Kann er noch? Oder kann er nicht mehr? Das ist die Frage aller Fragen, die sich bei Eric Clapton stellt. Kann der Ausnahmemusiker, der von vielen Experten als Gitarrengott verehrt wird, überhaupt noch spielen? Die Zweifel müssen gestattet sein, zumal er am 30. März seinen 80. Geburtstag feiert und offen mit seinen gesundheitlichen Problemen umgeht.
Es fällt ihm schwer, Gitarre zu spielen
Bereits 2013 wurde bei ihm eine Nervenerkrankung festgestellt, die es ihm immer schwerer macht, weiter Gitarre zu spielen. In einem Interview mit dem «Classic Rock Magazine» erklärte er 2016: «Ich hatte in den letzten Jahren oft Schmerzen. Es begann am unteren Rücken. Es fühlt sich oft an, als wenn ein Elektro–Schocker am Körper entlangfährt.» Er habe eine periphere Neuropathie, einen schmerzhaften Schaden am peripheren Nervensystem. Es sei «schwierig, damit Gitarre zu spielen. Ich werde mich auf jeden Fall nicht mehr verbessern können».
Zudem kämpft Clapton seit geraumer Zeit mit Tinnitus und dem folgenden Gehörverlust, was durch Stress oder übermässige Lautstärke ausgelöst wird und bei Musikern häufig vorkommt. Und er hat viel auf die Ohren bekommen, die allermeiste Zeit seines Lebens.
Er startet bereits mit Anfang 20 eine Weltkarriere
Bereits mit 21 Jahren ist der junge Mann aus der südenglischen Grafschaft Surrey ein Weltstar. Er spielt mit den legendären Yardbirds, mit John Mayall (1933–2024) und den Bluesbreakers, ab 1966 ist er Frontman von Cream, der damals besten Band der Welt.
Dieser milchbärtige Eric Clapton wird in London, in den 60ern das Mekka der Rockmusik, als «Gott» verehrt. Das verdankt er einem blöden Zufall. Ein Fan hatte an eine Londoner Häuserwand «Clapton is god» («Clapton ist Gott») gepinselt. Eigentlich wollte er «Clapton is good» schreiben, nur hatte er das zweite O vergessen.
Nach dem frühen Tod von Jimi Hendrix 1970, der Clapton einige Zeit in den Schatten stellte, lässt er sich nicht mehr «Gott» nennen. Stattdessen nennt man ihn «Slowhand», langsames Händchen. Eigentlich kein Kompliment für einen Gitarrenstar.
Der Spruch stammt aus Yardbirds–Zeiten, als Eric Clapton im Crawdaddy Club in Surrey oft gecoverte Songs spielte. Die dauerten etwa drei Minuten, er streckte sie auf fünf bis sechs Minuten, wobei manchmal eine Gitarrensaite mittendrin riss. Dann fing das Publikum an zu klatschen, bis der Gitarrist eine neue aufgezogen hatte. Dieser «slow handclap» inspirierte Clubbesitzer Giorgio Gomelsky zu «Slowhand».
Seine Schwester ist eigentlich seine Mutter
Die Mythen pflastern seinen Weg. Das beginnt bei seiner Geburt in Ripley in Südengland. Sein Vater ist ein verheirateter kanadischer Soldat, der längst in Kanada bei seiner Frau ist, als Eric Clapton am 30. März 1945 zur Welt kommt. Die Mutter ist erst 16. Das Kind wächst bei Oma und Opa auf und glaubt, dass die seine Eltern sind und die wahre Mama seine ältere Schwester. Mit neun erfährt er die Wahrheit und gewinnt die Erkenntnis: Er ist anders als die anderen.
Mit 17 gibt der hochbegabte Junge sein Kunststudium an der Kingston University in London auf und widmet sich nur noch seiner Gitarre. Heute kann er auf eine einzigartige Karriere zurückblicken: Der 17–fache Grammy–Gewinner wird mit Hits wie «Sunshine of Your Love», «I feel free», «Crossroads», «Lay Down Sally», «After Midnight», «I Shot the Sheriff» oder «Cocaine» Dauergast in den Charts. Clapton verkauft weltweit über 130 Millionen Tonträger, sein Vermögen wird auf über 150 Millionen Dollar geschätzt.
Er tritt mit der Crème de la Crème der Rockmusik auf, mit John Lennon, Keith Richards, Duane Allman, Paul McCartney, Roger Daltrey, Ginger Baker, Chuck Berry, B. B. King, J. J. Cale, Mark Knopfler, Carlos Santana, Pete Townshend oder John McLaughlin. Mit dem Blues–Wunderkind Steve Winwood gründet er die sagenumwobene Formation Blind Faith, für den Designer Giorgio Armani schreibt er die Musik für dessen Modenschauen und für Tom Cruise den Soundtrack zu «Die Farbe des Geldes».
