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Rücktritt von Beat Feuz

Abfahrt in ein neues Leben

Nach 16 Jahren im Weltcup beendete einer der erfolgreichsten Schweizer Speedfahrer seine Karriere. In Erinnerung bleiben seine Leichtigkeit auf der Piste und seine Gemütlichkeit daneben. Wegbegleiter blicken zurück.

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Foto: Benjamin Soland, 14.1.2023, Wengen: Lauberhorn Abfahrt Männer. Beat Feuz (Sui) nach seiner letzen Abfahrt am Lauberhorn mit seiner Familie, Partnerin Katrin Triendl, Tochter Clea und Tochter Luisa.

«Die Familie hier zu haben, hat mich am meisten gefreut»: Beat Feuz mit Katrin Triendl und ihren Töchtern Clea und Luisa (r.).

Benjamin Soland

Ein letztes Mal quatschen mit den Pistenarbeitern am Lauberhorn. Fans in «Danke Beat»-Leibchen. Tochter Clea die in der Lauberhorn-Woche überall dabei ist, beim Hundschopf zuschaut, ihrem Papa im Zielraum nachläuft, bei der Bühne vor Tausenden Fans abends auf dem Dorfplatz in Wengen BE auf seinem Arm sitzt. «Es sind sicher Emotionen da», sagt Beat Feuz (37) und versucht dennoch, kein zu grosses Brimborium daraus zu machen. «Die Familie hier im Ziel zu haben, hat mich am allermeisten gefreut.» Und natürlich die «Beat»-Rufe überall. «Das zeigt, welche Emotionen ich in den letzten zehn, fünfzehn Jahren in die Stuben gebracht habe.»

Sechs Sekunden Rückstand am Lauberhorn

Bevor er in Kitzbühel (Ö) die Karriere beendete, hat sich Beat Feuz vom Lauberhorn verabschiedet, seinem Lieblingsrennen, seinem Wohnzimmer auf Schnee. Fast 50-mal ist er die Strecke seit 2003 hinuntergefahren. Beim ersten Weltcup war es noch keine Liebe: Rang 42 im Jahr 2010, sechs Sekunden hinter Sieger Carlo Janka, ebenfalls Debütant. Heute aber ist Feuz der erfolgreichste Abfahrer am Lauberhorn und auch abseits einer der besten der Geschichte: 47 Abfahrtspodestplätze hat ausser ihm keiner erreicht.

Beat Feuz 2017

Er kann auch James Bond: Feuz 2017 bei einem Fotoshooting für SI SPORT bei der Monte-Rosa- Hütte oberhalb von Zermatt.

Fabienne Bühler

«Beat ist eine coole Socke. Ich habe ihn noch nie im Stress gesehen»

Ramon Zenhäusern, Slalomfahrer

Was von seiner Karriere bleibt, sind aber nicht nur die nackten Zahlen. Es ist das Gefühl, das Feuz beim Publikum hinterlassen hat. Jenes von Leichtigkeit auf Schnee, von Gemütlichkeit daneben. Vielleicht wollte man eher ein Bier mit ihm trinken, als ihn anzuhimmeln. Obwohl er auf den Ski selbstredend begeisterte. «Er ist eine Einheit mit der Natur und der Piste», sagte Altmeister Karl Frehsner (85) einmal. «Er sieht das Gelände an und hat das im Gefühl: In dem Moment muss er drücken, in jenem gibt er nach. Wie eine Kugel, die über das Gelände hinunterrollt.» Eine rare Fähigkeit, die dem Emmentaler in seiner Karriere oft zugutekam: nicht nur bei Fahrten, bei denen Hundertstel über Siege entschieden. Sondern auch nach seinen Verletzungen, wo er oft trotz körperlichen Einschränkungen verblüffend schnell wieder zurück bei den Besten war.

Beat Feuz in St. Moritz 2017

Der König: In St. Moritz wird Feuz 2017 am Tag nach seinem 30. Geburtstag Weltmeister in der Abfahrt.

Kurt Reichenbach

«Was mir bleibt, ist unsere Freundschaft. Ich freute mich immer, ihn zu sehen»

Kjetil Jansrud, norwegischer Ex-Skiprofi

Selbst bei der Rückkehr nach der dramatischen Knieinfektion 2012, als er um seine Karriere bangt, fährt er beim dritten Rennen nach langer Pause auf den sechsten Rang. Später hilft er dem Kroaten Ivica Kostelic mit seiner Erfahrung und Ratschlägen, als dieser dasselbe Knieproblem hat. «Wir haben mehrmals telefoniert. Und was er voraussagte, ist genau so eingetroffen. Es war sehr hilfreich.» Kostelic ist nicht der einzige internationale Konkurrent, der von Feuz in den höchsten Tönen spricht. Der Norweger Kjetil Jansrud teilte viele Podien mit Feuz, er erinnert sich, wie «das totale Chaos» ausbrach beim ersten Wengen-Sieg und wie er sich für Feuz freute. «Was mir bleibt, ist unsere Freundschaft. Er ist ein super ausgeglichener Typ, einer von den Jungs, auf die ich mich immer gefreut habe.» Diese Gelassenheit, vielleicht auch Einfachheit, die ihn so beliebt macht, zeichnete Beat Feuz in seiner gesamten Karriere aus. Ihn aus der Ruhe bringen? Schwierig.

