Als am 7. Januar 2024 die Nachricht vom Tod Franz Beckenbauers (1945–2024) die Runde machte, stand die Fussballwelt für einen Moment still. Und nicht nur der kleine Kosmos in Deutschland trauerte, sondern weltumspannend wurde der Verlust einer absoluten Ikone beweint. Mit dem «Kaiser» verlor der deutsche Sport seine mit riesigem Abstand grösste Persönlichkeit – einen Mann, der wie kein anderer den deutschen und wie kaum ein anderer den internationalen Fussball über sechs Jahrzehnte hinweg geprägt hatte.
Seine beispiellose Karriere begann in den nicht sehr glamourösen Strassen des Münchner Arbeiterviertels Giesing. Als Sohn eines Postbeamten kickte der junge Franz zunächst beim SC 1906 München, bevor er – nach der legendären schicksalsträchtigen «Watschn» – nicht zum damals viel grösseren TSV 1860 München, sondern zum FC Bayern wechselte. Dort entwickelte er sich zum eleganten Libero, der mit seiner Spielweise neue Massstäbe setzte. «Der Kaiser» wurde er genannt – ein Spitzname, der bis heute untrennbar mit ihm verbunden ist.
Der Erfolg wurde zu seinem ständigen Begleiter: Als Spieler gewann er alles, was es zu gewinnen gab. Weltmeister 1974, Europameister 1972, dreimal den Europapokal der Landesmeister mit dem FC Bayern, viermal war er Deutscher Meister, viermal DFB–Pokalsieger. Doch damit nicht genug: Als Teamchef führte er die deutsche Nationalmannschaft 1990 zum WM–Titel. Ein Kunststück, das ausser ihm bislang nur Mario Zagallo (1931–2024) und Didier Deschamps (56) gelang. Zudem wurde er als Bayern–Trainer ebenfalls Deutscher Meister und gewann den UEFA–Pokal. Mit Marseille konnte er ausserdem die Französische Meisterschaft gewinnen.
Das Sommermärchen als Krönung
Seine vielleicht grösste Leistung vollbrachte Beckenbauer allerdings als Fussball–Funktionär: Als Chef des Bewerbungskomitees und späteren Organisationskomitees holte er die WM 2006 nach Deutschland und prägte das «Sommermärchen», das ein ganzes Land verzauberte. «Die Sonne hat vier Wochen lang vom Himmel gelacht – das war kein Zufall», sagte er damals mit seinem typischen Augenzwinkern.
Ein Jahr nach seinem Tod ist das Vermächtnis des «Kaisers» immer noch allgegenwärtig. Die Allianz Arena in München steht künftig am Franz–Beckenbauer–Platz 5, seine Trikotnummer 5 wird beim FC Bayern zudem nicht mehr vergeben. Der Deutsche Supercup trägt fortan seinen Namen. Auch die ein oder andere mit ihm verbundene Gemeinde ausserhalb Münchens denkt über Franz–Beckenbauer–Strassen und –Plätze aktuell nach. Der Name wird also weiterhin Deutschland prägen.
Mensch und Ikone zugleich
«Wenn Franz Beckenbauer einen Raum betrat, hat der Raum geleuchtet», erinnert sich der aktuelle Bundestrainer Julian Nagelsmann (37) in einer offiziellen DFB–Reaktion zum Tod des Kaisers. Diese besondere Aura machte ihn zur «Lichtgestalt» des deutschen Fussballs. Dabei blieb er trotz aller Erfolge stets der charmante Münchner, der die Menschen mit seiner unaufgeregten Art für sich einnahm.
Sein Sohn Joel betonte nach dem Tod des Vaters: «Zu Hause war er nie der Kaiser, sondern der beste Papa.» Diese menschliche Seite machte Beckenbauer besonders – neben all seinen sportlichen Erfolgen. Bei der grossen Trauerfeier in der Allianz Arena im Januar 2024 verabschiedeten sich rund 30.000 Menschen von ihrem «Kaiser». «Niemand wird ihn jemals erreichen», sagte auch sein langjähriger Weggefährte Uli Hoeness (73) damals unter Tränen.
Franz Beckenbauer selbst sah dem Tod mit der ihm eigenen Gelassenheit entgegen: «Der kommt irgendwann, und keiner kann sich verstecken. Du musst den Tod als Freund begreifen, der dich in ein anderes Leben begleitet», sagte er einst. Und wenn er wiedergeboren werden sollte? «Dann als Beckenbauer.» Denn immerhin sei er «ein vom Glück verwöhntes Sonntagskind» gewesen, das «aus dem Nichts» kam. Wie eine echte Lichtgestalt eben...