Frisch aus dem Bett und «noch in Unterhose» meldet sich Patti Basler fürs Telefoninterview. «Ich habe im Bett Korrespondenz am Handy gemacht. Aber das mache ich auch sonst, das hat nichts mit der Coronakrise zu tun.» Dafür «Apocalypso TV». Die Aargauerin hat ihren Youtube-Channel wieder ins aktive Leben gerufen und produziert mit Bühnenpartner Philippe Kuhn aufklärende und humoristische Videos rund um den aktuellen Notstand.
Patti Basler, was hat Sie zu «Apocalypso TV» veranlasst?
So blöd es tönt, sehe ich unsere Aufgabe nebst Unterhaltung und Beruhigung in der Information. Es gibt wirklich viele Leute, die glauben, dass alles nicht so schlimm ist. Dabei wirds noch schlimmer, bevors besser wird. Und ich weiss – da ich die einzige Zuschauerin bin, die noch SRF und so Quizshows schaut –, dass die Leute ihr Mathewissen von der Oberstufe nicht mehr haben. Exponentielle Kurve berechnen, was für mich als Erziehungswissenschaftlerin zum Alltag gehörte, ist bei den Leuten nicht in den Köpfen. Und da spüre ich die Lehrerin in mir. Mein innerer Sauhund hat angefangen zu bellen und zu knurren und sagte: Lass mich raus und mach Volkserziehung!
Sie haben sich in einem Video direkt an die Alten gerichtet.
Das war wirklich so gemeint. Jetzt haben wir den Urnengang extra verschoben und es gibt keinen Grund mehr für Senioren rauszugehen, sonst kommt die Urne von alleine. Das ist zwar ein Wortspiel und ich bin immer dafür, dass man noch einen Witz machen darf, aber hier geht es um etwas Ernstes. Wer die Bilder von den italienischen Sterbehallen gesehen hat, in denen die intubierten Leute wie aufgereihte Poulets liegen – dann ist das so verstörend, so will niemand sterben und das wünscht man niemandem.
Als ehemalige Lehrerin haben Sie an die Eltern und Pädagogen appelliert, es easy mit dem Homeschooling und den Kindern zu nehmen.
Ich wollte sie alle erstmals beruhigen. Sie sollen jetzt schauen, dass die Schüler das Lesen, Schreiben und Rechnen nicht verlernen. Alles andere ist im Moment halb so wild. Es geht um Leben und Tod, um unsere Gesundheit. Ob jetzt die Matheprüfung gemacht wird oder nicht, sollte man mit Humor und Gelassenheit nehmen.
Sie sind auch Soziologin. Wie verhalten sich zur Zeit Herr und Frau Schweizer in den vier Wänden?
Der Pornokonsum wird bei verheirateten Paaren abnehmen, sie sind ja jetzt beide daheim. Dafür haben sie vielleicht wieder einmal zusammen Sex. Wenn masturbieren schwieriger wird, dann zieht man vielleicht wieder eine lebendige Person, die im Raum anwesend ist, in Erwägung fürs Vergnügen.
Das ist die romantische Vorstellung.
Die häusliche Gewalt wird auch zunehmen, leider. Das enge Zusammensein führt zu Rollenkonflikten. Ist man jetzt Ehe- oder Berufsmann. Bin ich gerade die Lehrerin oder das liebende Mami, oder beides? Das Lustige ist dann, dass der grösste Rollenkonflikt immer noch der ist, ob es genügend WC-Rollen hat.
Wie erklären Sie sich die WC-Papier-Hamsterkäufe?
Es ist für mich das verständlichste Phänomen von allen. WC-Papier hat kein Verfallsdatum. Und wenn jetzt alle Schüler zuhause ihr Geschäft erledigen und die Frauen nicht mehr fremdmenstruieren, dann steigt der Privatgebrauch enorm. Riesige Vorräte an WC-Papier schlummern im Moment in den Schulen und Firmen in diesem Land. Ungenutzte Schätze. Schulabwarte haben eine Schlüsselposition. Denn die haben den Schlüssel zu diesen Schatzkammern gefüllt mit weissem Gold.
Was haben Sie vorrätig?
Ich habe ja schon lange auf die Gefahr eines möglichen Lockdowns hingearbeitet. Und ich habe das direkt am Körper angelegt. Wo andere ihre Kalorien im Keller oder im Tiefkühler haben, habe ich sie direkt in den Fettzellen gespeichert und kann jetzt fasten und sicher ein halbes Jahr davon zehren. Es ist Fastenzeit und ich bin katholisch, es passt tiptop.
An was haben Sie Not?
Freundschaftliche Umarmungen fehlen mir ä chli. Das ist tatsächlich im Theater so. Es ist ein sehr körperlicher Job und man gewöhnt sich an die Umarmungen, Küssli hier, Küssli da. Aber auch Applaus, das Publikum, das Live-Auftreten. Wir Bühnenkünstler machen’s ja nur für die Liebe.
Die Coronakrise bringt ein paar Köpfe hervor, wen …
… Daniel Koch vom BAG. Er ist nicht Politiker, sondern einer, der seinen Job macht, der etwas versteht, der weiss, wovon er redet und der keiner politischen Agenda oder Parteipolitik folgt. Er informiert ganz klar und ruhig. Und wenn irgendjemand einen Scheiss rauslässt, sagt er einfach: «Nein, da haben Sie nicht recht».
Wer aus dem Bundesrat macht gerade die gesündeste Figur?
Simonetta Sommaruga machts gut, Berset machts gut. Auch Viola Amherd. Für sie ist das jetzt ein Lackmustest. Von Karin Keller-Sutter habe ich nicht so viel gesehen. Und ist Ignazio Cassis auch noch Bundesrat? Von ihm habe ich nichts mehr gehört, ihn brauchts wie nicht. Ist er wohl gar nicht systemrelevant? In Alain Berset habe ich mich hingegen ein bisschen verliebt.
Eine Folge von «Social Distancing»?
Wahrscheinlich passiert nun so Zeugs. Er hat sich aktiv dagegen entschieden, das AHV-Problem auf einene Schlag zu lösen, sondern lieber die Pandemie in den Griff zu bekommen. Ich empfinde ihn als meinen Landesvater, als Vaterfigur – obwohl wir fast gleich alt sind.
Was ruft der Begriff «Social Distancing» bei Ihnen hervor?
Künstler-Kollegen von mir, Pasta del Amore, haben das super visualisiert. Sie haben «Social Tischdancing» gemacht. Sie sind auf zwei Tischen, die weit auseinander stehen und tanzen auf ihnen gemeinsam auseinander. Das finde ich wunderschön. Aber diese soziale Distanz ist für mich sowieso schwierig, ich bin ja so bisschen ausladend gebaut. Das heisst, ich muss noch viel weiter wegstehen, damit meine äusserste periphere Zone vom Körper nicht näher als zwei Meter in der Aura des Nächsten ist.
Ist Kabarett eigentlich systemrelevant?
Meine Existenzberechtigung als Kabarettistin und Satirikerin ist es zu sagen: Verliert nicht den Humor, denn der gehört auch zur seelischen Gesundheit. Der letzte Virusschleim, den wir bronchial aushusten, den müssen wir noch mit einer Pointe würzen – auf dem Sterbebett.