7,5 Stunden Sport treiben Knaben im Alter zwischen 10 und 14 Jahren pro Woche ausserhalb der Schule. Bei den Mädchen ist es im Schnitt fast eine Stunde weniger. Sie kommen auf 6,6 Stunden. Das kam bei der Studie Sport Schweiz 2020 des Bundesamtes für Sport heraus.
Während 74 Prozent der Buben in der Schweiz einem Sportverein – oder gar mehreren – angehören, sind es bei den Meitli nur 59 Prozent. Und das, obwohl sie häufiger den Wunsch angeben, mehr Sport treiben zu wollen – um 12 Prozentpunkte mehr als die Jungen. Warum hängen sie sportlich trotzdem hinterher? Und was ist das Problem dabei?
Negative Auswirkungen auf das Selbstbild
Das berühmte «Wählen» im Sportunterricht, läuft seit je her meist so ab: Am Anfang werden immer die gleichen zwei oder drei Sportskanonen genannt. Für sie ist das sicher ein gutes Gefühl. Danach kommen die restlichen Jungs. Viele Mädchen hingegen – auch die athletischen – müssen länger warten. Sie seien eben schlechter im Sport, heisst es – auf Kosten des Selbstbewusstseins vieler jungen Frauen.
Beim Fussball im Schulsport gibt es ab und zu auch die Regel des «Frauentors», das zwei Punkte zählt. Mädchen bekommen doppelt so viele Punkte für dieselbe Leistung wie Buben. Eigentlich soll sie das motivieren und zur Fairness beitragen. Doch tut es das? Oder wird bei ihnen dadurch das Gefühl verankert, schlecht im Sport zu sein – mit negativen Auswirkungen auf das Selbstbewusstsein und Selbstbild?
Dass mehr Mädchen Sport treiben, war ein Wunsch der viel zu früh verstorbenen Schweizer Fussball-Internationalen Florijana Ismaili. Darum trägt der Förderverein FI9 Girls Football powered by Laureus ihre Initialen und einstige Rückennummer und bietet, dank der Unterstützung der Laureus Stiftung Schweiz, im ganzen Land Fussballcamps und Trainings für junge Sportlerinnen zwischen 6 und 20 Jahren an. Unterstützt wird das Förderprogramm auch von Lara Dickenmann, eine der besten Schweizer Fussballerinnen aller Zeiten und Ex-Captain der Nati.
Das Ziel der Mädchenfussballcamps von Laureus: Junge Frauen sollen durch Fussball Selbstbewusstsein vermittelt bekommen und zum Sport motiviert werden. Doch wie geht das?
Spass steht an erster Stelle
Für viele ist Sport mit dem Drang verbunden, der oder die Beste zu sein. Dieses Denken beginnt bereits beim «Wählen» in der Schule. Bei FI9 hingegen geht es vor allem um Spass, sagt Laureus-Botschafterin Dickenmann: «Das Ziel ist, durch den Fussball Werte wie Teamplay, Gesundheit und die Freude am Sport zu vermitteln. Unser Grundsatz ist, Florijanas Werte zu verbreiten. Wie sie den Fussball gelebt hat und ihn an junge Mädchen weitergeben wollte.»
Im Training herrscht kein Leistungsdruck. So sollen sich die Mädchen sicher und ermutigt fühlen. Denn Leistungsdruck führt zu Erwartungshaltungen, und verpasste Erwartungshaltungen zu Druck und Selbstzweifeln. Ein Motto der Camps: Gelobt wird Mut, nicht Perfektion. Die Teilnehmerinnen sollen sich frei fühlen, Fehler zu machen. So sind sie offener, neue Dinge auszuprobieren. Beispielsweise mit dem Ball jonglieren, wie eines der Mädchen stolz berichtet: «Ich hab im Camp gelernt zu jonglieren – auf einem Fuss.»
Die Laureus Stifung Schweiz finanziert, fördert und entwickelt soziale Sportprogramme für Kinder und Jugendliche – unabhängig von Geschlecht, Herkunft, Religion, gesundheitlichen Einschränkungen oder sozialer Schicht. Im Fokus stehen dabei Gesundheit und Wohlbefinden, Integrationsförderung und die Förderung von Mädchen und jungen Frauen. So wie auch beim FI9 Girls Football.
Sport zu treiben steigert das Selbstwertgefühl – und nicht einfach nur die Fitness. Das belegen viele Studien. Das soziale Miteinander spielt dabei eine wichtige Rolle. Bei FI9 Girls Football powered by Laureus steht der Teamgeist im Vordergrund, nicht der Wettkampf. Die jungen Sportlerinnen lernen, fair zu spielen, richtig miteinander zu kommunizieren und als Einheit zu handeln.
«Es geht darum, Mädchen über den Fussball einen Ort zu geben, wo sie zusammen Spass haben können und sich zusammen bewegen können.», erklärt Dickenmann. Anstatt sich gegeneinander zu messen, bauen sie sich gegenseitig auf, denn sie sind keine Konkurrenten, sondern Freundinnen. Das erzählt eine der jungen Sportlerinnen: «Ich bin alleine ins Camp gekommen und habe da viele Freundinnen kennengelernt.» Eine andere erklärt: «Die Mädchen sind für mich wie eine Familie geworden.»
Wer früh mit Sport anfängt, spielt länger
Doch: Fit hält der Sport natürlich auch. Denn die Wirkung ist langfristig. Wer früh mit dem Sport anfängt, führt mit höherer Wahrscheinlichkeit auch im Erwachsenenalter einen aktiven Lebensstil. Ein weiteres Argument, warum mehr Mädchen Zugang zu Vereinen und Sportangeboten erhalten sollen. Dazu braucht es auch Vorbilder, die sie motivieren.
«Bei mir waren meine Eltern die Vorbilder. Sie haben schon immer viel Sport getrieben, das war in der Familie verankert. Es ist wichtig, dass man ein Umfeld hat, das einen unterstützt und die richtigen Werte vermittelt», erzählt Dickenmann. Für Mädchen, denen so eine Vorbildfunktion fehlt, können die Botschafter von Laureus einspringen.
Florijana Ismaili hatte selbst albanische Wurzeln und kann vor allem für Mädchen mit Migrationshintergrund als wichtiges Vorbild dienen. Denn sie treiben rund ein Drittel weniger Sport als solche mit Schweizer Herkunft. Das zeigt die Studie des Bundesamtes für Sport auf. Laureus Schweiz möchte deshalb vor allem diese Mädchen dazu animieren, teilzunehmen.
So lernen sich die Mädchen – und ihre unterschiedlichen Kulturen – kennen. Herkunft, Religion, soziale Schicht oder gesundheitliche Einschränkungen sollen dabei keine Hindernisse sein. Im Gegenteil: Hier sollen Vorurteile abgebaut werden. Wie auch jenes, dass Mädchen generell schlechter im Sport sind.