Annina Walt, in der SRF-Serie «Frieden» spielen Sie in einer Zeit, die 50 Jahre vor Ihrer Geburt war. Wie hatten Sie sich auf diese Rolle vorbereitet?
Ich hatte Zeitdokumente von 1945 und auch Filmmaterial, Werbungen und News von damals. So konnte ich sehen, wie sich die Leute damals bewegt und verhalten haben. Zudem las ich das Buch von Charlotte Weber «Gegen den Strom der Finsternis». Wie meine Rolle Klara arbeitete Weber in einem jüdischen Flüchtlingsheim. Und da Klara auch Lehrerin ist, sass ich in eine Schulklasse rein. Vieles ist aber auch Vorstellungskraft und Fiktion, ganz treffen wird man die Realität nie. Aber die Kostüme und das Setting vor Ort waren grosse Hilfen.
Was nahmen Sie anhand Ihrer Recherche über die damalige Zeit wahr?
Nach dem Zweiten Weltkrieg herrschte eine grosse Aufbruchsstimmung. Doch danach folgte die Konfrontation mit dem, was passiert ist. Das erlebt Klara hautnah mit im Heim für jüdische Flüchtlinge. Und sie muss lernen mit der Situation umzugehen. Es gab nach dem Zweiten Weltkrieg auch einen grossen Rückschritt im Bild der Frau. Schön sein, Heiraten, Haushalt. In anderen Ländern, die härter vom Krieg getroffen wurden, war dies anders.
Gibt es Parallelen zur heutigen Zeit?
Wir können aus der Geschichte von «Frieden» viel lernen, weil auch heutzutage nicht alles gut läuft. Es gibt Themen, die damals wie auch heute aktuell sind – zum Beispiel die Flüchtlingsthematik. Dass wir uns menschenwürdig verhalten, war damals und ist heute genauso wichtig.
Mögen Sie starke Frauenfiguren?
Ich möchte Figuren spielen, die ich vielseitig und interessant verkörpern kann. Ich gehe nicht an eine Rolle und sage, ich spiele jetzt eine starke Frauenfigur – da wäre ich ja bereits wieder in einem Klischee drin. Eine starke Frauenfigur entsteht durch eine vielseitige Darstellung.
«Ich beschäftige mich oft mit Rollen und Geschichten – und deshalb muss ich dann eher aufpassen, dass ich selber, in der Realität, dabei nicht auf der Strecke bleibe»
In was für einem Umfeld sind Sie aufgewachsen?
Nicht wie Klara wohlhabend und abgeschottet, sondern sehr normal mit einer sehr lieben und tollen Familie. Ich habe eine gute Kindheit gehabt. Mir wurde kein Weg vorgeschrieben, ganz im Gegenteil. Ich konnte immer das machen, was ich wollte und wurde dabei unterstützt. Heute existieren weniger Erwartungshaltungen an die Frau. Wir müssen nicht heiraten und dann Ehefrau sein. Doch meine Rolle Klara wird in dieser Geschichte auch erwachsen, eine Entwicklung, die ich selber auch durchgemacht habe. Lernen sich eine Meinung zu bilden, sich für etwas einsetzen, das man will. Das kennt jeder junge Mensch, unabhängig von der Zeit in die er geboren wurde. Ich habe die Freiheit meinen Weg zu finden und ihn zu gehen, muss ihn aber wie Klara auch selber finden.
Kennen Sie Ihren Weg?
Auf der Suche bin ich immer. Das ist auch gut so. Aber ich weiss, dass Schauspielerei das ist, was ich machen will. Mit 18, als ich die Schauspielausbildung begann, merkte ich, dass dies meine Leidenschaft ist, die ich zu meinem Beruf machen will.
Hilft das Schauspiel, um sich selber besser kennenzulernen?
Ich lerne vieles durchs Schauspiel, aber nicht zwingend über mich. Ich beschäftige mich oft mit Rollen und Geschichten – und deshalb muss ich dann eher aufpassen, dass ich selber, in der Realität, dabei nicht auf der Strecke bleibe. Junge Leute in meinem Umfeld setzen sich mit sich selbst und der Welt auseinander. Bei allen ist dies ein grosses Thema.
Die historische Dramaserie «Frieden» (8. bis 11. November, täglich zwei Folgen, SRF 1, 20.05 Uhr) erzählt vom Leben in der Schweiz nach dem Zweiten Weltkrieg.