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Sie hätte ihren 95. Geburtstag gefeiert

Fürstin Gracia Patricia: Die erste Königin der Herzen

Ein Leben wie aus einem Drehbuch: Grace Kelly erobert als Schauspielerin Hollywood und schliesslich das alte Europa, indem sie den Fürsten von Monaco heiratet und selbst Fürstin wird. Ihr tragischer Tod macht sie endgültig zum Mythos.

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Monacos einstiges Fürstenpaar: Rainier III. und Gracia Patricia.
Monacos einstiges Fürstenpaar: Rainier III. und Gracia Patricia. ddp/ Everett Collection

Sie war eine der berühmtesten Frauen des 20. Jahrhunderts. Ein Multistar, wie es ihn vorher nie gab und danach auch nicht mehr: Hollywood–Diva und Oscarpreisträgerin, Mode–Ikone, Fürstin und Landesmutter. Dass Grace Kelly oder Gracia Patricia, wie sie später hiess, 1982 endgültig zu einem Mythos wurde, liegt auch an ihrem tragischen Tod, der sie mit 52 völlig überraschend aus einem blühenden, vermeintlich märchenhaften Leben riss. Am 12. November wäre sie 95 Jahre alt geworden.

Die historische Figur Gracia Patricia durchlebte zwischen 1929 und 1982 illustre Stationen, als wäre sie einem Spielfilm entsprungen: Eine Millionärstochter aus Philadelphia erobert als Schauspielerin Hollywood und schliesslich das alte Europa, indem sie den Fürsten von Monaco heiratet und selbst Fürstin wird.

Hollywood ist verrückt nach ihr

Zuvor ist sie die ungekrönte Königin von Hollywood. Das war in ihrer behüteten Kindheit in Neuengland kaum absehbar. Aufgewachsen im wohlhabenden Haushalt des erfolgreichen Bauunternehmers John B. Kelly Sr. (1889–1960) und seiner deutschstämmigen Ehefrau Margaret, hatte Grace eine privilegierte, aber strenge Erziehung. Margaret, die entfernt mit dem Adelsgeschlecht derer von Stauffenberg verwandt war, wurde von ihren Kindern aufgrund ihrer Strenge «preussischer General» genannt. Immerhin waren zwei Onkel des Mädchens Künstler: der Schauspieler Walter C. Kelly (1873–1939) und der Schriftsteller George Kelly (1887–1974), der 1926 für sein Drama «Craig's Wife» den Pulitzerpreis erhielt.

Auch bei Grace zeigt sich früh eine musische Ader, als Heranwachsende schreibt sie Gedichte, zum Beispiel reimt sie als 14–Jährige: «Ich mag die Sonne nicht untergehen sehen / Wie sie sich in den Boden quetscht / In mancher warmen Nacht bleibt sie womöglich stecken / Um am nächsten Morgen nicht mehr aufzugehen.»

Nach der Highschool studiert sie an der American Academy of Dramatic Arts. Während des Studiums modelt sie und wird nebenbei eines der bestbezahlten Models von New York. 1949 debütiert sie am Broadway und wirkt in TV–Produktionen mit, dann ruft auch schon Hollywood, das binnen kürzester Zeit nach der vermeintlich kühlen, blonden Schönheit von der Ostküste regelrecht süchtig wird.

Innerhalb von fünf Jahren dreht sie Blockbuster wie «Das Fenster zum Hof» (1954), «Bei Anruf Mord» (1954), «Über den Dächern von Nizza» (1955) oder «Die oberen Zehntausend» (1956). Sie arbeitet mit den besten Regisseuren wie Alfred Hitchcock (1899–1980), Fred Zinnemann (1907–1997), John Ford (1894–1973) oder George Seaton (1911–1979), steht mit Gary Cooper (1901–1961) für den legendären Western «Zwölf Uhr mittags» (1952) vor der Kamera, mit Clark Gable (1901–1960) für «Mogambo» (1953), für den sie 1954 den Golden Globe als beste Nebendarstellerin erhält. Ein Jahr später wird sie für ihre Rolle in «Ein Mädchen vom Lande» (1954) mit dem Oscar als beste Hauptdarstellerin ausgezeichnet.

Die Welt ist verrückt nach Grace Kelly, die Verehrer stehen Schlange, doch sie lässt sie in der Regel kalt abblitzen. Das Regie–Genie Alfred Hitchcock (1899–1980) kennt sie besser, er sagt sie sei «ein Eisberg, unter dem ein Vulkan lodert», ein Kollege urteilt weniger charmant: «amouröse Python». Unnahbar ist sie keinesfalls, auch sie hat ihre Affären.

