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Achte LP des Singer-Songwriters

Milow: So entstand der Song mit seinem verstorbenen Vater

Milow veröffentlicht am 21. Februar sein achtes Album «Boy Made Out Of Stars». Im Interview erzählt er, wie es für ihn war, einen Song mit der Stimme seines verstorbenen Vaters aufzunehmen und wie bedrohlich er die Brände in Los Angeles empfand.

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Milow verlor 2008 seinen Vater. Nun zelebriert er dessen Leben mit dem positiven Song «Family Tree».
Milow verlor 2008 seinen Vater. Nun zelebriert er dessen Leben mit dem positiven Song «Family Tree». © Charlie De Keersmaecker

Der belgische Singer–Songwriter Milow (43) veröffentlicht am 21. Februar sein neues Album «Boy Made Out Of Stars». Der Musiker, der mit Songs wie «You Don't Know» und dem gecoverten «Ayo Technology» bekannt wurde, singt darauf auch mit seinem 2008 verstorbenen Vater. Dabei half ihm die Künstliche Intelligenz, wie er im Interview mit der Nachrichtenagentur spot on news verrät. Zudem erzählt der Sänger, der bürgerlich Jonathan Vandenbroeck heisst, wie er die Waldbrände in Los Angeles erlebte und weshalb er zu jedem Song ein Musikvideo aufnahm.

Das Album haben Sie «Boy Made Out Of Stars» getauft. Inwiefern beschreibt Sie das persönlich bzw. als Musiker?

Milow: Der Name eines Albums war mir immer sehr wichtig, um eine Sammlung von Songs aus zwei oder drei Jahren miteinander zu verbinden. Dieses Mal hatte ich den Albumtitel schon im Kopf, bevor ich wusste, wie das Album klingen würde. Für mich hat der Titel mehrere Ebenen. Ich mag es, dass der Titel auf das kindliche Staunen verweist, naiv und voller Träume zu sein. Viele Leute erinnern sich an die Zeit, in der die Welt wie ein magischer Ort erschien, wo alles möglich war.

Auf einer anderen Ebene bezieht sich der Titel auf die Frage, ob es da draussen etwas Grösseres gibt. Lange Zeit war das keine grosse Sache in meinem Leben. Aber als ich darüber nachdachte, wurde mir klar, dass meine Verbindung zur Musik das ist, was einer spirituellen Dimension am nächsten kommt. Ich denke zu viel nach, aber die einzige Zeit, in der ich mein Gehirn ein wenig ausschalte, ist beim Musizieren und Singen. Die dritte Sache ist, dass ich mit dem Titel eine positive Darstellung eines sensiblen Jungens in die Welt schicke – in einer Zeit, in der Männlichkeit ein kompliziertes Thema ist.

Auf dem Albumcover und in einem Musikvideo zeigen Sie sich in einem grauen Cowboyhut. Woher stammt Ihre Liebe für Country?

Milow: Auf dem Album sind Instrumente wie Dobros und Mandolinen zu hören. Ich habe sie schon immer geliebt, aber für mich ging es weniger um Country als um Folk und um die Singer–Songwriter–Tradition. Auch bei «Ayo Technology» habe ich eine Dobro verwendet und nie darüber nachgedacht. Zu diesem Zeitpunkt hörte man sie nicht im Radio, es war ein sehr uncooles Instrument. Ich erinnere mich sogar daran, wie mir Labels aus anderen Ländern sagten, dass Deutschland keine Country–Musik mag. Aber man sollte nicht zu viel darüber nachdenken. Es funktioniert in dem Song und es war immer ein Teil von mir, besonders bei Live–Shows.

Ich habe auch Alben gemacht, die weniger von diesen akustischen Instrumenten bestimmt waren, aber jetzt habe ich mir erlaubt, wieder mehr Spass mit ihnen zu haben. Denn wenn Beyoncé jetzt Country–Songs schreibt, kann ich sagen: Das habe ich schon immer gemacht, das ist nicht neu für mich. Ich springe damit nicht auf einen Trend auf. Das ist das, was Milow schon immer war. Es hat mir Spass gemacht, das wieder zuzulassen. In gewisser Weise ist Country–Musik heute die neue Rockmusik geworden. Die grössten Rockbands sind heute Bands, die dem Country–Genre angehören.

Sie haben immer Ihre Akustikgitarre bei sich. Könnten Sie je auf sie verzichten und sich nur durch den Gesang ausdrücken oder verwirklichen?

Milow: Es gibt Zeiten, in denen ich ein bisschen Abstand von der Gitarre nehme, um mich mehr auf den Gesang zu konzentrieren. Im Studio wollte ich mich diesmal oftmals auf den Gesang fokussieren. Ich habe viel Klavier gespielt, als ich zu Hause an den Songs gearbeitet habe. Ich spiele nicht sehr gut Klavier, aber es war einfach ein Weg, um etwas Abstand von der Gitarre zu gewinnen. Es ist ein ständiges Hin und Her bei mir. Nach all diesen Jahren sind wir wie alte Kumpels, wir kennen uns schon lange. Manchmal gehen wir ein wenig auf Distanz, aber es fühlt sich einfach so natürlich mit der Gitarre an. Es ist etwas so Kraftvolles, dass ich diese Songs allein in meinem Wohnzimmer mit meiner Akustikgitarre spielen kann. Das ist ein so wichtiger Test für einen Song. Ich könnte morgen ein Konzert geben, ohne dass ich meine Band brauche.

Warum war es Ihnen wichtig, zu jedem Song des Albums ein eigenes Musikvideo aufzunehmen?

