleme mit Cybermobbing und Sexting/Cybergrooming. Dafür werden meist die Messenger–Dienste bzw. die sozialen Netzwerke benutzt. Bei Cybermobbing werden Schülerinnen und Schüler beleidigt, bedroht, belästigt, blossgestellt, bei Sexting geht es um sexuell konnotierte Texte und Bilder und bei Cybergrooming haben die Angriffe das Ziel, die minderjährigen Opfer sexuell zu belästigen, zu locken, bis zum Missbrauch in der realen Welt. In diesem Zusammenhang taucht sehr oft ein weiterer Straftatbestand auf: die Verletzung des «Rechts am eigenen Bild».

Über die Gefahr des Cybergroomings schreiben Sie auch in Ihrem Buch. Wie können Eltern verhindern, dass der Nachwuchs im Netz Opfer von pädophilen Personen wird?

Karakaya: Die grösste Präventionsarbeit besteht darin, zwischen Eltern und Kindern Vertrauen aufzubauen, das von keiner Seite missbraucht werden darf, und in Kommunikation. Die Kinder müssen immer die Möglichkeit haben, zu den Eltern zu gehen, wenn sie ein schlechtes Bauchgefühl haben. Es muss klar sein: Jeder macht Fehler, auch Eltern. Fehler sind immer die Lektionen, die man noch nicht gelernt hat. Kinder müssen sensibilisiert werden, dass es Erwachsene gibt, die sich als Kinder ausgeben und alle möglichen anderen Tricks anwenden, um sich bei Kindern einzuschleichen, sie zu belästigen oder zu missbrauchen. Hilfreich ist auch zu vermitteln, dass man nicht alles glauben darf, was man im Internet liest.

Welche Anzeichen können darauf hindeuten, dass Kinder bereits unbemerkt Opfer von Internetkriminalität geworden sind?

Karakaya: Wir als Eltern sollten eigentlich gleich merken, dass mit unserem Kind etwas nicht stimmt. Wenn Kinder aufhören, sich mit ihren Freunden draussen zu treffen, immer in ihrem Zimmer bleiben, weniger essen und gereizt sind, ist es Zeit, das Gespräch zu suchen. Wichtig dabei ist, dass Eltern nicht gleich ungehalten oder sauer reagieren, sondern mit offenem Ohr zuhören. Danach setzen wir uns gemeinsam vor den Computer und schauen, welche technischen und rechtlichen Möglichkeiten wir haben, um aus einer kritischen Situation herauszukommen.

Kinder und Jugendliche können im digitalen Raum aber auch unwissentlich selbst zu Tätern werden, zum Beispiel durch Verletzung von Persönlichkeitsrechten, Bildrechten oder Urheberrechten. Was müssen Eltern ihren Kindern hier weitergeben, damit diese sich nicht strafbar machen?

Karakaya: Bevor man Kindern ein Smartphone – ich sage bewusst nicht Handy, weil es kein Handy ist, sondern ein kleiner Computer – übergibt, sollte man sie sensibilisiert und insbesondere über die rechtlichen Grenzen aufgeklärt haben. Dafür gibt es eine wunderschöne Internetseite: https://www.machdeinhandynichtzurwaffe.de

Kinder sollten wissen: Jeder Straftatbestand, den man im Strafgesetzbuch findet, gilt auch für das Internet. Man darf nicht einfach über WhatsApp jemanden beleidigen, erpressen oder bedrohen. Das sind Straftatbestände. Wichtig ist auch, das Smartphone nach den jeweiligen Bedürfnissen richtig einzustellen und das Thema Sicherheit und Datenschutz mit den Kindern zu besprechen. Es ist sinnvoll, einige Funktionen ganz oder zeitweise zu beschränken, so müssen etwa GPS, W–LAN, Bluetooth nicht immer eingeschaltet sein, und für die Nutzung – Bildschirmzeit und Kommunikation – lassen sich Limits festsetzen.

Cybermobbing ist ebenfalls ein Thema bei Jugendlichen. Was droht den Heranwachsenden, wenn sie Mitschüler oder Lehrer etwa per WhatsApp mobben?

Karakaya: Viele denken, dass man mit einer unbekannten Nummer oder anonym anrufen kann und dabei unentdeckt bleibt. Aber über den Telefonanbieter lässt sich die Nummer, die einen belästigt, natürlich herausfinden, am besten mit Hilfe einer Rechtsanwältin oder eines Rechtsanwalts. Das kann strafrechtliche oder zivilrechtliche Konsequenzen haben, bis zu einem Kontaktverbot bzw. Platzverweis. Ein schulisches Disziplinverfahren kann parallel laufen und endet möglicherweise mit einem erzwungenen Schulwechsel. «Cybermobbing» steht nicht im Strafgesetzbuch, aber Cybermobbing–Fälle sind verbunden mit Beleidigungen, übler Nachrede oder Verleumdung, Erpressung, Bedrohung, Nachstellung, etc., und das sind alles Straftatbestände.

