Die Grossmutter von Barsha Khanal war als Mädchen jeden Tag 7 Stunden zu Fuss unterwegs, um Wasser für ihre Familie und die Tiere zu holen. Für die Schule blieb keine Zeit. Auch Barshas Mutter musste bis vor kurzem zweimal am Tag 35 Minuten zur nächsten Wasserstelle gehen. Barsha (14) aber macht heute einige Schritte aus dem Haus – und steht vor einem Hahn mit fliessendem Quellwasser. «Das erleichtert unser Leben sehr», sagt Grossmutter Topala Khanal, inzwischen 86 Jahre alt. «Ich bin froh, muss meine Tochter nicht jeden Tag das schwere Wasser tragen», erzählt Mutter Kamala Khanal Bhattarai (39).
Sie lebt mit ihrem Mann, den drei Kindern und der Schwiegermutter in einem Haus im Bergdorf Gokhunga mit 712 Einwohnerinnen und Einwohnern im Südwesten Nepals. Das Land am Himalaya gehört zu den ärmsten der Welt, in den Bergen der Provinz Lumbini ist Wasser ein kostbares Gut. Zugang zu Trinkwasser, das von der Wasserquelle bis zum Konsum frei von Krankheitserregern bleibt, haben nur 16 Prozent der Bevölkerung. Das trifft Sängerin Naomi Lareine (30), die als Botschafterin des Schweizerischen Roten Kreuzes (SRK) mit einer Delegation der grössten humanitären Organisation der Schweiz angereist ist. «Zu Hause ist es selbstverständlich, dass wir sauberes Wasser haben», sagt die Zürcherin. «Ich kann mir nicht vorstellen, wie es ohne wäre.» Die Musikerin besucht Nepal erstmals. Zum Dorf ist sie von der nächsten Stadt über vier Stunden lang im Geländefahrzeug über Schotterstrassen angereist.
Fast ein halbes Jahr lang haben die Menschen des Dorfes unter Anleitung des Nepalesischen Roten Kreuzes an ihrem neuen Wassersystem gebaut, haben Gräben ausgehoben, Leitungen verlegt und zwei Wasserpumpen eingebaut. Diese befördern das gefilterte Quellwasser 300 Höhenmeter hinauf in einen Verteilertank, der 136 Haushalte im Dorf versorgt. Die Anlage wurde vom SRK, dem Britischen Roten Kreuz und der Gemeinde finanziert. Alle Haushalte haben einen Wasserzähler und zahlen nach Verbrauch. Der Tarif ist für alle erschwinglich angesetzt. Zwei Einheimische kümmern sich um die Anlage.
Das Schweizerische Rote Kreuz (SRK) ist in rund 30 Ländern der Welt für die Verletzlichsten im Einsatz und leistet dort Nothilfe, beugt Katastrophen vor und stärkt die Gesundheit der Menschen.
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Die Wasserpumpe verändert das Dorfleben nachhaltig. Das merkt allen voran Barsha: «Ich habe jetzt viel mehr Zeit für meine Hausaufgaben. Und auch, um Volleyball zu spielen.» Zu ihren Ämtli zu Hause gehört es, bei der Wäsche zu helfen. Obwohl sie etwas schüchtern wirkt, will sie Naomi Lareine den neuen Wasserhahn zeigen. Sie dreht diesen auf und sagt: «Der Zugang zu Wasser ist viel einfacher als früher.» Später will sie Sozialarbeiterin werden. «Ich möchte anderen Menschen in Nepal helfen, so wie auch uns geholfen wurde.»
Obwohl die nepalesische Regierung das Ziel hat, dass jeder Haushalt über einen eigenen Wasserhahn verfügt, ist dies nicht so einfach zu erreichen. Besonders ländliche Regionen sind in der Regenzeit wegen Erdrutschen und Überschwemmungen oft von der Aussenwelt abgeschnitten. Zu oft gibt es in den Häusern kein fliessendes Wasser, kein Abwassersystem und keine Waschmöglichkeit mit Seife. Das ist ein Risiko für die Gesundheit. Hautausschläge, Augenkrankheiten und Parasiten breiten sich schneller aus und gefährden insbesondere schwangere Frauen und Kleinkinder. Jährlich sterben Hunderte Kinder an Durchfallkrankheiten, die vermeidbar wären. Das SRK unterstützt deshalb das Nepalesische Rote Kreuz bei der Gesundheitsförderung, die über 80’000 Menschen in vier abgelegenen Gemeinden in den Provinzen Lumbini und Karnali zugute kommt.
Auch das Schulhaus im Dorf, das Barsha und ihr kleiner Bruder Bibek (11) besuchen, ist nun am neuen Wassersystem angeschlossen. Die Kinder lernen hier jeden Tag, wie wichtig es ist, die Hände zu waschen. Freiwillige des Nepalesischen Roten Kreuzes üben mit ihnen. «Wir hoffen, dass sie das Wissen mit nach Hause nehmen», sagt die Freiwillige Basanta Khanal (33), die ein- bis zweimal pro Woche die Schule besucht. «Junge haben oft weniger Mühe als ältere Menschen, Neues anzunehmen. Darum sind sie der Schlüssel für mehr Hygiene.»
Barsha engagiert sich in der Schule beim Jugendrotkreuz. Sie hat anderen Mädchen die Wichtigkeit der Hygiene auch während der Menstruation vermittelt – ein Thema, das für sie längst kein Tabu mehr ist.
Naomi Lareine ist beeindruckt von Barsha und ihrer Familie. «Sie haben wenig und können trotzdem gut leben. Sie versorgen sich fast selbstständig mit ihrem Gemüse und ihren Tieren. Mit dem Wasserzugang geht das nun einfacher.» Die Reise nach Nepal hat die Sängerin geprägt. «Ich habe das Leben aus einer neuen Perspektive gesehen und gelernt, dass wir nichts für selbstverständlich halten dürfen. Nicht mal Wasser. Ich bin dankbar für alles, was ich habe.»