Dass sie keine 20 oder 30 mehr ist, hat Sonja Nef, 49, immer dann deutlich vor Augen, wenn sie mit den Müttern der Schulgspänli ihres Jüngsten, Julian, 8, zusammentrifft. «Die sind alle so jung. Als ich Julian bekam, war ich bereits 41 Jahre alt.» Mit 25, als ihre Mutter den 50. Geburtstag feierte, habe sie sich noch gedacht, dass das ganz schön alt sei. «Jetzt bin ich selbst 50, fühle mich aber nicht alt», sagt die ehemalige Riesenslalom-Weltmeisterin lachend. Die 50 erscheint höchstens vor ihrem inneren Auge, wenn sie beim Kleiderkauf ist. «Da frage ich mich ab und zu: Kann ich das noch tragen mit 50?» Nicht nur Sonjas Älteste, Sophia, die im November 16 wird, findet, dass ihre Mutter «ganz okay» und jung geblieben ist, auch Ehemann Hans, 54, gebürtiger Salzburger, sagt mit dem für ihn typischen österreichischen Charme: «Mei Sonja ist noch immer a fesches Maderl.»
Sonja Nef, was ist das Schönste an 50?
U lässig find ichs ja nicht grad, dass ich 50 werde. Aber es ist nun mal so.
Wie alt wären Sie denn gern für immer?
Da würde ich sofort sagen: 20!
Sicher?
(Lacht.) Ja, 20, finde ich, wäre echt cool, allerdings mit meiner heutigen Lebenserfahrung.
Sonja Nef blickt auf einen reichen Erfahrungsschatz zurück. Dass sie sich als Spitzensportlerin verwirklichen konnte, dafür empfindet sie bis heute tiefe Dankbarkeit. Nicht nur ihren Eltern gegenüber, auch den Ärzten, die ihr nach Problemen mit dem Knie und einem darauffolgenden längeren Leidensweg wieder auf die Beine verhalfen – und so zu ihren grössten sportlichen Erfolgen beigetragen haben: Gold im Riesenslalom bei den alpinen Skiweltmeisterschaften 2001 im österreichischen St. Anton, im Jahr darauf Olympia-Bronze im amerikanischen Salt Lake City.
Als Nef 2006 im Alter von 33 Jahren ihren Rücktritt verkündete, blickte sie auf 15 Einzel-Weltcupsiege zurück. «Für mich war damals klar, wenn ich aufhöre, mache ich diese Tür zu hinter mir.» Obwohl es entsprechende Angebote gab, sieht Sonja ihre Zukunft einzig fernab vom Skizirkus. Weder strebt sie eine zweite berufliche Karriere an, noch will sie Co-Kommentatorin beim Fernsehen werden. «Ich stand bis dahin gern im Mittelpunkt, habe es auch genossen und ausgelebt.» Während Jahren habe sich alles ausschliesslich um sie gedreht. «Für mich wars an der Zeit, etwas zurückzugeben – auch meinem Hans.» Drei Kinder schenkt sie ihrem Mann: Sophia, 15, Anna, 14, und Julian, 8.
Sonja Nef, Sie sind seit 28 Jahre ein Paar, elf davon verheiratet. Andere in Ihrem Alter trennen sich da!
Als wir 1994 zusammenkamen, war unser Leben stressig. Ständig auf Achse, dann kamen die Kinder; und alle Eltern wissen, da bleibt kaum Zeit für die Partnerschaft. Jetzt geniessen wir die Zeit für uns, weil die Kinder grösser, vernünftiger und reifer werden, damit auch mehr Verantwortung übernehmen. Hans und ich können jetzt abends auch beruhigt nur als Paar zum Essen ausgehen, weil wir wissen, dass sich Sophia und Anna um ihren Bruder kümmern, Julian zu Bett bringen, auf ihn aufpassen. Sind alle drei in der Schule, geniessen Hans und ich ab und zu daheim unsere Sauna und genehmigen uns danach zum Frühstück vielleicht auch mal ein Gläschen Prosecco.
Apropos Prosecco: Feiern Sie Ihren 50.?
Am 19. April ist bei uns für Familie und Freunde Tag der offenen Tür. Wer will, schneit einfach herein. Ein Fest folgt im Sommer. Wir sind spontan. Lange im Voraus planen ist nicht unser Ding. Schon zur Hochzeit haben Hans und ich erst sechs Wochen vor dem Jawort eingeladen.
Und was wünschen Sie sich?
Ich habe alles! Gesunde Kinder, ein privilegiertes Leben. Ich kenne andere im Bekanntenkreis, die mit Krankheiten und sonstigen Problemen kämpfen. Ich bin sehr, sehr dankbar, wie es ist bei uns.
Keine Geschenke?
Im Keller steht schon mein neues Velo; Hans und ich kauften uns kürzlich wieder Rennräder. Früher fuhren wir gemeinsam um den Bodensee, zum Training. Jetzt radeln wir aus Lust an der Freude, um fit zu bleiben – und sicher werden wir im Gegensatz zu früher auch mal bei einer Beiz haltmachen. Aber erst muss Hans noch die Pedalen an den Rädern montieren, fällt mir gerade ein (lacht).
Laut einer Statistik der Uni Bern ist die Lebenszufriedenheit zwischen 45 und 50 am geringsten. Davon ist bei Sonja Nef nichts zu spüren. «Midlife-Crisis? Die hatte ich mit 30», sagt sie lachend. Dass sie mit sich, dem Leben und ihrer Familie zufrieden ist, strahlt sie aus. Sogar Tochter Sophia findet: «Sie hat sich gebessert, früher war Mama viel strenger.» – «Du warst auch anstrengender und trotziger», frotzelt Sonja. Sophia lächelt verschämt. Sonja blickt sie gedankenversunken an. «In zwei Jahren darf sie Auto fahren, geht dann ihre eigenen Wege. Das stimmt mich wehmütig.» Manchmal würde Sonja gern die Zeit anhalten. Weil die gemeinsame Zeit mit den Kindern davonrennt. «Ich muss lernen loszulassen.»
Sonja erlebt also bald genau den runden Geburtstag, den ihre Mutter Frieda beging, als sie von ihrer 25-jährigen Tochter für «alt» befunden wurde. «Jetzt ist mein Mami 74. Sie schmeisst den Haushalt noch selbst, kümmert sich um ihren Garten. Tief getroffen hat Sonja vor fünf Jahren der Tod von Papa Willi, der mit 73 einem Krebsleiden erlag. «Das war hart für mich, hat sehr wehgetan. Er fehlt mir bis heute. Mein Papa war ein sehr wichtiger Mensch in meinem Leben.»
Eine letzte Frage, Sonja Nef: Sind Sie mit 50 ein besserer Mensch?
Besser würde ich nicht sagen. Aber einer mit sehr viel Erfahrung. Wenn ich zurückdenke, kommen mir Sachen in den Sinn, die sind mir heute echt peinlich.