Ein letztes Mal quatschen mit den Pistenarbeitern am Lauberhorn. Fans in «Danke Beat»-Leibchen. Tochter Clea die in der Lauberhorn-Woche überall dabei ist, beim Hundschopf zuschaut, ihrem Papa im Zielraum nachläuft, bei der Bühne vor Tausenden Fans abends auf dem Dorfplatz in Wengen BE auf seinem Arm sitzt. «Es sind sicher Emotionen da», sagt Beat Feuz (37) und versucht dennoch, kein zu grosses Brimborium daraus zu machen. «Die Familie hier im Ziel zu haben, hat mich am allermeisten gefreut.» Und natürlich die «Beat»-Rufe überall. «Das zeigt, welche Emotionen ich in den letzten zehn, fünfzehn Jahren in die Stuben gebracht habe.»
Sechs Sekunden Rückstand am Lauberhorn
Bevor er in Kitzbühel (Ö) die Karriere beendete, hat sich Beat Feuz vom Lauberhorn verabschiedet, seinem Lieblingsrennen, seinem Wohnzimmer auf Schnee. Fast 50-mal ist er die Strecke seit 2003 hinuntergefahren. Beim ersten Weltcup war es noch keine Liebe: Rang 42 im Jahr 2010, sechs Sekunden hinter Sieger Carlo Janka, ebenfalls Debütant. Heute aber ist Feuz der erfolgreichste Abfahrer am Lauberhorn und auch abseits einer der besten der Geschichte: 47 Abfahrtspodestplätze hat ausser ihm keiner erreicht.
«Beat ist eine coole Socke. Ich habe ihn noch nie im Stress gesehen»
Ramon Zenhäusern, Slalomfahrer
Was von seiner Karriere bleibt, sind aber nicht nur die nackten Zahlen. Es ist das Gefühl, das Feuz beim Publikum hinterlassen hat. Jenes von Leichtigkeit auf Schnee, von Gemütlichkeit daneben. Vielleicht wollte man eher ein Bier mit ihm trinken, als ihn anzuhimmeln. Obwohl er auf den Ski selbstredend begeisterte. «Er ist eine Einheit mit der Natur und der Piste», sagte Altmeister Karl Frehsner (85) einmal. «Er sieht das Gelände an und hat das im Gefühl: In dem Moment muss er drücken, in jenem gibt er nach. Wie eine Kugel, die über das Gelände hinunterrollt.» Eine rare Fähigkeit, die dem Emmentaler in seiner Karriere oft zugutekam: nicht nur bei Fahrten, bei denen Hundertstel über Siege entschieden. Sondern auch nach seinen Verletzungen, wo er oft trotz körperlichen Einschränkungen verblüffend schnell wieder zurück bei den Besten war.
«Was mir bleibt, ist unsere Freundschaft. Ich freute mich immer, ihn zu sehen»
Kjetil Jansrud, norwegischer Ex-Skiprofi
Selbst bei der Rückkehr nach der dramatischen Knieinfektion 2012, als er um seine Karriere bangt, fährt er beim dritten Rennen nach langer Pause auf den sechsten Rang. Später hilft er dem Kroaten Ivica Kostelic mit seiner Erfahrung und Ratschlägen, als dieser dasselbe Knieproblem hat. «Wir haben mehrmals telefoniert. Und was er voraussagte, ist genau so eingetroffen. Es war sehr hilfreich.» Kostelic ist nicht der einzige internationale Konkurrent, der von Feuz in den höchsten Tönen spricht. Der Norweger Kjetil Jansrud teilte viele Podien mit Feuz, er erinnert sich, wie «das totale Chaos» ausbrach beim ersten Wengen-Sieg und wie er sich für Feuz freute. «Was mir bleibt, ist unsere Freundschaft. Er ist ein super ausgeglichener Typ, einer von den Jungs, auf die ich mich immer gefreut habe.» Diese Gelassenheit, vielleicht auch Einfachheit, die ihn so beliebt macht, zeichnete Beat Feuz in seiner gesamten Karriere aus. Ihn aus der Ruhe bringen? Schwierig.
