Manchmal fällt die Liebe dorthin, wo man sie nicht erwartet. Philipp Fankhauser, 57, träumte mal von einem Haus am See. Dass er sein Herz an eine Wohnung mitten in einem Industriegebiet verlieren würde, hätte der bekannteste Schweizer Bluesmusiker nicht gedacht. Aber 190 Quadratmeter Wohnfläche, eine riesige Terrasse und eine Weitsicht in die Alpen machen das fehlende Wasser mehr als wett. «Und unsere Nachbarn sind sehr angenehm und vollkommen ruhig», schmunzelt Fankhauser mit einem Blick aus der grossen Fensterfront. Nebenan liegt der Friedhof.
Über diesen trippelt grad Trevor. Philipp öffnet das Fenster und ruft: «Trevor, heimkommen!» Der sechsjährige Mops spitzt die Ohren, rennt ins Haus und steht Sekunden später im Wohnzimmer. «Er geht lieber allein spazieren. Er dreht seine Runde und kommt wieder heim», erklärt Fankhauser. Ausser mit dem Hund, dem «Chef im Haus», teilt der Musiker sein Daheim seit vier Jahren mit einem lieben Freund und Wohnpartner. Heute ist noch Lucky Wüthrich, 25, hier. Der Blueser aus Philipps Heimatstadt Thun ist das erste Nachwuchstalent, das Fankhauser für sein eigenes Label Funk House Blues Productions unter Vertrag nimmt. Noch vor Ende Jahr soll Luckys erstes Album erscheinen. Im Musikzimmer im untersten Stock arbeiten die beiden daran.
Ganz unbekannt dürfte Luckys Stimme den Fankhauser-Fans nicht sein. Auf der Vinylausgabe seines letzten Albums «Let Life Flow» singen die beiden den Hanery-Amman-Song «Chasch Mers Gloube» im Duett. Jene CD ist als bestes Album für den Swiss Music Award (SMA) nominiert (26. Februar, 20.15 Uhr auf 3+). Eine zweite Nomination hat er als «Best Male Act» geholt. «Natürlich freue ich mich. Es ist eine schöne Anerkennung für 35 Jahre auf der Bühne und zeigt, dass handgemachte, authentische Musik auch heute noch geschätzt wird.» Einen SMA hat er bereits, drei weitere Male wurde er nominiert.
Preise sind schön. Aber sie ersetzen nicht die Bühne. Sie sei eigentlich sein wahres Zuhause, sagt Philipp Fankhauser. Deshalb fühlt er sich im Moment auch gerade ein bisschen «deheimelos».
60 Auftritte muss er vergangenen Frühling absagen. Von März bis Mai 2020 verschanzt er sich mehr oder weniger in seiner Wohnung. Zwar attestiert sich der «zum Glücklichsein tendierende Pessimist» selbst «hypochondrische Züge». Doch was das Virus anbelangt, ist Vorsicht in seinem Fall gerechtfertigt. Philipp leidet seit frühester Jugend an Morbus Bechterew, einer chronischen Entzündung der Wirbelsäule, die zu Verknöcherungen führen kann. «Meine Beweglichkeit ist stark eingeschränkt, aber sonst habe ich die Krankheit gerade gut im Griff und kaum Schmerzen.» Aber nur schon Socken anziehen kann je nach Tagesform eine schwierige Aufgabe sein.
Apropos Socken: Der ehemalige «The Voice»-Coach stellt in Zusammenarbeit mit Blacksocks unter dem Label Funky Socks seine eigene Fussbekleidung her. Ebenfalls aus dem Haus Fankhauser gibts den Big Easy Unsweetened Iced Tea. Kaffee mag er nicht. Wie man die Maschine in der Küche bedient, weiss Philipp zwar. Auch am Herd versucht er sich ab und zu. Meist überlässt er das Kochen aber seinem Wohnpartner, schliesslich ist der ausgebildeter Koch. Dafür macht Philipp danach den Abwasch und bringt den Müll raus.
Nur einer hat ausschliesslich Rechte und keine Pflichten in der Männer-WG: Trevor. Während der Mops draussen lieber allein unterwegs ist, weicht er seinem Herrchen in der Wohnung kaum von der Seite.
Vom Sofa klingt ein leises Schnarchen. Trevor ist eingeschlafen. Er fühlt sich in dem Sammelsurium an Möbeln und Gegenständen – vieles davon stammt von Philipps Familie – genauso wohl wie dieser selbst. «Ich kann mir gut vorstellen, hier alt zu werden», meint Fankhauser. Auch wenn man vom Bad aus auf den Flughafen-Tower sieht statt auf die sanften Wellen des Zürichsees. Zu Hause ist eben da, wo das Herz ist. Und der Mops schnarcht.