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Neues Album «Pazifik»

Provinz: «Uns ist es wichtig, dass wir uns positionieren»

Die Band Provinz erzählt im Interview, warum ihr Album «Pazifik» ein neues Kapitel aufschlägt und warum es den Musikern wichtig ist, sich zu positionieren.

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Leon Sennewald, Vincent Waizenegger, Robin Schmid und Moritz Bösing (v.l.) bringen als Provinz ein neues Album auf den Markt.
Leon Sennewald, Vincent Waizenegger, Robin Schmid und Moritz Bösing (v.l.) bringen als Provinz ein neues Album auf den Markt. Rufus Engelhard

Provinz veröffentlichen am 21. Februar ihr drittes Studioalbum «Pazifik». Nach «Wir bauten uns Amerika» (2020) und «Zorn & Liebe» (2022) hat sich die deutsche Indieband eine längere Album–Pause gegönnt – nun wollen sie ein neues Kapitel aufschlagen. «Ein Album zu schreiben oder generell kreativ zu sein, bedeutet auch, sich Zeit zu nehmen und sich in Ruhe abzuschotten», erklärt Bandmitglied Leon Sennewald (26) im Interview mit spot on news. «Die Zeit hatten wir bei den ersten beiden Alben nicht. Seit Corona war bei uns konstant immer viel los, wir waren viel unterwegs auf Tour oder hatten Trubel mit Umziehen.»

Die vierköpfige Band, bestehend aus den Cousins Vincent Waizenegger (26, Gesang), Moritz Bösing (33, Bass) und Robin Schmid (30, Keyboard) sowie Schlagzeuger Leon Sennewald, ist vom oberschwäbischen Vogt im Landkreis Ravensburg nach Hamburg gezogen, was für die Musiker ebenfalls zum neuen Kapitel gehört. «Von der Heimat wegzuziehen, hat ein bisschen was von sich emanzipieren, weil man sich komplett in was begibt, wo man nicht jede Ecke und jedes Gesicht kennt», erklärt Leon. «Das reift einen auf jeden Fall, was sich auch in der Musik oder in den Texten widerspiegelt.» Sänger Vincent, der für die Texte der Band zuständig ist, beschreibt die neuen Songs deshalb «als erwachsener und auch ein bisschen experimenteller».

Die Band als Safe Space

Um mit dem Erfolgsdruck nach zwei erfolgreichen Alben umzugehen, setzen die Musiker vor allem auf ihr Bandgefüge. «Wir versuchen die Band als Safe– und Comfort–Space zu sehen, wo wir uns gegenseitig Feedback geben und niemanden von aussen brauchen, wir sind unser eigenes Korrektiv», sagt Vincent. Um die Wartezeit auf das Album zu verkürzen, veröffentlichten Provinz bereits einige Vorab–Singles.

Dazu gehört «Sommer macht melancholisch». Die sommerliche Melancholie habe Vincent besonders im vergangenen Jahr gespürt, wie er erzählt. «Die letzten fünf Jahre war ich jeden Sommer arbeiten, weil wir auf vielen Festivals gespielt haben. Ich habe es dieses Mal vermisst, mal an den See oder in den Urlaub mit Freunden zu fahren. Auch wenn wir viel live spielen durften, war ich ein bisschen traurig, ich hatte das Gefühl, den Sommer zu verpassen.»

Den Song performte die Band kürzlich bei «ZDF Magazin Royale». Ein TV–Auftritt ist für die Mitglieder immer noch etwas Besonderes. «Man muss sich ein bisschen an die Maske gewöhnen, man wird die ganze Zeit abgepudert (lacht), aber es ist auf jeden Fall cool», meint Keyboarder Robin. Schlagzeuger Leon fügt an: «Wir haben das noch nie mit so einem grossen Orchester in so einer Kulisse inszeniert, da war die Aufregung da, aber es hat gut funktioniert, jetzt haben wir selber Bock, auf Tour auch ein Orchester mitzunehmen.»

Mit der Reichweite steigt die Verantwortung

Auch «Draussen ist Krieg», eine Hymne gegen Gleichgültigkeit und innere Resignation, die nach dem Angriff der Hamas entstanden ist, hatte die Band bereits vorab veröffentlicht. Das Lied hat aufgrund der aktuellen politischen Lage in Deutschland für die Musiker noch einmal an Bedeutung gewonnen. «Wir haben neulich auf einer Demo gespielt, ich hatte das Gefühl, der Song ist genau für dieses Setting geschrieben. Uns ist es wichtig, dass wir uns positionieren, auch auf unseren Konzerten», sagt Sänger Vincent. Für den Musiker bedeutet die steigende Reichweite seiner Band auch, «dass wir dahingehend eine steigende Verantwortung haben». Es gebe Momente, in denen man sich ablenken und die Nachrichten skippen dürfe, aber es gebe auch Momente, «in denen man hinschauen und für die Demokratie einstehen muss. Die Abstimmung mit der AfD im Bundestag war für uns noch einmal der Tabubruch, der dafür gesorgt hat, dass wir sagen wollen: Die Mehrheit will das nicht.» Robin ergänzt: «In den richtigen und wichtigen Momenten nicht wegzuschauen, das sollten die Leute jetzt auch bei der Wahl tun. Alle, die noch überlegen, ob sie überhaupt wählen sollen, sollten auf jeden Fall wählen. Wenn das ‹Draussen ist Krieg› bei jemandem schafft, dann ist das super.»

Der Einsatz der Band beziehe sich dabei «vor allem auf Grundsätze», erklärt Leon. «Werbung für eine Partei zu machen, ist schwierig. Es geht vielmehr um das Grosse und Ganze, um demokratische Werte und Solidarität.» Dass sich andere Künstler nicht politisch äussern, findet Vincent «nicht schlimm. Ich finde nicht, dass man das muss oder die Verpflichtung als Künstler hat, und das zu seinem Steckenpferd machen muss.»

Heimspiel und «verschwitzte Clubs»

Um die Nähe zu den Fans zu spüren, wird die Band dieses Jahr vor einigen Open–Air–Terminen noch eine Club–Tour spielen. «Wir haben in den letzten Jahren immer grösser live gespielt, was ja auch Sinn gemacht hat, in grössere Städte zu gehen und grössere Konzerte zu spielen», erklärt Robin. Doch die Band sehne sich nach den «kleinen, verschwitzten Clubs, die eben nicht in Hamburg oder Berlin sind, sondern in provinzielleren Städten». Nach den Clubs ist die Band dann auch bereit für ein besonderes Open–Air–Konzert in ihrer Heimat Ravensburg, zu dem die Band nicht nur viel Familie erwartet. «Das wird ein Fest. Ich glaube, es ist das erste richtige Open Air dort, das freut uns natürlich, dass wir ein bisschen für Eindruck sorgen können», erzählt Leon.

Dass die Band bei ihrem neuen Album «Pazifik» auf die ganz grossen Gefühle setzt, von Heartbreak bis Zukunftsangst, lässt bei den Musikern keine Schwere bei ihren Konzerten aufkommen. «Wir führen einfach ein Leben, das Spass macht, wir dürfen unsere Leidenschaft zum Beruf machen», sagt Vincent. «Wir haben auch uns und das ist Familie bei uns und mehr Freundschaft als Kollegschaft. Wir fangen uns auf und pushen uns gegenseitig, dass wir auch genug Party machen.»

Von SpotOn vor 15 Stunden