Ich jammere mich im Moment durch mein Leben. Zu guter Recht, wie ich finde. Ich habe mir bei einem ganz unspektakulären Treppen-Umknick-Unfall das Sprunggelenk angebrochen und die Bänder gerissen. Trage Gips, laufe auf Krücken und hadere mit der Welt.
Den Soundtrack zu meiner Krücken-Krise liefert Billie Eilish. Die 17-Jährige ist die grösste Entdeckung in meinem Elend. Musikalisch, modisch und ideologisch. An Billie Eilish ist einfach alles speziell und speziell gut.
Also fasste ich den Entschluss, euch die junge Musikerin ganz fest ans Herz zu legen. Während ich die Bilddatenbanken nach schönem Material durchstöberte, stiess ich auf Fotos, auf denen Billie Eilish mit einem ähnlichen Gips, wie ich ihn aktuell trage, über die Bühne fegt. Sie springt, rennt und macht überhaupt Sachen, auf die ich gerade sehr neidisch bin.
Zum Vergleich: Ich schaue meine Kollegin jedes Mal, wenn ich Durst habe, mit Dackelblick an und frage, ob sie für mich 20 Meter zum Hahn läuft. Billie Eilish bespasst zehntausende Menschen mit der Energie eines Duracel-Häslis. Damit wäre der erste Grund, warum die Sängerin die Coolste ist, also schon gefunden. Sie ist eine verdammt harte Socke. Vier weitere folgen jetzt.
Ob man mit diesen übereinstimmt, finde ich im Prinzip zweitrangig. Die Sängerin ist 17 Jahre jung und überlegt sich sehr genau, was für eine Zukunft sie sich für ihre Generation wünscht. Billie Eilish ist Veganerin, Frauen- und Umweltaktivistin ausserdem setzt sie sich für einen offenen Umgang mit psychischen Erkrankungen ein.
Sie lebt ihren Fans vor, wie wichtig es ist, Stellung zu beziehen. In einem Interview mit Talkshow-Chefin Ellen DeGeneres, 60, sprach sie über ihre Tourette-Erkrankung. Und machte klar: «Es hat mir so geholfen, das zu veröffentlichen. Aber noch viel schöner war, dass so viele auf mich zukamen, die auch Tourette haben. Da fühlte ich mich nicht mehr so allein mit meiner Krankheit.»
True talk, Billie.
Auch modisch macht die Amerikanerin was sie will. Sie trägt stets auffällige Outfits, bunte Haare und passt sich überhaupt nicht an die gängigen Schönheitsideale an. Damit inspiriert sie sogar die grossen Modehäuser rund um den Globus. Erst kürzlich bat Designerin Stella McCartney um Audienz. Die Britin designte Eilish eine Beatles-Kollektion auf den Leib inspiriert durch den Film «Yellow Submarine».
Die Designs sind allesamt weit geschnitten. Weil Billie nun mal nur so rumläuft. Natürlich trägt die 17-Jährige den Schlabberlook nicht einfach so. Sie hat einen guten Grund: «Mit weiten Kleiden kann mich niemand reduzieren oder sexualisieren. Ich will nicht für meinen Körper beurteilt werden, sondern für mein Schaffen.» So lehnte sie es auch ab, sich für ein Unterwäscheshooting für Calvin Klein nur in Unterwäsche zu zeigen. Natürlich verlor sie den Job nicht, Calvin Klein fotografierte sie denn halt in ihren Kleidern.
Bäm, Billie!
Obwohl sie eigentlich «Frau der kommenden Dekade» sein sollte. Sie wurde dieser Tage vom amerikanischen «People»-Magazin als jüngste Künstlerin ever zur «Frau des Jahres» gekürt. Die Begründung: «Billie hat die Entertainment-Industrie durch ihre Musik und ihre Social Media Plattform zerrissen. Sie hat einen unauslöschbaren Eindruck auf den Zeitgeist hinterlassen. Ihre Fähigkeit, zur Generation Z zu sprechen, gibt Teenagern und jungen Erwachsenen das Gefühl, in der heutigen Gesellschaft akzeptiert zu sein, weshalb Eilish an der Spitze der Charts gelandet ist. Sie hat die Form, in die junge Leute gepresst werden sollen, zerstört.»
Nebenbei ist sie noch für vier Grammys nominiert. Was auch noch niemand in ihrem Alter geschafft hat.
WTF, Billie!?
Man kann ja über einen Promi so einiges schreiben. Aber die Essenz, warum jemand prominent ist, geht dabei gern vergessen. Billie Eilish ist Musikerin und zwar eine richtig gute. Seit ihrem elften Lebensjahr schreibt sie ihre eigenen Songs. Sie arbeitet fast ausschliesslich mit ihrem älteren Bruder Finneas O'Connell, 22, zusammen. Mit ihm schreibt, produziert und veröffentlicht sie ihre Musik. Und hat damit einen Wahnsinnserfolg.
Ihre hauchige und sehr tonsichere Stimme, ihre Beats, die Texte — das alles ist der perfekte Soundtrack zum wehleidigen Sonntag auf dem Sofa. Gern werfen ihr Kritiker vor, dass die Texte zu traurig seien, zu oft von dunklen Zeiten handeln würden für ihre Teenager-Fans.
Sind wir doch mal ehrlich, wann geht man je durch so ein tiefes dunkles Tal, wie in der Zeit der Adoleszenz? Nie, ausser man hat ein gebrochenes Sprunggelenk und ist nicht Billie Eilish.