Was viele Eltern oft auch nicht wissen: Es gibt ein Mindestalter für Social–Media–Apps. Dabei betreiben Kinder teilweise schon ihre eigenen YouTube–Kanäle. Was ist hier zu beachten?

Karakaya: Auch ich finde das immer wieder überraschend, aber einen Weg zurück gibt es hier leider nicht. Daher die Prävention und die Sensibilisierung. Wichtig ist, dass die Streamerinnen und Streamer mit ihren persönlichen Daten gut umgehen, Stichwort Datensparsamkeit. Man sollte einen Künstlernamen benutzen und nicht preisgeben, wo man wohnt. Viele verknüpfen ihr Konto mit anderen Anbietern wie TikTok, Spotify, etc. Das kann man machen, aber dann muss man überprüfen, welche persönlichen Informationen dadurch über mich herausgefunden werden könnten und das ggf. einschränken. Der Verein Teamkompass (https://teamkompass.net) gibt dazu auf seiner Seite sehr wertvolle Tipps.

Mit Smartphones und Smartwatches können Eltern ihre Kinder überwachen und orten. Ist das Ihrer Meinung nach ratsam? Wie hoch ist die Gefahr, dass Cyberkriminelle Kontrolle darüber erlangen und so mit den Kindern in Kontakt kommen?

Karakaya: Ich würde das Wort «begleiten» benutzen statt «überwachen». Das ist unser Auftrag als Eltern. Ich selbst benutze für meine Tochter auch eine Familien–App, sodass ohne meine Genehmigung keine App heruntergeladen werden kann oder ich die Medienzeit von meinem Kind beschränken kann. Das mache ich nicht heimlich, sondern zeige ihr, was ich alles kontrollieren kann: «Es ist nicht mein Ziel, dich zu überwachen, sondern zu begleiten. Wenn ich merke, dass du in eine falsche Richtung gehst, möchte ich dich warnen und dir auch erklären, warum die Richtung falsch ist.» Wenn sie eine App herunterladen will, schauen wir uns das gemeinsam an und versuchen, auf ein paar Fragen Antworten zu finden: Warum ist diese App kostenlos und auf welche Daten hat diese App Zugang? Bezahle ich am Ende doch mit meinen wertvollen persönlichen Informationen? Wie schaut es mit Datensicherheit und Datenschutz aus? Insbesondere, ab welchem Alter ist die App empfehlenswert?

Ich muss mein Kind nicht orten können. Ich rufe an und frage, wo sie sich befindet. Die Ortung an sich ist auch nicht unbedingt gefährlich, sodass man darüber den Tätern Tore öffnen würde. Es sind eher die sozialen Netzwerke, über die die Täter versuchen, mit den Kindern Kontakt aufzunehmen.

Die WHO warnt vor wachsenden Problemen bei europäischen Jugendlichen im Umgang mit Social Media. Nach neuen Daten der Organisation zeigt mehr als jeder zehnte Heranwachsende Anzeichen für ein problematisches Social–Media–Verhalten mit suchtähnlichen Verhaltensmustern. Wie mache ich als Erwachsener fest, dass mein Kind ein Problem mit Social Media oder auch Gaming hat? Und wo findet man Hilfe?

Karakaya: Bei so einem Fall hilft die Prävention nicht mehr. Die beste und grösste Hilfe findet man genau da, wo die meisten Gefahren lauern: im Internet. Nach meiner persönlichen Erfahrung sind die Seiten https://www.klicksafe.de und https://www.schau–hin.info die besten Seiten, um zu erfahren, wie ich Medienkompetenz an meine Kinder weitergebe und wo ich selbst Hilfe finde. Für das Internet gilt, wie für viele andere Bereichen auch: Wenn man es übertreibt, hat man schnell ein Problem mit Sucht. Ich glaube, wenn die Kinder im richtigen Leben viel Aufmerksamkeit und Anerkennung erhalten, insbesondere von ihren Eltern und ihrer Umgebung, müssen sie sich auch nicht so viel in der Social Media–Welt bewegen. Wenn man Beratung braucht: Die örtlichen Jugendämter wissen, welche Beratungsstellen es in der Umgebung gibt.

Wie setzt man als Eltern am besten Grenzen in Sachen Smartphone und Games, wenn vom Nachwuchs das Argument kommt, «aber alle anderen in der Klasse dürfen das auch»?

Karakaya: Sehr schön, das habe ich selbst schon oft zu hören bekommen – und meine Antwort lautet immer: «Ich bin nur für dich zuständig und nur du bist mein Kind. Es ist schade, dass die Eltern deiner Freunde sich dafür nicht interessieren, aber eins kann ich dir versprechen: Eines Tages wirst du es verstehen und mir dankbar sein, dass ich es so geregelt habe – und du wirst es bei deinen Kindern auch so machen.» Meiner Tochter ist es sehr bewusst, dass ich mich mit dem Thema auskenne, und sie vertraut mir.

Von SpotOn vor 16 Minuten