Ein Fürst auf der Suche nach einer passenden Frau

Zeitgleich regiert in Europa ein gewisser Louis Henri Maxence Rainier Grimaldi als Fürst Rainier III. (1923–2005) den Zwergstaat Monaco (2,2 Quadratkilometer, ca. 35.000 Einwohner). Er entstammt einem Adelsgeschlecht aus Genua, das wegen seiner Verdienste im Seekrieg gegen die Engländer 1331 die Festung Monaco vom französischen König zugesprochen bekommt. Rainier ist über 600 Jahre später auf die Gunst der Franzosen angewiesen. Wichtige Entscheidungen muss er von Paris absegnen lassen, es besteht eine «Konsultationspflicht». Seine Zwergmonarchie ist so gut wie pleite und droht an Frankreich zu fallen, falls der Fürst keinen Thronfolger präsentieren kann.

In seiner Not verkauft Rainier Anteile seiner Spielcasino–Gesellschaft an den griechischen Milliardär Aristoteles Onassis (1906–1975). Das macht vor allem den griechischen Reeder reich, der den jungen Fürsten auch zu einer schnellen Heirat drängt, weil er seine Pfründe an der Côte d'Azur nicht so schnell wieder an Frankreich loswerden will. Onassis hat auch eine perfekte Kandidatin: Marilyn Monroe (1926–1962), damals 29. Die stellt zwei Fragen: «Ist er reich?» und «Sieht er gut aus?». Als sie ein Foto von Rainier sieht, ist sie begeistert. Sie weiss auch schon, wie sie ihn herumkriegt: «Lassen Sie mich zwei Tage mit ihm allein, dann garantiere ich Ihnen, er will mich so schnell heiraten, dass kaum noch Zeit ist, einen Standesbeamten zu holen.»

Doch Rainier hat andere Hochzeitspläne, ausserdem ist ihm die zu diesem Zeitpunkt zweifach geschiedene Monroe zu verrucht. Er hat bei den Filmfestspielen im benachbarten Cannes Grace Kelly kennengelernt – und die erfüllt alle Kriterien für eine First Lady von Monaco. Sie ist katholisch, glamourös und hat noch dazu ein «unbeflecktes» Image. So sieht es zumindest Rainier.

Millionen verfolgen die Märchenhochzeit in Monaco

Dabei hat die Verbindung anfangs beileibe nicht die faszinierenden Ingredienzien einer Traumehe: Hollywoodstar heiratet den weitgehend unbekannten Fürsten eines Zwergstaates an der Mittelmeerküste. Auf die heutige Zeit übertragen ist es, als würde eine Angelina Jolie zugunsten ihrer künftigen Rolle als Landesmutter von Liechtenstein auf ihre internationale Filmkarriere verzichten. Man würde sich an den Kopf greifen.

Das tut auch Grace' Vater John Kelly. Rainier sei ein «dahergelaufener und bankrotter Fürst, der meiner Tochter gerade bis zum Busen reicht», schimpft er. Ihre Mutter verwechselt Monaco mit Macao oder Marokko. Auch Grace ist (noch) skeptisch, ihr ist nicht nach Heiraten zumute: «Meine Karriere liegt mir mehr am Herzen als der Gedanke an die Ehe. Wenn ich jetzt aufhörte – und aufhören müsste ich, weil die Ehe nach meiner Auffassung eine Frau ganz beansprucht – dann würde ich mich womöglich mein Leben lang mit dem Gedanken quälen, welch grosse Schauspielerin ich hätte werden können.»

Doch Rainier gibt nicht klein bei. Er zeigt ihr seine berühmte Briefmarkensammlung in seinem Palast, führt sie durch seinen Privatzoo, was der jungen Amerikanerin mächtig imponiert. Und er reist im Dezember 1955 in die USA und macht der Kelly–Familie am ersten Weihnachtstag seine Aufwartung. Drei Tage später folgt der offizielle Heiratsantrag. Sie willigt ein, nachdem man sich auf eine Mitgift von zwei Millionen US–Dollar geeinigt hat, die je zur Hälfte Vater Kelly und Grace zahlen.

Zur Hochzeit am 18. April 1956 kommen Grace, ihre Familie und Freunde mit dem Dampfer «USS Constitution», die Braut wird in der Herkulesbucht vor dem Fürstentum von Rainier und seiner Jacht «Deo Juvante II» in Empfang genommen. Die standesamtliche Trauung findet im Thronsaal des Palastes statt, die kirchliche in der Kathedrale von Monaco, das Fernsehen überträgt europaweit. Es folgt eine siebenwöchige Hochzeitsreise im Mittelmeer an Bord der fürstlichen Jacht.

Neues Leben als Fürstin fällt ihr nicht leicht

Grace Kelly ist nun Fürstin Gracia Patricia. Am 23. Januar 1957 bringt sie ihre Tochter Caroline Louise Marguerite (67) zur Welt, am 14. März 1958 den Sohn Albert Alexandre Louis Pierre (66), der seine Schwester als Thronerbin verdrängt. Trotz der Geburt der Kinder ist ihr Leben in den ersten Jahren schwierig. Sie spricht schlecht Französisch, fremdelt mit der höfischen Etikette und der Autorität Rainiers. Hinzu kommen finanzielle und politische Probleme. Die wichtigen Einnahmen aus dem Casino gehen durch die zunehmende Konkurrenz an der Côte d'Azur zurück.

