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  4. Camille Rast: Slalom-Weltmeisterin feiert Goldmedaille
Wie ein Phönix aus der Asche

Camille Rasts Lockerheit krönt sie zur Slalom-Weltmeisterin

Camille Rast rast durch ihre Traumsaison und wird nach harten Rückschlägen Slalom-Weltmeisterin – dabei war Gold nie ihr erklärtes Ziel. Und Wendy Holdener? Sie feiert mit drei Silbermedaillen die ganz grossen Emotionen.

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Die neue Welt­meisterin hat auch tierische Fans: Im Hotel ­Alpin Juwel spielt Rast mit Hotel­hündin Ilvy.

Die neue Weltmeisterin hat auch tierische Fans: Im Hotel Alpin Juwel spielt Rast mit Hotelhündin Ilvy.

PASCAL MORA

Hotelhündin Ilvy geniesst die Streicheleinheiten – ihr spielts keine Rolle, wer da ihr Fell krault. Dabei ists niemand Geringerer als Slalom-Weltmeisterin Camille Rast (25). Am Morgen nach dem Gold-Coup ist sie noch etwas müde. Ist die Feier ausgeartet? «Ein wenig, aber ich konnte lange nicht schlafen. Da sind zu viele Gedanken in meinem Kopf.»

Zeit, diesen riesigen Erfolg zu begreifen, hat sie kaum. Es geht sofort mit dem Weltcuprennen in Sestriere (I) weiter. Was für ein Märchen die Unterwalliserin doch schreibt: Sie gewinnt in dieser Saison ihre ersten zwei Weltcuprennen, und dann wird sie auch noch Championne du Monde. Als erste Schweizer Slalom-Weltmeisterin seit Vreni Schneider 1991. Mit ihrer Lockerheit, der aggressiven und dennoch präzisen Fahrweise dominierte sie den anspruchsvollen Kurs am Zwölferkogel. Rast zuckt mit den Schultern. «Ich bin ein gelassener Mensch. Vor dem Start denke ich mir einfach: Du weisst, was du kannst.»

«Ich bin ein gelassener Mensch.» Mit dieser Lockerheit und ohne Druck am Start überrascht Camille alle und fährt zu Gold.

«Ich bin ein gelassener Mensch.» Mit dieser Lockerheit und ohne Druck am Start überrascht Camille alle und fährt zu Gold.

PASCAL MORA

Hungrig auf ihr nächstes Rennen ist Rast auch schon: «Dieser Sieg ist ein Traum, aber nächste Woche fangen die Rennen wieder bei null an. Das ist das Schöne am Sport.» Mit dem Weltmeistertitel rechnete Rast nicht. Er war auch nicht ihr angepeiltes Ziel, sondern «ein toller Bonus», wie die Walliserin augenzwinkernd erzählt. Ihr Credo: Spass haben und geniessen.

Diese Lockerheit kommt nicht von ungefähr. Rast ist als junges Mädchen sehr erfolgreich und wird mit 17 Jahren Slalom-Juniorenweltmeisterin – dann kommt der tiefe Fall. Erst leidet sie am Pfeifferschen Drüsenfieber, dann kämpft sie gegen schwere Depressionen. Zu allem Überfluss reisst auch noch das Kreuzband. Rast denkt ans Aufhören, will nicht mehr Ski fahren. Zum Glück setzt sie die Rücktrittspläne nicht in die Tat um. «Ich habe durch diese Zeit sehr viel gelernt, nicht nur als Athletin, sondern auch als Mensch.»

Auch die Eltern sind mächtig stolz auf ihre Tochter, aber nicht unbedingt nur auf die Goldmedaille: «Wir waren schon vorher stolz und werden es immer sein. Uns ist wichtig, dass sie ihren Weg macht», sagt Mutter Marlène. «Und dass sie ein guter Mensch ist.»

Championne du Monde: Camille Rast ­feiert im «Swiss-Ski Stübli» mit Mutter Marlène und Vater Philippe Rast.

Championne du Monde: Camille Rast feiert im «Swiss-Ski Stübli» mit Mutter Marlène und Vater Philippe Rast.

