Eli, du hast eine Facebook-Gruppe zum Thema Angst- und Panikstörungen gegründet. Warum?
Ich hatte 2012 meine erste schlimme Panikattacke und habe viele Jahre schwer damit zu kämpfen gehabt. Als ich dann 2017 zur Bachelorette wurde und plötzlich in der Öffentlichkeit stand, entschied ich mich, das nicht zu verstecken. Ich bin der festen Überzeugung, dass es hilft, offen über Angststörungen zu sprechen. Und ich sollte Recht behalten. Seither bekomme ich immer wieder Nachrichten von Menschen, die mir ihre Geschichten erzählen, die dankbar sind, wenn sie sich mit jemandem austauschen können, der diese Gefühle kennt. So wurde mir klar, dass ich da gerne mehr machen möchte. Jetzt hatte ich in den letzten Wochen natürlich, wie viele andere, mehr Zeit. Darum habe ich mich dann recht spontan entschlossen, dass ich mein Vorhaben mit der Gruppe in die Tat umsetze. Und es war krass, nach 24 Stunden waren schon 100 Menschen dabei. 100 Menschen, die Angst- und Panikstörungen kennen und die vielleicht Hilfe suchen.
Was finden Betroffene in deiner Gruppe?
Sie können sich austauschen. Fragen stellen, Erfahrungen teilen und sie werden verstanden. Ich hätte mir so einen Austausch damals gewünscht und bin sicher, dass es mir sehr geholfen hätte, wenn ich gewusst hätte, dass ich nicht alleine bin. Darum bin ich so froh, dass ich dies nun anderen ermöglichen kann.
Hast du weitere Pläne?
Mir schwirren schon noch Ideen im Kopf herum. Aber die muss ich erst einmal fertig denken. Ein Online-Ratgeber im Videoformat zum Beispiel, den Menschen mit Angst- oder Panikattacken hervornehmen können, wenn sie es brauchen. Ganz frei und ohne Druck. Dann, wenn Not ist. Aber ich werde sicher mehr auf meinen Social-Media-Kanälen über meinen Weg und meinen Umgang mit meiner Angst sprechen.
Hast du immer noch Panikattacken oder hast du sie mittlerweile im Griff?
Das Traurige ist ja, dass man von so etwas nie geheilt ist. Man ist wie ein Alkoholiker, der immer Alkoholiker bleibt. Sprich, ich habe gute und schlechte Tage. Es gibt Momente, da merke ich, dass es nun zu viel ist. Dann muss ich Massnahmen ergreifen. Aber ich habe es so gut im Griff, dass es zu keinen Panikattacken mehr kommt. Ich spüre die körperlichen Anzeichen früh genug und weiss dann, wie ich handeln muss.
Was sind die körperlichen Anzeichnen?
Das kommt ja meist schleichend. So richtig merke ich es, wenn mir schwindelig wird. Vorher spüre ich oft Verspannungen im Zwerchfell, die es mir nicht mehr möglich machen, tief in den Bauch zu atmen. Dann fühlt sich mein Körper auch anders an, als gehöre er nicht mehr richtig zu mir. Besonders die Beine. Wenn diese Dinge auftauchen, weiss ich, ich muss handeln.
Was sind deine Methoden?
Ich bin damals, als es losging, von Arzt zu Arzt gerannt. Habe zig Diagnosen bekommen. War bei Psychologen, Herzspezialisten und, und, und. Doch nach zwei Jahren Ärztemarathon wurde mir klar, dass ich meinen eigenen Weg finden muss. Ich habe dann mit einer Atemtherapie begonnen, zu der ich heute noch gehe. Was ich dort lerne, hilft mir enorm. Oft, wenn ich ein paar Minuten habe, mache ich meine Übungen. Ich setze mich hin, atme tief in den Bauch und lasse die negativen Gedanken los. Das ist für mich extrem wichtig. Auch hat mir Hypnose sehr geholfen. Ich konnte nach der ersten Panikattacke nicht mehr auf der Autobahn fahren. Mit meinem Hypnotiseur habe ich es wieder geschafft. Ich war so stolz. Und so kam langsam alles wieder zusammen. Natürlich muss ich immer damit leben, aber ich lebe gut. Und bin irgendwie auch dankbar.