Im Sommer 1960 stirbt John Kelly an Magenkrebs, der Tod des Vaters sowie zwei Fehlgeburten setzen Gracia Patricia schwer zu, sie fällt in Depressionen. Rainier erwägt eine vorübergehende Rückkehr seiner Frau ins Filmgeschäft, und Alfred Hitchcock möchte sie für die weibliche Hauptrolle in «Marnie» (1964). Doch die monegassische Öffentlichkeit ist der Ansicht, die Schauspielerei vertrage sich grundsätzlich nicht mit den Aufgaben einer Landesmutter. Dass sie dabei ihren Filmpartner Sean Connery (1930–2020) vor der Kamera küssen müsste, ist für das Volk ein Ding der Unmöglichkeit. Schweren Herzens sagt Gracia Patricia Hitchcock ab.

Biograf Thilo Wydra (55) schreibt darüber: «Es heisst, dass sie sich eine Woche eingesperrt hat, mit niemandem mehr geredet hat, und dass ein Teil von Grace Kelly in dieser Woche zerbrochen ist». In einem Interview mit dem «Playboy» beschreibt die Fürstin ihren Seelenzustand: «Ich suche nicht nach Glück ... Ich nehme an, mit sich im Frieden zu sein, nicht mit aller Macht etwas zu begehren und nicht zu verzweifeln, weil man etwas nicht erreicht hat ... Ich liege im Dauerstreit mit mir selbst, also bin ich wohl nicht im Frieden mit mir.»

Monaco wird das Ziel der Schönen und Reichen

Ihre Ehe, von der Gracia Patricia sagt, sie müsse erst lernen, Rainier zu lieben, wird trotzdem ein Erfolgsmodell. Das hat in erster Linie mit der Fürstin zu tun. Ihr hoher Bekanntheitsgrad lockt Menschen aus aller Welt nach Monaco. Sie verbringen dort ihren Urlaub, tätigen hier enorme Banken– und Immobiliengeschäfte. Die Einkünfte des Fürstentums steigen sprunghaft an. Ende der 1960er–Jahre hat sich das Fremdenverkehrsaufkommen von jährlich 77.000 Besuchern aus der Zeit vor der Hochzeit verzehnfacht.

Gracia Patricia lockt frühere Kollegen an, Filmstars kommen nach Monte Carlo, und die ziehen ihrerseits den Jetset magisch an. Die Welt trifft sich in Monaco – dank Gracia Patricia, die zu einer würdevollen, souveränen und allseits anerkannten Landesmutter und einer prägenden Stil–Ikone herangereift ist. Auch ihr Französisch ist mittlerweile gut. Das Eheglück scheint perfekt.

Ihr tragischer Tod macht sie endgültig zum Mythos

Es hält bis zum 13. September 1982. An diesem Tag fährt die Fürstin mit ihrer jüngsten Tochter Prinzessin Stéphanie (59) auf der Küstenstrasse nach Monte Carlo. In einer Haarnadelkurve kommt der Rover auf der Fahrbahn ab und stürzt 40 Meter tief einen Abhang hinunter. Die 17–jährige Stéphanie überlebt schwer verletzt, Gracia Patricia stirbt am nächsten Tag im Alter von 52 Jahren. Ihre letzten Worte richteten sich an Stéphanie: «Es tut mir so leid.»

CT–Untersuchungen ergeben, dass Gracia Patricia kurz vor dem Unfall einen leichten Schlaganfall und bei dem Unfall eine Hirnblutung erlitten hat. Die Fürstin wird in der Kathedrale von Monaco beigesetzt, die Beerdigung am 18. September 1982 verfolgen über 100 Millionen weltweit am Fernseher.

Sie hinterlässt einen gebrochenen Mann, der sich von diesem Schicksalsschlag bis zu seinem Tod am 6. April 2005 nicht mehr erholen wird. Gleichwohl werden ihre Familie, die turbulente Jahre zu durchstehen hat, und das Fürstentum Monaco zu einer Gralsburg der internationalen Society – und Gracia Patricia zur mythologischen Reliquie.

1993 bringen die USA und Monaco eine Gedenkbriefmarke mit ihrem Porträt heraus, 2007 wird anlässlich ihres 25. Todestages eine 2–Euro–Münze in einer Auflage von 20.000 geprägt. Dieses Geldstück wird die wertvollste Euro–Sondermünze und ist heute über 3.300 Euro wert.

Von SpotOn am 12. November 2024 - 12:18 Uhr