Charli XCX (32) hat den Staffelstab nach ihrem giftgrünen Brat–Summer an Remix–Partnerin Lorde (28) weitergegeben und beim gemeinsamen Coachella–Auftritt den «Lorde–Summer» ausgerufen. Und die Euphorie auf TikTok, Instagram und in Popkulturkreisen ist gross.
Für alle, die jetzt nicht sofort «Royals» oder «Mood Ring» im Ohr haben: Lorde, eigentlich Ella Marija Lani Yelich–O'Connor, veröffentlichte 2013 im Alter von 16 Jahren ihr Debüt «Pure Heroine», bringt seitdem alle vier Jahre ein neues Album heraus, das von Pop–Girls und Indie–Fans gleichermassen abgenickt wird, und wurde einst sogar von David Bowie (1947–2016) als «Zukunft der Musik» bezeichnet.
So viel zum Background der Neuseeländerin, die diesen Sommer popkulturell prägen soll, wie letztes Jahr Charli XCX mit ihrem aufgekratzten «Brat–Summer». Dafür sollten schon einmal die Taschentücher und Journals gezückt werden. Denn wie Charli schon in ihrem Song «Girl, So Confusing» sang: Sie schmeisst Partys, Lorde schreibt Gedichte.
Schwesternschaft statt Zickenkrieg
Eben dieser Song hat Lorde, obwohl sie seit vier Jahren kein neues Album veröffentlicht hat, letztes Jahr wieder in den Zeitgeist katapultiert. Im Originalsong singt Charli von der angespannten, von Misstrauen und Konkurrenz geprägten Freundschaft zu einer nicht genannten, anderen Musikerin, bei der es sich gerüchtehalber um Lorde handeln sollte. «Wir reden darüber, Musik zu machen / Aber ich weiss nicht, ob du ehrlich bist / Ich kann nicht sagen, ob du mich fallen und scheitern sehen willst», heisst es darin übersetzt.
Auf dem Remix spricht Lorde schliesslich selbst mit, mit einer Strophe, in der sie ihr Verhalten mit ihren eigenen Unsicherheiten erklärt und ihrer Kollegin ihre Verehrung versichert. «Ich war im Selbsthass gefangen / Und dein Leben sah so grossartig aus / Ich habe keine Sekunde daran gedacht / Dass meine Stimme in deinem Kopf sein könnte», singt sie unter anderem. Eine Strophe, so roh und ehrlich wie eine Sprachnachricht. Anstatt des von vielen anvisierten «Zickenkriegs» begann dadurch eine neue Schwesternschaft, die den zahlreichen weiblichen Fans der Künstlerinnen auch zeigte, wie Frauen gegeneinander ausgespielt werden und wie sie dem begegnen können: indem sie keine Angst davor haben, sich verletzlich zu machen.
Lorde kann das sehr gut mit der Verletzlichkeit. Auf ihrem zweiten, Grammy–nominierten Album «Melodrama» verarbeitete sie 2017 das Ende ihrer ersten Beziehung. Mit allem, was dazu gehört: der Ablenkungs–Crush, die Wut, das Alleinsein, die Selbstzweifel, der Alkohol. Lorde schreibt Texte, in denen grosse Emotionen in kleine Alltagsbeobachtungen übersetzt werden. So auch jetzt wieder.
Der Sommer der Verletzlichkeit
Im gerade erschienenem «What Was That», ihrem ersten neuen Song seit vier Jahren, geht es erneut um eine Trennung: «Ich bedecke alle Spiegel / Ich kann mich noch nicht wieder sehen / Ich trage Rauch wie einen Brautschleier / Mache Essen, das ich nicht esse», heisst es in den Lyrics. Das Ganze ist allerdings keine traurige Pianoballade, sondern durchaus tanzbarer Elektropop mit Nachdruck. Perfekt, um sich auf der Tanzfläche zu verlieren, während die Mascara im Augenwinkel ein bisschen verläuft.
Mehr davon dürfte schon auf dem Weg sein. Den vielen Promo–Aktionen der Sängerin zufolge wird das neue Album in den nächsten Wochen erscheinen. Sollte sich das kollektiv erlebte Vibe–Phänomen des letzten Sommers tatsächlich wiederholen, wird es die nächsten Monate in eine ganz andere Stimmung tauchen: Melancholisches Weintrinken und Introspektion zum Sonnenuntergang am See statt Party und Exzess auf dem Clubklo bis zum Sonnenaufgang. Dieser Sommer wird zart.