Ein kleines Lächeln taucht auf dem Gesicht der 90-jährigen Katerina Antonia Shevchuk auf, wie ein einzelner Sonnenstrahl über einer zerfurchten Landschaft, wenn Lydia Negid, ihre Hauspflegehelferin, das Zimmer betritt.
«Lydia ist meine Familie», erzählt die Greisin. Sie wohnt noch in einem Zimmer ihres kleinen Hauses in Bilboschnytsia, einem Bauerndorf südlich von Ternopil, der alte Kachelofen ist kalt. Wenns Strom gibt, vertreibt ein Elektro-Öfeli die schlimmste Kälte. Ihr Radius ist auf das Sofa beschränkt, das Aufstehen bereitet ihr sichtlich Mühe.
«Dreimal die Woche kommt der gute Engel vom Roten Kreuz vorbei, bringt Lebensmittel, Care-Pakete mit Hygieneartikeln, neulich ein Paar Gehstöcke», erzählt Katerina Antonia Shevchuk. Lydia koche, putze, schaue zum Rechten, berichte von der Welt. Über den Krieg reden die Frauen selten – die Seniorin habe genug Krieg, Hunger, Elend und Verzweiflung erlebt, unter den Nazis, unter Stalin, im Kommunismus. Erfahrungen, die sich in ihrem Gesicht und der Seele niedergeschlagen und ihr das Lächeln verleidet haben.
Auch ihr 90. Geburtstag und die Torte mögen sie nicht aufheitern. «Wenn Lydia nicht wäre, würde mich irgendwann jemand finden, tot und trocken wie eine Mumie», meint die Witwe. Zum Abschied möchte sie den Besuchern aus dem fremden Land die Hände drücken, Danke sagen für die Unterstützung, die das Rote Kreuz in ihrer Heimat leistet.
Katerina Antonia Shevchuk ist wie so viele Senioren im kriegsgeschüttelten Land auf den Betreuungsdienst daheim angewiesen, den das Ukrainische Rote Kreuz mit Unterstützung des SRK aufrechterhält. «Betagte und Kinder sind die Verletzlichsten, sie brauchen unsere Hilfe am meisten», meint Andrea Leuenberger, 31, zuständig für den Gesundheitsbereich des Roten Kreuzes in den Regionen Iwano-Frankiwsk und Ternopil.
Fabienne Hugi, 34, die an der ETH Architektur studierte, ist seit September in der Westukraine im Einsatz. Sie kümmert sich mit Angestellten und Freiwilligen des Ukrainischen Roten Kreuzes um die kollektiven Unterkünfte, in denen die Geflohenen aus der Kriegsregion hier ein temporäres Zuhause finden.
Fenster sind das grosse Problem
Die grosse Herausforderung ist, diese Unterkünfte wintersicher zu machen. Welche Mammutaufgabe das darstellt, zeigt die Unterkunft in Iwano-Frankiwsk in einem ehemaligen Studentenheim. Der Plattenbau aus den 70er-Jahren ist aufällig und zugig. Für die Gemeinschaftswaschräume mussten Boiler, Duschen und Waschmaschinen organisiert und installiert werden, in den Küchen brauchte es Kühlschränke, Herde und Mikrowellengeräte – all das hat das SRK schnellstmöglich beschafft.
Das Wichtigste: neue Fenster. Die jetzigen sind von 1979, mit klapprigen Rahmen, bröckeligem Kitt und dünnen Scheiben. «76 Fenster müssen hier dringend ersetzen werden», sagt Fabienne Hugi. Material- und Fachkräftemangel sorgen weltweit für Probleme – hier sind diese dramatisch. Schon bei null Grad ist es in den Zimmern so kalt, dass die Bewohner alle Winterkleider, die sie auf ihrer Flucht mitnehmen konnten, lagenweise tragen.
Im Winter herrschen in der Ukraine nicht selten Temperaturen bis minus zwanzig Grad und tiefer. Auch Sophia Kostileva, Grafikdesign-Studentin aus Charkiw, ist dick eingehüllt. Mit klammen Fingern tippt sie auf der Tastatur ihres Laptops – die kurze Zeit nutzend, in der es Strom gibt und sie online ihre Studien fortsetzen kann. Sie teilt sich mit ihrer Grossmutter Vira Sotova, 64, ein Zimmer, das als Wohn- und Schlafraum und als Homeoffice dient. «Es ist schon alles anders als daheim», meint die 21-Jährige schulterzuckend, «aber wir sind sehr froh, hier untergekommen zu sein. Hier sind wir in Sicherheit, daheim nicht.»
Auf einem der zwei schmalen Betten schläft eine Katze. «Die haben wir auf der Strasse gefunden, als neugeborenes Büsi – jetzt ist sie ausgewachsen», erzählt Sophia, während sie ihrer Oma die Nägel kunstvoll lackiert. «Das Einzige, was ich auch ohne Licht und Netz tun kann.»
Hilfe bei Geldsorgen
Nicht nur die im Land Vertriebenen dürfen auf die Hilfe des Schweizerischen Roten Kreuzes zählen. Der Krieg trifft alle hart, bringt viele an den Rand der Existenz. Durch Jobverlust, durch den Tod von Versorgern. Jede Familie hat seit der Eskalation vor genau einem Jahr Tote zu beklagen, Soldaten und Zivilisten.
Mit dem Cash-Programm lindert die humanitäre Organisation Geldsorgen. Die Mittel dafür stammen von Schweizer Spenden. Es sind vor allem die Geflüchteten aus dem Kriegsgebiet im Osten, die auf finanzielle Hilfe angewiesen sind. Rentner, Behinderte, kinderreiche Familien und Alleinerziehende können sich registrieren lassen und erhalten monatlich Gutscheine im Wert von rund 50 Franken für Lebensmittel und Dinge des täglichen Bedarfs.
Die Schlange vor dem Theater in Iwano-Frankiwsk ist lang, die Leute warten geduldig und klaglos in der Kälte. Drinnen nehmen Rotkreuz-Freiwillige die Personalien der Hilfesuchenden auf, bei Notlicht und auf Papierformularen. Die Zerstörung von E-Werken und Infrastruktur hat die einst in der Digitalisierung führende Ukraine ins analoge letzte Jahrtausend zurückgeworfen.
In Paraguay setzt sich das Schweizerische Rote Kreuz gemeinsam mit dem Paraguayischen Roten Kreuz für die Verletzlichsten ein. Mit Workshops und «Safe Spaces» an Schulen und in Dörfern verbessert es ihre Lebenssituation und psychische Gesundheit nachhaltig. Schenke Kindern und Familien mit einer Spende eine gesunde Zukunft in einem geborgenen Umfeld ohne Unterdrückung und soziale Ausgrenzung.
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