Normalerweise jettet Ronja Furrer, 28, zwischen Zürich, New York, Paris und London hin und her. Doch seit März sitzt das Topmodel aus Lüterkofen SO in der Schweiz fest. Eine neue Erfahrung für Ronja, die seit ihrem 14. Lebensjahr von den Laufstegen der internationalen Fashion-Shows oder Cover-Shootings für Hochglanz-Magazine wie «Vogue», «Elle», «Marie Claire» oder «Harper’s Bazaar» nicht mehr wegzudenken ist. Doch nun – Time-out sei Dank – konnte sie sich für die «Schweizer Illustrierte» in Zürich ganz viel Zeit nehmen.
Ronja Furrer, wann waren Sie zum letzten Mal so lange in der Schweiz?
Das ist schon viele Jahre her. Mein Zuhause ist New York, und als ich in Zürich ankam, ging ich davon aus, drei bis vier Wochen zu bleiben.
Wie fühlt es sich an, einfach mal Zeit zu haben?
Mega! Ich bin in den vergangenen Monaten innerlich zur Ruhe gekommen. Ich habe endlich Zeit für meinen Partner Andres und meine Familie. Das kenne ich gar nicht! Sonst sehen wir uns alle paar Wochen.
Das scheint Ihnen zu gefallen?
Ich schnuppere jetzt erst mal und schaue, wie es wäre, wenn… (lacht). Man weiss ja nie. Ich möchte schon irgendwann wieder in der Schweiz leben und eine Familie gründen. Aber mir gefällt auch mein Job immer noch sehr.
«Ich spüre in der Modelbranche eine grosse Unsicherheit»
Wie ist das für Ihre Familie, dass Sie immer auf Achse sind?
Nicht so einfach. Umso mehr geniessen wir es jetzt, uns so oft zu sehen. Obschon alle während des Lockdown voll berufstätig waren. Meine älteren Schwestern sind medizinische Praxisassistentinnen, mein Mami arbeitet in einem Behindertenheim, mein Vater ist Montageleiter in der Maschinenindustrie, und mein Bruder arbeitet im Marketing einer Firma, die Desinfektionsmittel produziert. Bei allen war Hochsaison. Darum habe ich in den letzten Wochen oft meine beiden jüngeren Halbschwestern, Lucy, 5, und Emilia, 11, gehütet und mit ihnen Homeschooling gemacht. Ich konnte endlich mal meine kindliche Seite ausleben (lacht).
Machen Sie sich manchmal Sorgen um die Zukunft?
Ich spüre in der Modelbranche eine grosse Unsicherheit. Das macht schon Angst. Ich bin selbstständig, ich muss Geld verdienen. Schliesslich habe ich eine Wohnung in New York und Fixkosten, die trotz Corona weiter bestehen. Und da mein Einkommen zu hoch ist, bekomme ich keinerlei finanzielle Unterstützung. Glücklicherweise habe ich etwas Geld zur Seite gelegt.
Haben Sie je daran gedacht, etwas anderes zu machen?
Als ich im Januar mit Andres in Indonesien in den Ferien war, wurde ich zum Beispiel auf eine Organisation aufmerksam, die Menschen mit sauberem Wasser versorgt. Dinge, die für uns eine Selbstverständlichkeit sind. Ich möchte mich gern für eine Hilfsorganisation engagieren und traf mich deshalb in den letzten Wochen mit verschiedenen Leuten.
Sie tragen eine Kette mit einem Ring-Anhänger.
Er ist ein Geschenk von Anja Leuenberger. Vor ein paar Jahren hat sie mir den Ring zum Geburtstag geschenkt, und ich trage ihn stets bei mir.
Sie sind seit Jahren mit dem Schweizer Model eng befreundet. Kam Anjas Outing wegen sexueller Übergriffe und Vergewaltigung für Sie überraschend?
Nein, wir haben oft darüber gesprochen. Was ihr passierte, ist mega schlimm, und es tut mir unendlich leid für jede Frau, die so etwas erleben muss. Doch ich will nicht, dass jetzt das ganze Modelbusiness schlechtgemacht wird. Es gibt leider immer und überall Menschen, die versuchen, ihre Macht auszunutzen.
Haben Sie selber auch schon schlechte Erfahrungen gemacht?
Nicht wirklich. Ich habe höchstens mal auf Instagram anzügliche Nachrichten bekommen. Im Stil: «Willst du mein Sugarbaby sein? Ich zahle dir 8000 Franken pro Woche.» Für mich gibts in solchen Fällen nur eins: löschen und blockieren. Aber ich kenne viele junge Models aus Brasilien oder Osteuropa, die würden sich ein solches Angebot vielleicht überlegen. Sie ernähren mit ihrem Einkommen oft die ganze Familie. Entweder nehmen sie jeden Job an, der ihnen geboten wird, oder sie landen auf der Strasse. Auch wenn ich es nachvollziehen kann, werde ich es nie wirklich verstehen. Doch es wäre anmassend, andere zu verurteilen. Im Gegensatz zu ihnen weiss ich, egal was passiert, ich kann immer zurück nach Hause.
Haben Sie auch schon mal einen Job abgelehnt?
Vor ein paar Jahren war ich in New York zu einem Casting für Calvin Klein eingeladen. Man liess uns Models stundenlang im Gang warten, ohne Stühle, Getränke oder Essen. Um drei Uhr morgens hatte ich genug und ging. Ich war aber die Einzige, und meine Agentin hat mir daraufhin gesagt, dass ich sicher nie mehr von ihnen gebucht werde – so war es dann auch. Wären wir alle gegangen, hätten sie vielleicht gemerkt, dass eigentlich wir die Macht haben, nicht sie!
«Andres versteht mein Leben, und wir haben die gleichen Sorgen»
Für viele Mädchen hat der Beruf Model eine unglaubliche Anziehungskraft. Ich denke da an die TV-Show «Germany’s next Topmodel».
Das hat wenig mit dem realen Leben eines Models zu tun. Mich macht es traurig, wenn ich sehe, was sie mit diesen jungen Girls für eine Show abziehen. Es ist schade, dass man ihnen nicht zeigt, wie es wirklich ist. Aber dann würde wohl niemand mehr zuschauen wollen. Denn es kann ein sehr harter Job sein.
Sie sind seit acht Jahren mit dem Musiker Stress liiert und führen eine Fernbeziehung. Das ist sicher nicht immer einfach?
Unsere Jobs sind sehr ähnlich. Darum funktioniert es. Andres versteht mein Leben, und wir haben die gleichen Sorgen. Ich denke da zum Beispiel an das Schnelllebige im Fashionbereich wie auch in der Musikszene. Heute bist du ein Hype, und morgen kennt dich niemand mehr.
Sie haben zusammen schon viele Höhen und Tiefen erlebt …
… ja, aber wir sind beide Kämpfer und geben nicht so schnell auf. Und für uns steht die Familie an erster Stelle. Es ist selten, im Leben einen Partner zu finden, der einem nicht nur in guten, sondern auch in schlechten Zeiten und in Krisen zur Seite steht. Ich weiss, egal was passiert, wir sitzen im gleichen Boot, und ich bin nicht allein. Das gibt mir extrem viel Halt, Stabilität und Sicherheit.