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  4. Lia Wälti erzählt in ihrem neuen Kinderbuch von ihrem Weg vom Mädchen zur Fussballerin
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Gemeinsam mit ihrer Schwester Meret hat Nati-Captain Lia Wälti ein autobiografisches Kinderbuch verfasst. Im Video erzählen die Geschwister, wer die Idee dazu hatte und wie sie Kinder inspirieren möchten. Schweizer Illustrierte
Natiospielerin ist jetzt Autorin

Lia Wälti tauscht den Fussball gegen die Schreibfeder

Vorbilder hatte Lia Wälti selbst keine. Darum kam sie nie auf die Idee, eine der erfolgreichsten Fussballerinnen der Schweiz zu werden. Mit ihrem Kinderbuch «Lia am Ball» will die Fussballnatispielerin nun mit ihrer Schwester Meret Mädchen gross träumen lassen.

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Es ist die Geschichte eines Mädchens, das einfach gern Fussball spielte. Das mit seiner kleinen Schwester unter der gehäkelten Bettdecke vom Grosi Büechli anschaute. Und das nicht davon träumte, Fussballprofi zu werden. «Träume entstehen durch Vorbilder. Und ich hatte keins», erzählt Lia Wälti (31). «Es gab schon Fussballerinnen – nur hat sie niemand gesehen.» Keine TV-Übertragungen, kaum Berichterstattung – es waren die Nullerjahre. «Mein Vater hat früher diese winzigen Resultatzeilen in der Zeitung gelesen. So klein, man brauchte fast eine Lupe», erzählt sie und lacht. Und doch ist Lia Wälti heute eine der bedeutendsten Fussballspielerinnen der Schweiz. Füllt Zeitungen, Sportmagazine, Titelseiten. Man muss nicht mehr mit der Lupe schauen. Lia Wälti ist Pionierin. Wegbereiterin. Wegmacherin.

Vor ihrem Zuhause in Saint Albans, einer ruhigen Kleinstadt unweit von London, steht eine grosse Mulde. Die Wohnung ist eine Baustelle – Wälti ist am Renovieren. Englische, aneinandergereihte rotbraune Backsteinhäuser säumen die Strasse. Drinnen riecht es nach frischer Farbe, nach Holz und Lack.

In den Strassen von London: Auch Meret (l.) spielte lange Fussball. «Lia war einfach disziplinierter.»

In den Strassen von London: Auch Meret (l.) spielte lange Fussball. «Lia war einfach disziplinierter.»

Fabienne Bühler

Endlich investieren

Dass sie einmal hier landen würde, hätte sich die Bernerin früher nicht vorstellen können. Genauso wenig wie, dass sie es vermag, eine eigene Wohnung zu kaufen. Fünf Jahre lang spielte sie in Potsdam (D), lebte vom Ersparten ihrer KV-Lehre. Seit sieben Jahren trägt sie nun das Trikot von Arsenal, einem der traditionsreichsten Fussbalklubs in England. Und in der Schweizer Nati ist sie längst eine feste Grösse: Seit 16 Jahren Teil des Teams, sechs davon als Captain. Dass Frauen und Fussball auch heute noch ein Reizthema sein können, macht ihre Rolle umso bedeutender. Diesen Juli findet zum ersten Mal die Fussball- EM der Frauen in der Schweiz statt – ein sportlicher Meilenstein. Ein Fest der Sichtbarkeit. Der Hoffnung. Der Möglichkeiten.

Der Moment, als vor zwei Jahren verkündet wurde, dass die EM in der Schweiz stattfindet: für Wälti unvergesslich. «Ich konnte es mehrere Wochen nicht glauben. Eigentlich auch jetzt immer noch nicht. Wenn meine Teamspielerinnen von Arsenal darüber reden, dass sie im Sommer in die Schweiz kommen, fühlt sich das richtig komisch an.»

Heute wird das eigene Buch gelesen – aber immer noch in Grosis Decke. «Dieser Prozess hat uns noch mehr zusammengeschweisst», so Meret und Lia Wälti (r.).

Heute wird das eigene Buch gelesen – aber immer noch in Grosis Decke. «Dieser Prozess hat uns noch mehr zusammengeschweisst», so Meret und Lia Wälti (r.).

