Michael von der Heide, 47, Zürich – Der Musiker ist seit 25 Jahren mit seinem Freund zusammen: «Zum Glück bin ich in den 80er-Jahren gross geworden – die meisten Fragen, die ich als junger Mann zur Homosexualität hatte, konnte mir Dr. Sommer aus dem ‹Bravo›-Heftli beantworten. Blöde Sprüche bekam ich trotzdem zu hören. Aber wenn ich heute mitkriege, wie sich die Jungen auf dem Pausenplatz ‹schwule Sau› nachrufen, habe ich das Gefühl, dass man früher netter zueinander war.»
Fabienne BühlerTamy Glauser, 34, Zürich – Das Topmodel kandidiert als Nationalrätin für die Grünen: «Ich habe lange im Ausland gelebt. Von aussen scheint die Schweiz perfekt, aber es ist nicht alles Gold, was glänzt. Ich kann zum Beispiel nicht glauben, dass die Homo-Ehe hier noch nicht erlaubt ist! Und Übergriffe auf Homosexuelle sind leider in der Schweiz an der Tagesordnung. In der Modewelt ist es genau umgekehrt: Da ist man cool und interessant, wenn man homo ist. Ich selber habe als lesbische Frau mehr Jobs und Aufträge bekommen. Aber das ist nicht in Ordnung. Ich finde, die sexuelle Orientierung darf keine Rolle spielen. Ein Chefredaktor wollte mich mal für eine Fotostrecke in seinem Magazin buchen. Er hat dann mehrmals nachgefragt, ob ich wirklich ganz lesbisch sei oder ob er es doch bei mir versuchen könnte. Ich habe ihm klargemacht, dass er keine Chance bei mir hat. Danach hatte er Respekt vor mir, und wir haben ganz oft zusammen gearbeitet – ohne Zwischenfälle.»
Geri BornSven Epiney, 47, Zürich – Der Moderator machte seinem Freund einen Antrag im TV: «Ich hatte das Glück, in einer toleranten Familie aufzuwachsen. Es ist mir aber bewusst, dass dies längst nicht überall der Fall ist. Die vielen Reaktionen, die Michael und mich nach dem Heiratsantrag erreichten, waren mehrheitlich positiv. Meinen Verlobten nun auch ganz offiziell heiraten zu dürfen, ist mein Wunsch, und ich fände es schön und wichtig, dies in der Schweiz bald tun zu können.»
Joseph KhakshouriRaffaela Zollo, 26, Rudolfstetten AG – Der Social-Media-Star hat 511 000 Fans auf Youtube: «Ich bin eine unabhängige Frau, die sich alles selber erarbeitet hat. Es gibt Wichtigeres, als sich nur auf das Geschlecht zu fokussieren. Leider gibt es immer noch Leute, die mich als Transfrau verurteilen. Ich finde es wichtig, dass Menschen aus der LGBT-Gemeinschaft in den Medien präsent sind. In meinen Youtube-Videos rede ich offen über meine Geschlechtsanpassung und hoffe so, andere sensibilisieren zu können.»
Joseph KhakshouriTiziana Gulino, 22, Dielsdorf ZH – Die «The Voice»-Siegerin ist seit bald sechs Jahren liiert: «Leute, die nichts von meiner Freundin wissen, wirken oft überrascht, wenn sie erfahren, dass ich lesbisch bin. Aber schlechte Erfahrungen habe ich keine gemacht. Nur manchmal schauen uns Menschen auf der Strasse länger an oder werfen uns sogar verärgerte Blicke zu. Aber das interessiert mich nicht! Obwohl es so scheint, als wäre die Schweiz extrem weit, sind wir es leider gar nicht.»
