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Dr. Ulrich Bauhofer im Interview

Jung bleiben, aber wie? Was wirklich hilft, gesund zu altern

Wie gelingt es, sich jünger, fitter und energiegeladener zu fühlen? Ayurveda–Experte Dr. Ulrich Bauhofer erklärt im Interview, wie wir mit simplen Routinen das Älterwerden verlangsamen können.

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Sich im Alter jung zu fühlen ist heute einfacher denn je.
Sich im Alter jung zu fühlen ist heute einfacher denn je. Tijana87/iStock via Getty Images

Der Wunsch nach einem langen, gesunden Leben ist so alt wie die Menschheit selbst – doch nie zuvor schien er so greifbar wie heute. Fortschritte in der Medizin, neue Erkenntnisse in der Zellforschung und ein wachsendes Bewusstsein für Prävention ermöglichen es, das eigene Wohlbefinden gezielt zu steigern und den Alterungsprozess sogar aktiv zu beeinflussen.

Der Arzt, Bestsellerautor und Ayurveda–Experte Dr. Ulrich Bauhofer erklärt in seinem neuen Buch «Aktiv verjüngen: Selbstheilung aktivieren. Energielevel steigern. Sich fantastisch fühlen» (Südwest Verlag, ET: 23. April 2025), wie genau das gelingen kann – mit einfachen Routinen, die sich ganz nebenbei in den Alltag integrieren lassen. Im Interview mit der Nachrichtenagentur spot on news erklärt er, wie wir mit gezielten Massnahmen das Altern verlangsamen können.

Der Traum von der ewigen Jugend ist alt, aber die Chancen auf ein langes, gesundes Leben waren noch nie so gross wie heute, schreiben Sie. Woran liegt das?

Dr. Ulrich Bauhofer: Weil wir heute mehr über das Altern wissen als je zuvor. Wissenschaftler sind mittlerweile in der Lage, die Zellalterung zu verlangsamen, unsere Medizin wird immer präziser und unser Lifestyle bewusster. Wir tracken Schlaf, essen gezielt, nehmen Longevity–Supplements – und können deshalb mit 50 so aussehen, als wären wir 30.

Warum fasziniert uns das Thema lange zu leben gerade jetzt so sehr?

Dr. Bauhofer: In den letzten fünf Jahren hat die Longevity–Medizin gehörige Sprünge gemacht. Stammzellen– und Genforschung und die Erkenntnisse über Telomere, seneszente Zellen und epigenetische Strukturen zeigen, dass der Alterungsprozess beeinflusst werden kann und umkehrbar ist. An diesem Punkt war die Wissenschaft noch nie.

Was bedeutet für Sie persönlich: gut altern?

Dr. Bauhofer: Ich arbeite seit über 40 Jahren sowohl als Arzt als auch als Meditationstrainer mit einer Mischung aus Schulmedizin und der ganzheitlichen Heilkunde Ayurveda. Das ist die älteste Heilkunde der Welt, die auch von der WHO als offizielles naturheilkundliches Medizinsystem bestätigt ist. Die moderne Longevity–Forschung entdeckt die Empfehlungen des Ayurveda wieder.

Ich beobachte das schon sehr lange, aber in den letzten fünf Jahren ist es wesentlich offensichtlicher geworden, dass die westlichen Wissenschaftler viele ayurvedische Gesundheitsstrategien untersuchen. Ich selbst lebe seit den 1980er Jahren nach den ayurvedischen Ernährungsprinzipien, praktiziere täglich Meditation als Stressmanagement und mache Yoga und Sport. Gut zu altern bedeutet für mich, körperlich fit zu bleiben und mich geistig seelisch weiterzuentwickeln.

Sie sagen, man kann den Alterungsprozess nicht nur verlangsamen, sondern sogar umkehren. Woran erkennt man, dass das tatsächlich funktioniert?

Dr. Bauhofer: Sie können Ihr biologisches Alter zum Beispiel mit dem Horvath Test messen. Er analysiert Methylierungsstellen, die müssen Sie sich wie kleine Ein/Aus–Schalter auf Ihrer DNA vorstellen. Sie bestimmen, welche Gene aktiv sind und welche nicht. Prof. Steve Horvath hat ein System entwickelt, das anhand dieser epigenetischen Strukturen auf den Alterszustand des Körpers schliessen lässt. Ihr biologisches Alter kann deutlich jünger, aber auch deutlich älter als Ihr kalendarisches sein. Sie können es etwa durch gute Ernährung oder Sport beeinflussen, dann reduziert sich das biologische Alter.

Welche kleinen Gewohnheiten machen langfristig den grössten Unterschied?

Dr. Bauhofer: Als ich als ganz junger Schulmediziner in den 1980er Jahren in Indien den Ayurveda lernen durfte, war für mich der ganz grosse Gamechanger, dass die Vaidyas, das sind die vedischen Ärzte, den Schwerpunkt auf tägliche Gesundheitsfürsorge legen. Die täglichen kleinen Gewohnheiten summieren sich zu Krankheiten oder zu stabiler Gesundheit. Neben sehr genauen Ernährungsregeln legen die jahrtausendealten Empfehlungen ihr Hauptaugenmerk auf Verdauung und Stoffwechsel, die man nicht überlasten darf.