Milow: Ich bin jemand, der sehr impulsiv und intuitiv handelt und verrückte Ideen hat, einfach weil ich dabei Spass haben kann. Ich habe über die Jahre gelernt, dass, wenn ich Spass an der Musik habe, die Leute das auch spüren und es ansteckend wirkt. Videos sind wichtig für mich, weil ich mit 18 Jahren für ein Jahr eine Filmschule in Brüssel besucht habe. Eine Zeit lang dachte ich, ich wollte Filmregisseur werden. Ausserdem habe ich gemerkt, dass es sich für mich widerspricht, wenn ich mich entschliesse, nur für zwei oder drei Songs pro Album Videos zu drehen. Ich weiss, dass Vielen etwas an der Radiosingle liegt, aber mir nicht. Die meisten meiner Lieblingssongs haben deshalb nie ein Video bekommen. Und es sendet ein seltsames Signal an mein Publikum, dass ich einige Songs bevorzuge. So kam ich auf die Idee, das Budget, das ich für zwei oder drei Videos hatte, intelligenter zu nutzen, indem ich mehr einfache Videos anstatt wenige grössere drehte.

Ein Teil der Videos wurde in Los Angeles gedreht, einer ihrer zwei Heimaten. Wie nahe ging Ihnen die Situation mit den Waldbränden?

Milow: Es ist auf so vielen Ebenen unfassbar. Ich kam gerade nach den Feiertagen aus Belgien zurück und dann passiert das Verrückteste, was passieren kann. Ich hatte das Gefühl, dass es so nahe ist, näher als zuvor. Normalerweise sind die Waldbrände in den Bergen und betreffen die Häuser nicht so stark. Aber dieses Mal war es ganz anders. Es war die schlimmstmögliche Kombination von Dingen, die zusammenkamen. Ich war gerade dabei, ein Buch über das Album fertigzustellen, und dabei wurde mir klar, dass dieses Album mein Liebesbrief an Los Angeles ist. Viele der Songs wurden hier geschrieben, viele der Videos wurden hier gedreht, und es ist dieser Ort, der mich in den letzten zwölf Jahren gerettet hat. Ich lebe hier zur Hälfte der Zeit und es hat mir so viel gegeben. Meine Kinder wurden hier geboren, sie wachsen hier auf. Wenn ich nach einer Tournee völlig erschöpft bin, komme ich hierher, und das gibt mir Energie zum Weitermachen.

Auf Ihrem Album gibt es mit «Family Tree» einen sehr persönlichen Song, in dem auch Ihr verstorbener Vater zu hören ist. Lange konnten Sie sich die verwendeten Audiodateien nicht anhören. Was hat Sie dazu bewegt, es doch zu tun?

Milow: Ich kannte bereits einige der Lieder der Platte meines Vaters von 1975. Bei seiner Beerdigung haben ein paar seiner Brüder die Songs gesungen. Danach gab eine seiner Schwestern mir die Platte und ich habe sie mit ins Studio genommen. Meine Ausrede war anfangs, dass ich keinen funktionierenden Plattenspieler hatte, aber es war mehr als das. Ich war noch nicht bereit und wollte den richtigen Zeitpunkt abwarten. Am Ende der Aufnahme meines letzten Albums dachte ich plötzlich daran. Ich sagte zu mir: «Okay, ich werde eine Pause vom Songschreiben einlegen, aber wenn ich wieder bereit bin, werde ich sie abspielen und sehen, welche Inspiration und Emotionen es weckt, und damit etwas machen.»

Es war dann sehr seltsam, nicht nur die Stimme meines Vaters zu hören, sondern seine 20–jährige Stimme. Dabei wurde mir klar, wie viel ich ihm für seine Musikgene verdanke, und dass ich in einem Haus mit einer Gitarre und einem Klavier aufgewachsen bin. Er war später kein Musiker, aber als ich klein war, hat er viel Musik gemacht. Es hat mich also in eine unschuldigere Zeit zurückversetzt. Bei dem Song hat mir KI geholfen, seine Stimme klar und deutlich aus der sehr schlechten Aufnahme zu entnehmen. Hätte ich vor zehn Jahren etwas Ähnliches gemacht, hätte ich nur über seinen Song geschrieben. Ausserdem habe ich im Laufe der Jahre seit seinem Tod verschiedene Phasen durchlaufen. Am Anfang war ich frustriert und wütend über einige unserer Konflikte. Diese Emotionen waren also nicht die richtigen, um diesen Song zu hören. Ich brauchte etwas Zeit, um sie abklingen zu lassen, damit ich es richtig angehen konnte.

In dem Song haben Sie eine fröhliche statt einer melancholischen Melodie gewählt. Weshalb?

Milow: Das war eine sehr bewusste Entscheidung, denn die wenigen Lieder, die ich über meinen Vater geschrieben habe, sind nachdenklich, emotional und vielleicht auch traurig. Dieses Lied ist auch emotional, aber ich wollte, dass es eine Zelebrierung unserer gemeinsamen Familiengeschichte ist. Denn ist es nicht erstaunlich, dass mein Vater anfing, Songs zu schreiben, wahrscheinlich von einer Karriere träumte, und sein Sohn da weitermacht, wo er aufgehört hat und es auf die nächste Ebene hebt? Wenn er mich jetzt sehen würde, wäre das unglaublich. Deshalb wollte ich, dass es ein fröhlicher Song wird. Ich wollte auch, dass es ein grosser Song wird. Ich kann ihn in einer ruhigen Singer–Songwriter–Version spielen, aber ich liebe es, dass er die Bläser und den Bigband–Sound hat. Ich werde es lieben, ihn live zu spielen.

Von SpotOn vor 22 Stunden