HOJerry Dreifuss, 43, Uitikon ZH – Der Chef von Swiss Eyewear verkauft jährlich 1,5 Millionen Brillen: «In der Start-up-Welt ist die sexuelle Ausrichtung glücklicherweise kein Thema mehr. Ich lebe seit mehr als zehn Jahren mit meinem Freund zusammen, im September lassen wir unsere Partnerschaft eintragen. Auch meine Geschäftspartner kennen ihn. Natürlich gibt es Menschen, die Homosexualität nicht akzeptieren. Notfalls verzichte ich auf Geschäfte mit ihnen. Vor zwanzig Jahren war es schwieriger, offen schwul zu sein. Ich kann mir vorstellen, dass ältere Menschen mehr Mühe haben, über ihre sexuelle Orientierung zu reden, weil sie allenfalls Nachteile für ihre Firma befürchten. Wir sind global tätig und verkaufen unsere Invu-Brillen auch in Ländern, in denen Homosexualität nicht akzeptiert ist. Für mich ist wichtig, dass unsere Geschäftspartner vor Ort kein Problem mit meinem Schwulsein haben. Ich kann sie jedoch nicht für die Politik ihres Landes verantwortlich machen und ihnen darum keine Brillen verkaufen.»
Geri BornKarin Müller, 54, Aesch BL – Die Chefredaktorin von Telebasel hat ihren Sender umgekrempelt: «Wenn Schweizer Unternehmen wettbewerbsfähig bleiben möchten, müssen sie mehr Frauen über 50, Menschen mit einem Handicap und Leute aus der LGBT-Gemeinschaft integrieren. Vorurteile sind kein guter Businessplan. Als ich 2000 in der Privatwirtschaft anfing, merkte ich, dass Frauen anders behandelt werden. Ich erlebte auch den Klaps auf den Po. Das ist zum Glück heute nicht mehr so.»
Marc StraumannThomas Geiser, 66, St. Gallen – Der Arbeitsrecht-Experte war Professor an der Uni St. Gallen: «Die Situation hat sich in den letzten 30 Jahren verändert. Früher war die Diskriminierung von Schwulen und Lesben an der Tagesordnung. Bei Stellenbewerbungen war es selten möglich, sich zu outen. Heute interessieren sich Arbeitgeber kaum noch dafür. Aber es gibt Mobbing von LGBT-Personen in der Gesellschaft. Unterschwellige Bemerkungen und Anspielungen finden auf allen Bildungsniveaus statt.»
Tomas Wüthrich / 13 PhotoJulian Zigerli, 35, Uster ZH – Der Designer zeigt seine Kleider auf der ganzen Welt: «Die LGBT-Community hat einen starken Einfluss auf die Modewelt. Das sieht man auch bei meinem Label. Meine Homosexualität spiegelt sich in meinen Kollektionen wider, weil sie ein Teil von mir ist. Ich versuche, sie auf humorvolle Art zu integrieren. Mein Label ist sehr bunt und war schon immer interessant für homosexuelle Kundschaft. In der Modewelt kommt Diskriminierung zum Glück fast nicht vor.»
HORamona Bachmann, 28, London – Die Luzerner Stürmerin ist mit Fussballerin Alisha Lehmann liiert: «Ich lebe nicht nur für mich öffentlich homosexuell. Ich weiss, dass ich als Sportlerin ein grosses Idol für viele junge Mädchen und Buben bin. Und wenn die sehen, dass ich auf Frauen stehe und das gar kein Problem ist, kann ich ihnen so vielleicht etwas Mut machen, zu sich selbst zu stehen.»
Christoph KöstlinFabienne Peter, 33, Lausen BL – Sie spielt als erste Transfrau in einer Hockey-Frauenmannschaft: «Nach meiner Geschlechtsanpassung vor zwei Jahren bearbeitete der Verband das Reglement für mich. Ich spiele heute in der dritten Leistungsklasse beim EHC Basel. Sportlich hat sich wenig verändert. Nur, dass ich im Frauen-Hockey nicht mehr checken darf, obwohl ich manchmal Lust hätte. Meine Frau heiratete ich bereits vor der Anpassung, wir haben zwei Kinder.»
Sven ThomannLucas Fischer, 28, Möriken AG – Der ehemalige Kunstturner tritt heute als Sänger und Tänzer auf: «Wenn zwei Männer Hand in Hand rumlaufen, schauen die Leute oft neugierig oder tuscheln. Ich weiss nicht, was diese Menschen dann denken. Für mich zählt aber nur: Liebe ist Liebe. Wenn jeder Mensch Liebe erfahren kann, wie er oder sie fühlt, dann wird die Schweiz friedlicher.»