Eric Clapton und die Frauen
Bei Frauen pflegte Eric Clapton das Prinzip «eine nach der anderen». In seiner Autobiografie «Mein Leben» (Kiepenheuer & Witsch) schreibt er 2007: Sobald eine «weg war, stürzte ich mich in eine Serie von One–Night–Stands und benahm mich unverschämt gegenüber jeder Frau, die mir über den Weg lief».
Nach zahllosen Groupies fängt er ein Verhältnis mit der amerikanischen Funk– und Soul–Sängerin Betty Davis (1944–2022) an. Danach spannt er seinem besten Freund, dem Beatle George Harrison (1943–2001), dessen Ehefrau Pattie Boyd (81) aus, für die er den Welthit «Layla» schreibt und die er 1979 heiratet. Harrison nimmt ihm das nicht weiter krumm und nennt ihn seinen «husband in law», «Schwieger–Ehemann». Während der Ehe mit Pattie (bis 1988) zeugt er Kinder mit Yvonne Kelly und Lory Del Santo. Er hat eine Affäre mit dem Model Carla Bruni (57), die er wiederum an Mick Jagger (81) verliert, es folgt ein Intermezzo mit Sheryl Crow (63).
Schliesslich begegnet ihm 1999 in den USA die 31 Jahre jüngere Melia McEnery (49), die für seinen Freund Giorgio Armani arbeitet. Sie bat um ein Autogramm für ihren Onkel – und wird seine zweite Ehefrau und Mutter von drei Töchtern. Seitdem ist Ruhe eingekehrt, bisweilen geht «Slowhand» mit der Gemahlin auf die Entenjagd.
Drei Jahre ohne Unterbrechung im Heroin–Rausch
Vermutlich hat ihm diese Ruhe das Leben gerettet, denn die Zeit davor war ein einziger Akt der Selbstzerstörung. So habe er Anfang der 70er fast drei Jahre praktisch ohne Unterbrechung im Heroin–Rausch verbracht, schreibt Clapton in seiner Autobiografie «Mein Leben». Nach Heroin kamen Alkohol, Kokain und Tabletten, bis er in den 80er–Jahren endgültig am Abgrund stand.
Vom Suizid habe ihn allein der Gedanke abgehalten, als Toter nicht mehr trinken zu können. Dazu rauchte er täglich an die 80 Zigaretten. Der «Sunday Times» erzählt er später, dass er als «waschechter Alkoholiker» gegenüber seiner ersten Ehefrau Pattie Boyd gewalttätig geworden sei.
Erst mehrere Entziehungskuren und eine Elektrotherapie bringen ihn wieder in die Spur zurück, der Musiker und Freund Pete Townshend (79) hilft ihm beim musikalischen Comeback. «Ich weiss nicht, wie ich überlebt habe», sagt er dem «Classic Rock Magazine».
Sein schwerster Schicksalsschlag
Er ist wieder trocken und suchtfrei, als er den grausamen Tiefpunkt seines Lebens erfahren muss: den Tod seines Sohnes Conor am 20. März 1991. Das vierjährige Kind war mit seiner Mutter, der italienischen Schauspielerin Lory del Santo, zu Besuch in New York. Beide wohnten in einem Apartmenthaus im 53. Stock. Die Haushälterin hatte die Fenster geputzt und liess eines davon offenstehen, um den Raum zu lüften. Durch dieses offene Fenster stürzte das Kind. Seine Trauer verarbeitete Eric Clapton ein Jahr später in dem Song «Tears in Heaven», der zu einem ergreifenden Klassiker wurde.
Jetzt wird er also 80, ein Alter, das er so nicht vorgesehen hat. Er selbst findet es «unglaublich, dass ich noch hier bin». Mit den meisten seiner Freunde kann er nicht mehr spielen: Stevie Ray Vaughan ist seit 1990 tot, George Harrison seit 2001. Jack Bruce und Ginger Baker, die Weggefährten von Cream, starben 2014 bzw. 2019. B. B. King wurde 2015 beerdigt, der grosse Kollege Jeff Beck, mit dem er das legendäre Musikvideo «Moonriver» produziert hat, ging vor zwei Jahren, John Mayall 2024.
Unabhängig von seiner Nervenerkrankung plant Clapton für dieses Jahr Konzertauftritte in Japan, den USA, in Frankreich, Nottingham und London. Alle dürften ausverkauft sein, denn alle wollen die Legende sehen und hören, der der amerikanische Schauspieler und Rockmusiker Steven van Zandt sogar Unsterblichkeit attestiert: «Eric Clapton ist der wichtigste und einflussreichste Gitarrist, der je gelebt hat, noch lebt und je leben wird.»