Nemo, wie fest hat der Eurovision Song Contest dein Leben auf den Kopf gestellt?
Der ESC? Hey, schon krass! Allein durch die Teilnahme und die Erlebnisse hat sich viel verändert – zum Beispiel, wie ich andere Länder und Städte in Europa wahrnehme. Ich habe mega viele Leute kennengelernt. Jetzt kenne ich in jeder Hauptstadt Europas jemanden, den ich fragen kann: «Hey, wo kann man hier gut Party machen?» Dazu kommt die Verrücktheit des Abends – und dass ich am Schluss sogar gewonnen habe. Das hat sehr vieles verändert. Alles ist anders, und doch ist alles irgendwie noch ein bisschen gleich.
Hat dich der Sieg auch als Mensch geprägt?
Die ganze Erfahrung hat mich als Mensch sehr geprägt. In vielen Dingen hat es mein Selbstvertrauen gestärkt, als Künstler*in, aber auch einfach als Mensch. Zu wissen: Ich habe ein Zuhause in der ganzen ESC-Community, vor allem in der Queer-Community. Das gab mir ein schönes Selbstvertrauen und sehr viel Selbstliebe.
Hat sich durch den Sieg dein Verhältnis zur Musik verändert?
Das hat schon angefangen, als der Song entstand. Es war eine magische Erfahrung, weil ich es geschafft habe, an diesem Tag komplett loszulassen von Erwartungen. Ich habe mir gesagt: «Hey, ich öffne mich jetzt komplett und schaue mal, was aus mir herauswill.» Das war eine schöne Erfahrung, die meinen Kreationsprozess nachhaltig geprägt hat. Ich habe gelernt, mehr auf das zu hören, was aus mir heraus will. Es war spannend zu merken, wie viel Vielfalt in der Musikszene Europas steckt. Es war mega inspirierend, so viele unterschiedliche Musikstile und Künstlerinnen und Künstler kennenzulernen.
Der Song «The Code» ist in einem Songwriting-Camp entstanden. Was muss man sich darunter vorstellen?
Das ist echt eine lustige Geschichte. In den letzten Jahren habe ich viele Songs für andere Künstlerinnen und Künstler geschrieben und wurde zum Songwriting-Camp eingeladen. Man wird Leuten zugeteilt, die man vielleicht noch gar nicht kennt. Das Ziel ist, einen Song pro Tag zu schreiben. Ich dachte also, sie laden mich ein, um für andere Songs zu schreiben. In der ersten Session wurde ich Teya zugeteilt, die letztes Jahr für Österreich am ESC teilgenommen hat. Ich fragte sie: «Für wen schreiben wir denn jetzt den Song?» Und sie so: «Ja, für dich!» Ich hätte nie gedacht, dass ich jemals am ESC antreten würde. Aber die Situation hat sich ergeben, darum habe ich es genossen, und dann ist «The Code» entstanden. Es war spannend, denn bis dahin dachte ich, dass in Songwriting-Camps nicht sehr innovative Musik entsteht – denn es ist meist ein Kompromiss. Aber wir kamen mit einem Song wie «The Code» raus, was uns alle erstaunt hat.
Vom 17. Oktober bis 8. November präsentiert die Baloise Session Konzerthighlights mit Weltstars und Newcomern wie Take That, Marc Sway, Seal, Sophie Ellis-Bextor, Jacoténe, St. Vincent, Gary Clark, Robert Plant, Marty Stuart, Mika, Nathalie Imbruglia, Rea Garvey, Ray Dalton, Nemo, Teddy Swims, Alvaro Soler, Loco Escrito, Jacob Collier und Tony Ann. Exklusiver Musikgenuss bei Kerzenlicht und Clubtischambiente voll Stimmung, Initmität und grossen Emotionen.
Gibt es noch Momente, wo du dich selbst sein kannst?
Ehrlich: Ich denke, ich habe im Moment fast zu wenig Zeit für mich. Das ist auch etwas, das ich jetzt sehr aktiv machen muss: mir Zeit freihalten. Auch wenn ich mir einen freien Tag einplane, gibt es viele Möglichkeiten, diesen wieder zu verplanen. Dann muss man stark sein und sagen: Nein, das bleibt jetzt ein freier Tag.
Wie sieht deine Karriereplanung aus?
Das Wichtigste ist, dass ein neues Projekt kommt. Da ist schon viel in Planung und wird in nächster Zeit kommen. Ich habe sehr viel geschrieben und will mir mit meinem Team Zeit nehmen, eine Vision zu entwickeln. Im Moment planen wir sehr weit voraus, was ich vorher nie gemacht habe. Nächstes Jahr im März startet die Europa-Tour. Das ist cool, weil man Sachen besser planen kann. Es wird viele grossartige Inputs geben, aber im Moment muss ich noch aufs Bremspedal drücken, was Informationen angeht.
Am 5. November trittst du an der Baloise Session auf, am selben Abend wie Teddy Swims. Was bedeutet das für dich?
Das ist eine unglaubliche Ehre. Die Baloise Session ist eines der Formate in der Schweiz, wo es wirklich um Musik geht, ums Zuhören und die Auseinandersetzung mit der Musik. Es ist auch eine Riesenehre, am gleichen Abend wie Teddy Swims aufzutreten. Er hat eine unglaubliche Stimme. Ich freue mich wahnsinnig, dass ich das erleben darf.
Hast du dir das Leben als Superstar so vorgestellt, als du als 13-Jähriger im Udo-Jürgens-Musical mitgesungen hast?
Ich habe damals vom Broadway geträumt. Irgendwann habe ich aber entdeckt, dass Songwriting eine Freiheit bietet, wo ich mich vollkommen wiederfinde. Songs zu schreiben und im Studio zu sein, ist ein grosser Teil von dem, was ich gerne mache. Trotzdem: Ich bin ein grosser Musical-Fan. Wer weiss, vielleicht mache ich in ein paar Jahren einen Gastauftritt in «Wicked», «The Lion King» oder «Phantom of the Opera» – oder schreibe mal selber ein Musical!