Sandro Viletta war Feuz’ Zimmerkollege bei dessen erstem Lauberhornsieg 2012. Nach der Pistenbesichtigung verbringen die Athleten nochmals ein wenig Zeit im Hotel, und als Viletta zurück ins Zimmer kommt, schläft Feuz tief und fest – anderthalb Stunden lang! Danach fährt er auf den Berg und gewinnt das Rennen. «Das ist sein Charakter», sagt Viletta lachend.
Joggen oder Casino?
Den grossen Siegeswillen darf man bei aller Gemütlichkeit, die Feuz ausstrahlt, nicht unterschätzen. Doch dauert es ein paar Jahre, bis er sich nicht zuletzt durch seine langjährige Lebenspartnerin Katrin Triendl (37) einen seriösen und profiwürdigen Lebensstil aneignet. Ex-Skifahrer Marc Berthod erinnert sich an ein Trainingslager im argentinischen Ushuaia, es mag rund zwölf Jahre her sein. In der Hotellobby trifft er auf Feuz. «Was machst du?» – «Ich gehe locker joggen. Und du?» – «Ich auch.» Zehn Minuten später laufen sie sich im Casino über den Weg.
Es sind die jungen Jahre, in denen er vom Talent zehrt und das Rundherum noch nicht so ernst nimmt. Allerlei Schabernack treibt. Aber die Voraussetzungen sind eben gegeben. Mit 23 Monaten steht Beat erstmals auf Ski – klar, sein Vater Hans ist der Betriebsleiter des Skilifts, der neben ihrem Haus in Schangnau BE läuft. Schon mit zehn fährt er schneller als der Papa. Bei einem Skiklubrennen wollte der Senior beweisen, dass er die Nase noch vorne hat. «Ich gab Vollgas, aber dann hat es mich gottsjämmerlich an den Ranzen gestellt», blickte er in der Schweizer Illustrierten mal zurück. «Da wusste ich: Das wars!»
Auch die Menschen, die Beat Feuz bis heute beruflich begleiten, erinnern sich an die Anfänge. Schon als 13-, 14-Jähriger sei er der Leader gewesen, erzählt Swiss-Ski-Präsident Urs Lehmann, in dessen Abfahrtskurse Feuz damals die ersten Speedversuche gemacht hat. «Man wusste: Der weiss, was er will, war aber auch ein Schlitzohr im positiven Sinne, für Spässchen aufgelegt.» Als der heutige Alpin-Direktor Walter Reusser als junger Trainer den 16-jährigen Feuz zum ersten Mal in einem Speedkurs in Zermatt sieht, rast dieser den ganzen Steilhang in der Hocke runter. Er fragt die anderen Trainer, wer das sei. «Das ist Feuz, der ist verrückt», ist die Antwort.
«Man wusste da schon: Er weiss, was er will, ist aber auch zu Spässchen aufgelegt»
Urs Lehmann, Swiss-Ski-Präsident
Und doch weiss Beat Feuz fast immer sehr genau, was er macht. Was es leiden mag auf der Strecke. Steht so zentral und damit sicher wie kein anderer auf den Ski. Und während er Topklassierung um Topklassierung einfährt, bleibt er auch neben der Piste seiner Linie treu. Auf mehr Sponsoringpartner und damit mehr Einkommen verzichtet er, weil sich Aufwand und Ertrag für ihn nicht rechnen. Er will mehr Zeit für die Familie, das Golfen, das Tennis. Leben und geniessen in seiner Wahlheimat Österreich, wo die Trophäen im neuen Haus in die Wand integriert sind.
«Wir sehen uns wieder»
Nun ist Beat Feuz also im Ziel-S seiner Karriere angelangt. Die Rennen in Bormio Ende Dezember, die er krankheitshalber verpasste, habe er ohne Wehmut auf dem Sofa verfolgt. «Das ist ein gutes Zeichen für mich.» Er ist bereit für den Rücktritt. Dem Skisport würde er gern erhalten bleiben, hat er in Wengen erzählt. Wie sagte er an seiner allerletzten Siegerehrung auf dem Dorfplatz zu den Fans? «Wir sehen uns wieder. Einfach nicht hier auf dieser Bühne.»