Nik HungerLara Dickenmann, 33, Kriens LU – Die Schweizer Natispielerin kickt zurzeit beim VfL Wolfsburg: «Für mich wäre es schön, wenn man nicht immer gleich voraussetzt, dass eine Frau nur Männer liebt oder ein Mann sich nicht schminkt. Ich bin keine Aktivistin. Aber jeder soll doch so sein, wie er will. So können wir gesellschaftliche Normen langsam verändern.»
Robert EikelpothPascal Erlachner, 39, Wangen bei Olten SO – Der ehemalige Schiedsrichter führt mit seinem Partner eine Bar: «Auch wenn ich mal Fehler als Schiedsrichter machte, auf dem Fussballplatz spielte meine Homosexualität nie eine Rolle. Ich habe das Gefühl, dass ich durch mein Outing mehr respektiert wurde. Weil viele Menschen sahen, dass ich mutig genug war, zu mir zu stehen. Dennoch habe ich nicht erwartet, dass sich viele Spieler nach mir outen – obwohl das schön gewesen wäre. Es gibt im Sport oft heikle Situationen: Bei einem Goal umarmen sich die Fussballspieler oder geben sich ein Küsschen. Wenn dann ein Schwuler dazukommt, kann es schnell heissen: He, komm mir nicht zu nahe! In der Bar, die ich mit meinem Freund führe, hatte ich nur schöne Erlebnisse. Die Leute merken, dass wir offen sind und sie uns alles fragen dürfen.»
Geri BornRichard Fakin, 37, Zürich – Der plastische Chirurg arbeitet am Universitätsspital Zürich: «Heute sind chirurgische Geschlechtsangleichungen viel sicherer als noch vor ein paar Jahren. Ich operiere etwa 40 Transmenschen im Jahr. Die Tendenz ist steigend. Die Patienten sind nach der Geschlechtsangleichung grundsätzlich glücklich und dankbar. Niemand lässt eine solche Operation einfach so über sich ergehen – der Leidensdruck, im falschen Körper zu leben, ist enorm gross.»
HOErnst Ostertag, 89, Zürich – Seine Lebensgeschichte wurde im Film «Der Kreis» berühmt: «Ich bin bereits 1954 der ersten Homosexuellen-Organisation beigetreten und kämpfte ein Leben lang öffentlich für die Rechte der Schwulen, zusammen mit meinem Partner. Als Röbi letztes Jahr starb, fühlte ich mich so, als ob eine Hälfte von mir mitgestorben wäre. Wir waren über 60 Jahre ein Liebespaar. Trotzdem führe ich den Kampf weiter. Eine Demokratie misst sich daran, wie sie mit ihren Minderheiten umgeht.»
Thomas BuchwalderCorinne Rufli, 39, Baden AG – Die Historikerin forscht zur Lesbengeschichte der Schweiz: «Von morgens bis abends sehe ich eine Welt, in der Heterosexualität als alleinige Norm gilt. Ob in Medien oder Gesetzen – mir als lesbischer Frau wird täglich gezeigt, dass ich nicht mitgemeint bin. Das macht mich manchmal wütend, aber auch stark. Mit meinen Forschungen lasse ich lesbische Frauen sichtbar werden, besonders die älteste Generation, damit potenzielle Vorbilder auch gesehen werden.»
Sandra ArdizzoneYvonne Waldboth, 56, Bülach ZH – Die Theologin sprach bis 1997 das «Wort zum Sonntag»: «Als ich in den 90er-Jahren meine erste Pfarrstelle antrat und mit meiner Pfarrfrau nach Bülach zog, akzeptierte das meine Gemeinde. Auch später, als ich Polizeiseelsorgerin war, wurde ich zu offiziellen Anlässen mit Partnerin eingeladen. Heute haben es vor allem Jugendliche noch immer schwer, anders zu sein als die heterosexuelle Mehrheit. Sichtbare Vorbilder helfen da. Ich wünsche mehr Mut und Freude an Unterschieden!»