PASCAL MORA

Zum dritten Mal in der Saison stand Rast vor Holdener auf dem Podest. «Das ist schon ein bisschen hart. Aber natürlich ist man beim Skifahren Einzelkämpferin.» Wendy sei eine gute Kollegin. «Ich durfte in all den Jahren viel von ihr lernen. Sie hat mich mit ihren Leistungen immer inspiriert und gepusht – auch dank ihr bin ich heute da, wo ich bin.» Mit besagter Wendy Holdener (31) stand in Saalbach eine weitere Schweizerin auf dem Slalom-Podest. Wieder historisch: ein Schweizer Slalom-Doppelsieg? Das gabs in der 94-jährigen WM-Geschichte noch nie – weder bei den Männern noch bei den Frauen.

Rast und Holdener schreiben Geschichte: Noch nie gab es im Slalom einen Schweizer Doppelsieg.

Rast und Holdener schreiben Geschichte: Noch nie gab es im Slalom einen Schweizer Doppelsieg.

PASCAL MORA

Wendy Holdener, die Silbermarie

Die Schwyzerin ist die Silber-Queen schlechthin – beim Team-Event, bei der Team-Kombi und im Slalom stand sie im Salzburgerland auf dem zweitobersten Treppchen. Neun WM-Medaillen hat sie nun, zieht mit Pirmin Zurbriggen (62) und Lara Gut-Behrami (33) gleich. Das wird gefeiert: Fans werfen ihrem Idol unter anderem Skihelme und Jacken zu, um eine Unterschrift zu ergattern.

Nach der Medaillenfeier zeigt sich Wendy am Geländer vor den TV-Boxen. Ein Fan hält ein Plakat mit der Aufschrift «Take a Shot with me!» hoch, Holdener lacht und nickt. Eine Sekunde später fliegt ein Mini-Fläschchen Appenzeller durch die Luft, die Ski-Queen hält den Daumen hoch, prostet den Fans zu und verzieht das Gesicht: «Gruusig, aber guet!», ruft sie.

Wendy Holdener mit ihren stolzen Eltern Daniela und Martin. «Da kann man nur gratulieren und Wendy in den Arm nehmen!»

Wendy Holdener mit ihren stolzen Eltern Daniela und Martin. «Da kann man nur gratulieren und Wendy in den Arm nehmen!»

PASCAL MORA

Grossartig ist ihre Leistung bei der Team-Kombi, die sie mit Lara Gut-Behrami bestreitet: Holdener holt nach einer durchzogenen Abfahrtsleistung von Gut-Behrami die Kohlen aus dem Feuer und verbessert von Rang 12 auf den Silberplatz. «95 Prozent der Medaille gehören Wendy», sagt Gut-Behrami bei der Medaillenvergabe. Und wischt Holdener Tränen aus dem Gesicht – es sind nicht nur Freudentränen.

Bewegender Moment: Bei der ­Medaillenvergabe übermannen Holdener die Gedanken an ihren Bruder Kevin. Lara Gut-Behrami wischt ihr eine Träne weg.

Bewegender Moment: Bei der Medaillenvergabe übermannen Holdener die Gedanken an ihren Bruder Kevin. Lara Gut-Behrami wischt ihr eine Träne weg.

Sven Thomann

Die WM in Saalbach ist für Holdener mit ganz grossen Emotionen verbunden. Es ist die erste Ski-WM ohne ihren geliebten Bruder Kevin, der vor einem Jahr krebskrank an den Komplikationen einer Lungenentzündung starb. Auf ihrem Helm trägt sie die Aufschrift: «Ski with Kevin». Nach ihrem letzten Rennen, dem Slalom, bedankt sie sich in Gedanken bei ihrem Bruder und wird emotional. Auch ihre Eltern Daniela und Martin weinen auf der Tribüne. «Ich habe nie Angst, wenn Wendy fährt. Sie hat immer einen Schutzengel dabei», erzählt Mama Daniela. Es gibt Erfolge, die in den Geschichtsbüchern landen – und es gibt Momente, die mitten ins Herz gehen. Wendy Holdener schenkt der Schweiz beides.

Von Yara Vettiger vor 18 Stunden