Deshalb sollte man erst essen, wenn man die vorhergehende Mahlzeit wirklich verdaut hat. Die Nahrungsfrequenz in unseren westlichen Ländern ist viel zu hoch, nicht nur, weil wir zu viel essen, sondern auch zu oft. Permanentes Snacking überlastet den Stoffwechsel oder auch zu fette und zu süsse Nahrung. Ausserdem spielt Stressmanagement und Schlaf im Ayurveda traditionell eine grosse Rolle.

Schlaf ist das wichtigste regenerative Instrument, das wir haben. Mit unserer Lichtverschmutzung, viel zu wenig Tageslicht und viel zu viel blauem Licht am Abend, den viel zu späten Zubettgehzeiten und aufregenden seelischen Inhalten vor dem Schlaf, berauben wir uns diesem enorm wichtigen Instrument. Sie schlafen zwar, aber ganz sicher nicht so tief und erholsam, wie es Ihr Körper braucht. Im Schlaf fährt unser System wichtige Reinigungs– und Reparaturmechanismen, die bei Schlafschulden ausfallen. Im Ayurveda heisst es, man sollte mit der Kaphazeit ins Bett gehen, das ist vor 22 Uhr. Ausserdem ist moderater Sport ein Muss, denn wenn Sie sich bewegen, schüttet die Skelettmuskulatur entzündungshemmende Botenstoffe aus.

Gibt es eine Art «Top 3» der Dinge, die uns im Alltag am meisten Lebenszeit kosten – und leicht zu vermeiden sind?

Dr. Bauhofer: Ich nenne solche Gewohnheiten gerne Gesundheitsräuber oder Vitalitätssaboteure. Snacking und Überessen wäre Top 1. Alkohol, die gesellschaftlich anerkannte Droge, ist sicherlich Nummer zwei, denn jeder Tropfen schädigt den Organismus. Ich bin immer überrascht, wenn ich höre, dann habe ich erstmal eine schöne Flasche Wein aufgemacht, um runterzukommen. Offenbar wissen die meisten Menschen nicht, dass sie dann am nächsten Tag einen erhöhten Cortisolspiegel haben. Vor wichtigen Meetings ist das sicher keine gute Strategie.

Nummer drei wäre wohl «Sitzen ist das neue Rauchen». Denn Sie berauben sich der heilenden Myokinausschüttung, die entzündungshemmend, blutzuckerregulierend und entspannend wirkt, wenn Sie sich nicht bewegen. Ich würde aber noch Schlafschulden als Top 4 anfügen.

Was ist wichtiger fürs gesunde Altern: Ernährung, Bewegung oder mentale Balance? Oder anders gefragt: Womit sollte man anfangen?

Dr. Bauhofer: Natürlich sind alle diese Bereiche wichtig, und in meinem Buch «Aktiv verjüngen» habe ich sie ausführlich behandelt. Aber genau hier ist der springende Punkt. In meiner nunmehr 40–jährigen Erfahrung als Arzt habe ich vor allem eines gelernt: Wenn Sie Ihr Leben positiv verändern wollen, dann dürfen Sie sich keinesfalls überfordern, denn dann sind die guten Vorsätze sehr schnell zum Scheitern verurteilt.

Ich würde sagen, das Patentrezept ist: Sie müssen Alltagsgewohnheiten, die Sie ohnehin durchführen, in Gesundheitsstrategien umwandeln. Das bedeutet, viele kleine Microsteps nacheinander in den Alltag integriert, führen zu langfristigem und nachhaltigem Erfolg. In «Aktiv verjüngen» habe ich neben den Infos über moderne Longevity–Forschung und die ayurvedischen Prinzipien vor allem eines in den Mittelpunkt gestellt: die praktische Umsetzung im Alltag. In übersichtlichen Road Maps habe ich die wichtigsten Tipps zusammengefasst, so dass man sofort loslegen kann. Idealerweise integriert man zunächst einen Microstep, spürt wie gut es einem tut, und macht dann von ganz alleine weiter mit dem nächsten. Und genauso können wir unseren Lebensstil ändern.

Kann man geistig jung bleiben, ohne körperlich topfit zu sein – oder gehört das zusammen?

Dr. Bauhofer: Ich würde sagen, idealerweise sollten wir daran arbeiten, körperlich und geistig fit zu bleiben, denn aus ärztlicher Sicht ist genau das das Ziel einer ganzheitlichen Medizin. Die alten ayurvedischen Ärzte sahen es als Selbstverständlichkeit an, dass ein Mensch 100 Jahre oder sogar älter werden kann. Heute wissen wir, dass wir das selbst in der Hand haben, wir können über unseren Lebensstil unsere Gene beeinflussen. Wie wir das genau machen, habe ich versucht in meinem Buch so spannend, so einfach, so alltagstauglich und vor allem so freudvoll wie möglich darzustellen. Das Wichtigste ist nur anzufangen, am besten gleich, denn bald ist nie.

Von SpotOn vor 6 Stunden