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Digi-Tal 2023

Muttenz und der Zauber der Digitalisierung

Computersprachen, Robotik, Gamedesign. Das Programm ICT Scouts/Campus in Muttenz/BL fördert Jugendliche in der digitalen Welt und leistet einen wichtigen Beitrag, damit auch Schüler mit einem mediokren Abschluss ihr Talent ausleben und den idealen Beruf finden können.

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Coach Sarah-Lia unterstützt Sean.

Sean arbeitet unter Anleitung von ICT-Coach Sarah-Lia an einem Reinigungsroboter.

Roger Hofstetter

Sean ist mit dem Resultat noch nicht zufrieden: «Der Wischmechanismus kommt dem Sensor in die Quere. Das muss ich verbessern.» Der 13-jährige Bezirksschüler aus Rheinfelden AG ist daran, einen Reinigungsroboter aus Lego-Steinen und elektronischen Komponenten zu konstruieren. Es ist eine Aufgabe, die er im Rahmen eines Workshops am ICT Scouts/Campus in Muttenz selbstständig löst: «Ich schätze es sehr, dass ich hier frei arbeiten und meine eigenen Projekt verfolgen kann.»

Sylia (blau gekleidet) hat Gia hier kennen gelernt.

Die zwei Digital-Cracks Gia (in Weiss) und Kollegin Sylla.

Roger Hofstetter

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ICT steht für Informations- und Kommunikationstechnik. Und Muttenz BL ist einer von sieben Standorten, an denen Talente zwischen 12 und 15 Jahren im Bereich der Informatik gezielt gefördert werden – jeweils am Samstag während vier Stunden. Initiant und CEO des Projekts ist der frühere Lehrer und Schulleiter Rolf Schaub. Er erkannte, dass es an den Volksschulen oft nicht möglich ist, Talente zu entdecken und sie in diesem spezifischen Themengebiet zu fördern. Dabei herrscht gerade in diesem Betätigungsfeld ein akuter Personalbedarf. Während der Pandemie hat die Digitalisierung enorm an Fahrt aufgenommen. Aber die nötigen Fachkräfte fehlen. Schätzungen gehen von 35 000 zusätzlichen Informatikerinnen und Informatikern aus, die in der Schweiz in den nächsten sechs Jahren gebraucht werden.

Zu ihnen könnte Gia aus Pratteln BL gehören. Die Sekundarschülerin ist am Campus in Muttenz gerade dabei, eine 2-D-Animation zu erstellen. «Ich möchte Informatikerin im Bereich der Applikationsentwicklung werden», sagt sie. Ihre Kollegin Sylla befasst sich derweil mit dem Kreieren von Computerprogrammen: «Ich finde es extrem spannend, dass man hier jederzeit kompetente Ansprechpartner hat, die einen bei der Problemlösung unterstützen. Und es ist schön, dass hier auch Mädchen in einem typischen Männerberuf eine Chance erhalten.» Tatsächlich: Rund 40 Prozent der Kinder im Campus sind Mädchen – und deuten auf das grosse Potenzial hin, das bisher nicht genutzt wurde. In der IT-Branche beschränkt sich der Frauenanteil auf acht Prozent.

Hochgeschätzte Teamarbeit

Geht es nach Rolf Schaub, wird sich dies schon bald ändern: «Die Mädchen schätzen es sehr, dass sie hier auch im Team arbeiten können.» Dass sich zwei Absolventen des Campus in diesem Jahr für die Berufsmeisterschaften im Bereich Informatik qualifiziert haben, macht ihn besonders stolz: «Es zeigt, dass wir auf dem richtigen Weg sind.» Seit 2016 führt der Basler das Förderungsprogramm durch. Die ersten Kinder, die davon profitierten, sind mittlerweile 18 Jahre alt – und befinden sich am Anfang ihres Berufslebens. Dabei steht ihnen eine ganze Palette von Betätigungen offen. Allein im Bereich der Informatik gibt es neun verschiedene Berufe. Dazu kommt eine Vielzahl von Jobs, in denen digitale Kompetenzen sehr gefragt sind und der Personalbedarf von Jahr zu Jahr steigt.