HOAnna Rosenwasser, 29, Zürich – Die Schaffhauserin ist Chefin der Lesbenorganisation Schweiz: «Im Parlament gibt es momentan keine geoutete Frau, aber sieben geoutete Männer. Das ist kein Zufall. Es gibt gar nicht weniger Lesben als Schwule. Aber bei Lesben kommen oft zwei Probleme zusammen: Homohass und Frauenhass. Das macht es für Frauen schwierig, sich zu outen. Das merke ich als bisexuelle Frau auch. Frauenliebende Frauen werden oft sexualisiert und als Männerfantasie dargestellt, was auch ein Grund ist, warum sich viele von uns nicht trauen, offen zu unserer sexuellen Orientierung zu stehen. An Schweizer Schulen fehlt leider auch die Aufklärung zu Homo- und Bisexualität. Am Ostschweizer Gymi, an dem ich zur Schule ging, gab es pro Stufe höchstens einen Quotenschwulen oder eine Quotenlesbe, das ganze Thema Homosexualität wurde im Unterricht ignoriert. Aber wie sollen junge Menschen Vorurteile abbauen, wenn sie nicht mal wissen: Für Sex braucht es gar keinen Penis?»
Geri BornAngelo Barrile, 42, Zürich – Als SP-Nationalrat und Hausarzt kämpft er für gleiche Chancen: «Für LGBT-Menschen besteht heute noch die Gefahr, beschimpft oder körperlich attackiert zu werden. Ich wurde auch schon mitten in Zürich von einer Gruppe Männern angegriffen. Deshalb müssen wir weiterhin gegen Homophobie und Intoleranz kämpfen.»
www.barrile.chCorine Mauch, 59, Zürich – «Ich stehe offen zu meiner Frau»: Die Zürcher Stadtpräsidentin ist seit fast 25 Jahren liiert. «In der Schweiz haben wir viel erreicht mit dem Partnerschaftsgesetz – aber die Gleichberechtigung noch lange nicht. Der nächste überfällige Schritt ist die Ehe für alle. Ich selbst erlebte Diskriminierung nie direkt. Ich glaube, das passiert meistens unbemerkt. Als ich 2009 kandidierte, stand ich offen zu meiner Frau und sagte, dass ich mit ihr zusammenlebe. Dass dies kein Hinderungsgrund war, mich zur Stadtpräsidentin zu wählen, war eine grosse Bestätigung. 2014 haben wir unsere Partnerschaft eintragen lassen. Kinder sind kein Thema mehr für meine Partnerin und mich. Aber trotzdem kann es nicht sein, dass homosexuelle Paare bei der Fortpflanzungsmedizin noch immer benachteiligt werden.»
Geri BornHans-Peter Portmann, 56, Thalwil ZH – Der FDP-Nationalrat lebt in einer eingetragenen Partnerschaft: «Veranstaltungen mit pöbelnden Leuten können schon heikel sein. Der Schweizer Rechtsstaat sieht diskriminierende Handlungen immer noch als Kavaliersdelikt. Und leider gibt es immer noch elitäre Vereine, in denen man als bekennender Homosexueller nicht erwünscht ist.»
Alexandra PauliMarianne Huguenin, 69, Renens VD – Die Waadtländer Kommunistin hat sich als erste Politikerin im Nationalrat geoutet: «Ich habe Glück, in einem Land zu wohnen, in dem ich meine Homosexualität ausleben kann. Ja, in dem ich sogar zur Bürgermeisterin meiner Stadt Renens gewählt wurde! Trotzdem ist ein Coming-out schwierig für viele Menschen und ihre Angehörigen. Wir müssen Hass verurteilen.»
KeystoneHans-Ueli Vogt, 49, Zürich – Der SVP-Nationalrat ist Professor für Wirtschaftsrecht an der Uni Zürich: «Die Schweizer sind ein offenes, tolerantes Volk. Diese Akzeptanz erlebe ich – und erwarte ich auch. Darum will ich schlechte Erfahrungen, die ich im Leben mache, nicht gleich mit meiner sexuellen Orientierung in Verbindung bringen und daraus Forderungen nach neuen Gesetzen ableiten.»
Kurt Reichenbach