Wie meinst du dankbar?
Durch die Panikattacken habe ich gelernt, viele Dinge anders anzugehen. Ich weiss, wo meine Grenzen sind und denke über so vieles anders als früher. Es ist mir wichtig, dass wir lernen, Dinge, wie psychische Erkrankungen, nicht mehr totzuschweigen. Zum Beispiel im beruflichen Umfeld. Wenn jemand Durchfall hat, ist es klar, dass er zu Hause bleiben kann. Aber wer ruft schon den Chef an und sagt, ich habe eine Panikattacke, ich kann nicht kommen. Diese Lügen sind doch nicht richtig. Ich hatte damals so viele Ausreden und Entschuldigungen.
Was zum Beispiel?
Das Schlimmste war wohl, dass ich unglaublich viel geraucht habe. Ich musste einfach aus Situationen raus. Da waren die Zigaretten die perfekte Entschuldigung. Anstatt zu sagen, dass ich einen Moment für mich brauche, bin ich rauchen gegangen. Rückblickend finde ich das schrecklich. Ich habe mir lieber die Lunge zugequalmt, als mein Bedürfnis zu äussern. Heute mache ich das nicht mehr und ich will, dass auch andere das nicht müssen. Es ist mir wirklich ein Anliegen, dass dieses Totschweigen ein Ende hat.
Wie war es als du schwanger wurdest: Hattest du Angst, dass die Attacken zurückkommen?
Ich habe mir überlegt, wie in meinen verspannten, verkrampften Bauch ein Baby passen soll. Da ich ja sowieso schon Probleme hatte, tief zu atmen, machte mir das schon Gedanken. Aber sobald ich schwanger wurde, hatte ich plötzlich mein altes Leben, das vor den Attacken, zurück. Mir ging es in diesen neun Monaten so gut wie nie. Das war eine wunderschöne Zeit. Als ich dann abgestillt habe kam auch das enge Körpergefühl wieder. Aber dank meiner Methoden und weil ich ja schon sehr geübt darin war, auf mich zu hören, kam ich sehr gut klar. Aber ich muss schon ehrlich sagen, wäre ich in den Jahren 2012 bis 2015 schwanger geworden, wäre das die Hölle gewesen. Ich war ja kaum in der Lage, raus zu gehen. Die fünf Minuten, die ich mich am Tag bewegt habe, waren eine Monsterleistung für mich. Darum habe ich mir dann auch meinen Hund Lovelynn angeschafft.
Wie hat dir Lovelynn geholfen?
Sie war immer für mich da und musste verdammt viel zuhören. Aber das ist ja das schöne, Tiere werten nicht, verlangen nichts von dir und nehmen dich so, wie du bist. Ganz wichtig war auch, dass ich ihretwegen regelmässig rausmusste. So konnte ich mich nicht zu Hause verkriechen.
Machst du dir Sorgen, dass Mia mal unter Angst- oder Panikstörungen haben könnte?
Da habe ich ehrlich gesagt, noch gar nicht drüber nachgedacht. Und wenn es mal so sein sollte, dann hat sie ja die perfekte Mama, um ihr zu helfen. Ich ermutige meine Tochter generell, ihre Gefühle offen zu äussern. Wenn ihr etwas wehtut, dann soll sie weinen, sie soll wütend, fröhlich, beleidigt oder was auch immer sein dürfen. Ich möchte sie nicht davon abhalten, auszudrücken, was in ihre vorgeht. Ich denke, das wäre anders, wenn ich diese schwere Zeit nicht durchgemacht hätte.