Fabienne Bühler

Turnier der Möglichkeiten

Was also tun? Lange überlegt sie nicht. Eine Biografie über ihr Leben zu schreiben, hatte sie schon lange im Sinn. «Vor der Heim-EM war einfach der perfekte Zeitpunkt. Ich wusste: Jetzt muss ich es machen.» Es ist das Herzensprojekt von Lia Wälti und ihrer jüngeren Schwester Meret (30). Zusammen arbeiteten sie eineinhalb Jahre an einem illustrierten Kinderbuch, das den Weg von Lia aufzeigt. «Lia am Ball» erzählt vom kleinen Mädchen, dass einfach gern Fussball spielte und einen Weg einschlug, der damals noch sehr untypisch war. «Wir wollen Kinder und vor allem Mädchen mit diesem Buch darin bestärken, ihren eigenen Weg zu gehen. Und ihnen damit zeigen: Ihr dürft mutig sein, ihr dürft träumen und vor allem – ihr müsst nicht Stereotypen folgen.»

Niemand ausser Meret hätte in den Augen von Lia dieses Buch besser schreiben können. Schliesslich war sie bei vielen Stellen der Story selbst dabei. «Es war sehr emotional, dieses Buch zu verfassen. Wir haben zusammen nochmals unsere ganze Kindheit durchlebt, uns wieder an so viele Details erinnert.» Der rote Faden im Buch ist die selbst gehäkelte farbige Decke vom Grosi. Die haben sie immer noch – sie war ein warmer Trostspender, als Lia viele Nächte alleine in der Sportschule schlief. Das Grosi starb, als Lia 15-jährig war. «Leider hat sie nicht mehr erlebt, was aus uns geworden ist. Aber sie wäre sicher stolz. Und sehr gerührt, dass ihre Decke einen so grossen Teil in unserem Buch einnimmt», erzählt Lia. Auch die Eltern Monika und Andreas haben das Buch noch nicht gesehen. «Ich glaube schon, dass sie dann ein Tränli vergiessen werden», sagt Meret.

Eineinhalb Jahre arbeiteten die Schwestern am Buch. Ende April kommt es heraus – zwei Monate vor der EM.

Eineinhalb Jahre arbeiteten die Schwestern am Buch. Ende April kommt es heraus – zwei Monate vor der EM.

Fabienne Bühler

Schwesternliebe

Meret und Lia stehen sich sehr nah. Zehn Jahre lang teilten sie das Zimmer, spielten jede freie Minute zusammen Fussball, Eishockey oder Räuber und Poli. Mit 13 Jahren verliess Lia das Elternhaus, um an die Sportschule in Huttwil BE zu gehen. Meret erzählt: «Das war sehr schwer für mich. Wir waren als Kinder so eng und ständig aufeinander.»

Auch Meret spielte Fussball, schaffte es in die zweithöchste Liga. «Aber ich war nie so diszipliniert wie Lia. Ich hatte andere Interessen und sah, was sie alles opfern musste. So habe ich es irgendwann gelassen.» Stattdessen studierte sie Friedenspolitik in London, reiste, lebte einige Jahre in Kolumbien. «Manchmal sehen wir uns nur einmal im Jahr», erzählt Meret. «Dafür haben wir gelernt, die gemeinsame Zeit intensiv zu geniessen und zu schätzen», fügt Lia an. Durch das Buchprojekt sind sie nun noch ein wenig näher zusammengerückt. Meret besucht Lia oft in London, und im Sommer wird sie die ganze EM über in der Schweiz sein. «Natürlich – ich muss ja fast!», sagt Meret und lacht. «Wenn nicht, bist du einen Kopf kürzer», kontert Lia, und die beiden kichern.

Von Träumen und Realitäten

So fantastisch diese Heim-EM auch sein mag, so viel Druck lastet auf Wältis Schultern. Als Captain ist sie das Sprachrohr des Teams. Muss den Kopf hinhalten, wenn etwas nicht gut läuft. Die Schweizer Nati hat ein grosses Ziel: endlich die Gruppenphase überstehen und ins Hauptfeld einziehen.

«Es wird speziell sein, in voraussichtlich ausverkauften Stadien zu spielen, die früher für uns Frauen leer geblieben sind. In denen ich früher den Männern zuschaute. Und mit so vielen Verwandten und Bekannten wie noch nie auf den Zuschauerrängen.»

Ihr Vater habe Tickets gekauft in einer Summe so hoch, die er nicht mal seinen Töchtern verraten will. «Dass ich so ein Highlight am Ende meiner Karriere noch erleben darf, ist unbeschreiblich. Und einfach das Schönste, was man sich erträumen kann.» Vom Leben als Fussballprofi träumte Lia Wälti zwar nie – aber sie wurde es. Damit andere es ihr nachmachen können.

Von Yara Vettiger am 20. April 2025 - 06:00 Uhr