Das Coronavirus diskriminiert. Ältere Menschen sterben eher als jüngere, Männer öfter als Frauen, und die Ärmsten unter uns trifft es unverhältnismässig stark. Keinerlei Diskriminierung macht es in Bezug auf die Staatsangehörigkeit. Grenzen sind diesem Virus fremd. Ich erwähne das, da die Staaten sich innerhalb ihrer Landesgrenzen auf den Schutz der Menschen konzentriert haben. Das ist durchaus nachvollziehbar.
Doch müssen sich die Entscheidungsträger bewusst sein, dass dieses hochinfektiöse Virus alle treffen kann, solange es irgendwo fortbesteht. Viele Länder niedrigen und mittleren Einkommens wurden bisher von der Krankheit nicht mit voller Wucht getroffen. Warum, wissen wir nicht genau. Aber wir wissen, dass sich Covid-19 auch dort ausbreiten wird.
Covid-19 hat New York zum Erliegen gebracht. Ein einziges Krankenhaus in Manhattan verfügt über mehr Intensivbetten als die meisten Länder Afrikas: Millionen könnten umkommen.
Selbst wenn es den reichen Staaten in den nächsten Monaten gelingt, die Ausbreitung zu verlangsamen, sind sie nicht vor einem erneuten Aufflammen der Pandemie gefeit. Wütet diese weiter, ist es eine Frage der Zeit, bevor ein Teil der Welt den anderen wieder infiziert.
Darum braucht es einen globalen Ansatz: Drei Massnahmen können die Entscheidungsträger – insbesondere die G20 (Gruppe der 20 wichtigsten Industrie- und Schwellenländer, darunter die Schweiz; Anmerkung der Redaktion) – jetzt schon umsetzen.
Allen voran braucht es eine wirksame Verteilung von Masken und Handschuhen sowie Tests. Aber hier zählt aktuell vor allem eins: Wer bietet am meisten? Obwohl ich fest an den Kapitalismus glaube, funktionieren in Zeiten der Pandemie bestimmte Märkte einfach nicht wie sonst. Wenn unsere Covid-19-Strategie zum Bieterwettkampf zwischen Staaten verkommt, werden dieser Krankheit viel zu viele Menschen zum Opfer fallen. Wie wir die Ressourcen verteilen, muss sich an den Bedürfnissen des öffentlichen Gesundheitssystems und der medizinischen Dringlichkeit ausrichten.
Zweitens müssen die Entscheidungsträger Mittel mobilisieren für die Entwicklung eines Impfstoffs. Eine der wenigen Erfolgsgeschichten im Zusammenhang mit Covid-19 bietet die Wissenschaft. Vor drei Jahren gründete die Gates-Stiftung mit Regierungen die Koalition für Innovationen in der Epidemievorbeugung (CEPI), um Impfstoffe mit erhöhtem Tempo zu testen und nach neuen, schnelleren Verfahren für deren Entwicklung zu suchen. CEPI ist dabei, mindestens acht Covid-19-Impfstoffe zu entwickeln. Die Wissenschaftler gehen davon aus, dass in 18 Monaten mindestens einer von ihnen anwendungsbereit sein wird. Die Koalition braucht dafür zwei Milliarden Dollar. Diese reichen aber nur für die Entwicklung des Impfstoffs, nicht für die Herstellung und Verbreitung.
Darin besteht die dritte Aufgabe. Da wir nicht wissen, welcher Impfstoff sich als der wirksamste entpuppen wird, die Herstellung jedes einzelnen aber ganz bestimmter Technologien bedarf, müssen die Länder viele Arten von Produktionsstätten bauen – wohl wissend, dass einige von ihnen niemals in Betrieb gehen. Wenn wir erst nach Bereitstehen eines Impfstoffs mit dem Bau beginnen, verlieren wir Monate.
Die Pandemie verbindet uns alle miteinander. Deshalb muss unsere Antwort eine gemeinsame sein.
Bill Gates
Ist der private Sektor bereit, für die Herstellung eines Impfstoffs aufzukommen, sollte er dabei keine finanziellen Verluste erleiden müssen. Gleichzeitig muss eine Covid-19-Schutzimpfung als «globales öffentliches Gut» eingestuft werden und daher für alle bezahlbar und zugänglich sein. Dabei können wir auf die Impfallianz Gavi zählen. In den vergangenen 20 Jahren setzte sie sich mit WHO und Unicef für die Einführung 13 neuer Impfungen (darunter die Ebola-Schutzimpfung) in den 73 ärmsten Ländern der Welt ein.
Die Allianz ist in der Lage, das Gleiche mit einer Covid-19-Impfung zu schaffen. 7,4 Milliarden Dollar benötigt Gavi in den nächsten fünf Jahren – nur um die aktuellen Immunisierungsbemühungen aufrechtzuerhalten. Noch höhere Kosten fallen für die Umsetzung einer allgemeinen Corona-Immunisierung an. Diese Milliardenbeträge scheinen eine Unsumme zu sein in einer Zeit, in der ganze Volkswirtschaften sich in Richtung Stillstand bewegen. Doch die Kosten bei einer misslungenen Immunisierungsaktion, die ein Fortbestehen der Pandemie zur Folge hätte, wären um ein Vielfaches höher. Anderen zu helfen, das führen uns Pandemien vor Augen, ist nicht nur richtig, sondern auch das Hellsichtigste, was man tun kann.
Die Menschheit ist letzten Endes nicht nur durch gemeinsame Werte und soziale Beziehungen verbunden. Zwischen uns besteht auch eine biologische Verbindung in Form eines mikroskopischen Netzes aus Keimen und Bakterien, durch das die Gesundheit eines Menschen mit der Gesundheit aller verwoben ist. Die Pandemie verbindet uns alle miteinander. Deshalb muss unsere Antwort eine gemeinsame sein.
Dieser Text erschien erst in der «Welt am Sonntag». Und nun leicht gekürzt für die Schweiz in der SI.