Beat Feuz mit seinen Eltern

2006 erhält Beat Feuz im Beisein seiner Eltern Hedi und Hans den Nachwuchspreis der Schweizer Sporthilfe – unter anderem für Slalom-Bronze an der Junioren-WM 2005.

Bruno Voser

Sandro Viletta war Feuz’ Zimmerkollege bei dessen erstem Lauberhornsieg 2012. Nach der Pistenbesichtigung verbringen die Athleten nochmals ein wenig Zeit im Hotel, und als Viletta zurück ins Zimmer kommt, schläft Feuz tief und fest – anderthalb Stunden lang! Danach fährt er auf den Berg und gewinnt das Rennen. «Das ist sein Charakter», sagt Viletta lachend.

Joggen oder Casino?

Den grossen Siegeswillen darf man bei aller Gemütlichkeit, die Feuz ausstrahlt, nicht unterschätzen. Doch dauert es ein paar Jahre, bis er sich nicht zuletzt durch seine langjährige Lebenspartnerin Katrin Triendl (37) einen seriösen und profiwürdigen Lebensstil aneignet. Ex-Skifahrer Marc Berthod erinnert sich an ein Trainingslager im argentinischen Ushuaia, es mag rund zwölf Jahre her sein. In der Hotellobby trifft er auf Feuz. «Was machst du?» – «Ich gehe locker joggen. Und du?» – «Ich auch.» Zehn Minuten später laufen sie sich im Casino über den Weg.

Beat Feuz und Carlo Janka 2014

Die Weggefährten Carlo Janka (l.) und Feuz trennen nur vier Monate. Poker war früher hoch im Kurs in ihrer Trainingsgruppe. Hier ein inszeniertes Spiel 2014 in der Metro Bar in Saas Fee VS. 

Fabienne Bühler

Es sind die jungen Jahre, in denen er vom Talent zehrt und das Rundherum noch nicht so ernst nimmt. Allerlei Schabernack treibt. Aber die Voraussetzungen sind eben gegeben. Mit 23 Monaten steht Beat erstmals auf Ski – klar, sein Vater Hans ist der Betriebsleiter des Skilifts, der neben ihrem Haus in Schangnau BE läuft. Schon mit zehn fährt er schneller als der Papa. Bei einem Skiklubrennen wollte der Senior beweisen, dass er die Nase noch vorne hat. «Ich gab Vollgas, aber dann hat es mich gottsjämmerlich an den Ranzen gestellt», blickte er in der Schweizer Illustrierten mal zurück. «Da wusste ich: Das wars!»

Kathrin Triendl und Kinder. Lauberhornrennen 2023. Abfahrt am Samstag 14.01.23. ©David Birri

Die grössten Fans: Clea, Katrin und Luisa (v. l.) während Beats letzter Fahrt am Lauberhorn.

David Birri

Auch die Menschen, die Beat Feuz bis heute beruflich begleiten, erinnern sich an die Anfänge. Schon als 13-, 14-Jähriger sei er der Leader gewesen, erzählt Swiss-Ski-Präsident Urs Lehmann, in dessen Abfahrtskurse Feuz damals die ersten Speedversuche gemacht hat. «Man wusste: Der weiss, was er will, war aber auch ein Schlitzohr im positiven Sinne, für Spässchen aufgelegt.» Als der heutige Alpin-Direktor Walter Reusser als junger Trainer den 16-jährigen Feuz zum ersten Mal in einem Speedkurs in Zermatt sieht, rast dieser den ganzen Steilhang in der Hocke runter. Er fragt die anderen Trainer, wer das sei. «Das ist Feuz, der ist verrückt», ist die Antwort.

Beat Feuz Abschied

Das letzte Glanzstück seiner Karriere: Feuz bestaunt seine Olympia-Goldmedaille von Peking 2022.

Adrian Bretscher

«Man wusste da schon: Er weiss, was er will, ist aber auch zu Spässchen aufgelegt»

Urs Lehmann, Swiss-Ski-Präsident

Und doch weiss Beat Feuz fast immer sehr genau, was er macht. Was es leiden mag auf der Strecke. Steht so zentral und damit sicher wie kein anderer auf den Ski. Und während er Topklassierung um Topklassierung einfährt, bleibt er auch neben der Piste seiner Linie treu. Auf mehr Sponsoringpartner und damit mehr Einkommen verzichtet er, weil sich Aufwand und Ertrag für ihn nicht rechnen. Er will mehr Zeit für die Familie, das Golfen, das Tennis. Leben und geniessen in seiner Wahlheimat Österreich, wo die Trophäen im neuen Haus in die Wand integriert sind.

«Wir sehen uns wieder»

Nun ist Beat Feuz also im Ziel-S seiner Karriere angelangt. Die Rennen in Bormio Ende Dezember, die er krankheitshalber verpasste, habe er ohne Wehmut auf dem Sofa verfolgt. «Das ist ein gutes Zeichen für mich.» Er ist bereit für den Rücktritt. Dem Skisport würde er gern erhalten bleiben, hat er in Wengen erzählt. Wie sagte er an seiner allerletzten Siegerehrung auf dem Dorfplatz zu den Fans? «Wir sehen uns wieder. Einfach nicht hier auf dieser Bühne.»

Von Eva Breitenstein am 22. Januar 2023 - 08:00 Uhr