Für Schaub ist es ganz wichtig, dass sich der ICT Campus nicht an hochbegabte Kinder richtet. Im Gegenteil seien oft Schülerinnen und Schüler bei ihnen, die keinen Zugang zu einer höheren schulischen Ausbildung haben, die aber ein Talent besitzen, das in der Schule unentdeckt bleiben würde – auch weil die Lehrpersonen nicht über die nötigen Fachkenntnisse im IT-Bereich verfügen. Unter den rund 100 Kindern, die an diesem Morgen in Muttenz ihrer Arbeit mit höchster Konzentration nachgehen, befinden sich auch solche mit Asperger-Syndrom oder anderen Defiziten aus dem Autismus-Spektrum.

Rolf Schaub

«Wir wollen mit dem ICT Scouts/Campus dazu beitragen, dass die digitale Elite von morgen schon heute gefördert wird», so Programmleiter Rolf Schaub.

Roger Hofstetter

Kinder mit «digitalem Blut»

Die Scouts des ICT-Campus, eine Mischung aus IT-Fachkräften und Pädagogen, ziehen von Schule zu Schule und veranstalten Workshops, in denen sie gezielt nach Siebtklässlerinnen und Siebtklässlern suchen, die analytisch denken und handeln. Schaub spricht von Kindern «mit digitalem Blut». Am Campus erhalten sie die Gelegenheit, ihre Fähigkeiten auszuleben – an diesem Samstag beispielsweise mit dem Bau einer digitalisierten Kugelbahn. Auch die zwölf jährige Andrea sitzt konzentriert hinter ihrem Laptop: «Ich bin dabei, 3-D-Figuren zu erstellen.» Das sei unter anderem ein Bestandteil in der Game-Entwicklung.

Der leicht angegraute und ziemlich analoge Journalist geht staunend und beeindruckt durch die Räume. Er erlebt gerade den Zauber der Digitalisierung – und das immense Potenzial,das hinter dieser Entwicklung steckt.

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«Beitrag an die Wettbewerbsfähigkeit»

Als Chief Digital Officer Swisscom Group sitzt Roger Wüthrich-Hasenböhler am Puls der Digitalisierung. Und gibt in seinem Unternehmen Talenten eine Chance als Lehrlinge.


Herr Wüthrich-Hasenböhler, was fasziniert Sie am Projekt des ICT Scouts/Campus?
Es ist ähnlich organisiert wie im Fussball. Man spürt die Talente einfach nicht auf dem Fussballplatz auf, sondern in den Schulen und begeistert sie für das Thema Informatik. Im Campus finden sie ein Umfeld, ihr Talent in der Praxis zu entwickeln, Erfahrungen zu sammeln und Erfolgserlebnisse mit Gleichgesinnten zu feiern. Jeder Jugendliche, der eine Lehre in der ICT-Branche oder ein entsprechendes Studium macht, ist ein Beitrag an die künftige Wettbewerbsfähigkeit der Schweiz.

Wie werden die Schülerinnen und Schüler gezielt gefördert?
Zu Beginn bestreitet jedes Talent ein Basisprogramm, das Bestandteil des Aufnahmeverfahrens ist. Es gibt den Talenten die Gewissheit, dass der ICT Campus der richtige Ort ist. Sind die Talente erstmals so weit gekommen, können sie die Projekte frei wählen. Dazu besteht ein umfassendes Grundangebot aus der ICT-Welt bereit, wie etwa Webdesign, Gamedesign, Programmieren, Robotik bis hin zu Microcomputing. Alle Projekte sind altersgerecht ausgelegt und werden Schritt für Schritt oder ganz frei und kreativ umgesetzt. Im fortgeschrittenen Stadium können Talente auch völlig eigene Projekte angehen, wie etwa die Umsetzung eines Getränkeautomaten. Der Campus ist ein Ort, an dem Gleichaltrige und Gleichgesinnte zusammenkommen und sich austauschen können.

Realisieren eigentlich alle Kinder, dass sie ein Talent für IT/Kommunikation besitzen?
Vermutlich nicht direkt, wobei die Eltern und auch die Lehrpersonen hier sicher eine Rolle spielen, das Thema ICT ins Bewusstsein der Kinder und Jugendlichen zu bringen. Die ICT-Scouts haben den Vorteil, dass sie durch ihre Erfahrung relativ schnell erkennen, welche Kinder und Jugendliche Talent für das Thema haben.

Von Thomas Renggli am 9. Dezember 2022 - 10:56 Uhr