Eine Sängerin liegt im Garten ganz still und stumm. Sie hat vor lauter Blumen viel Farbe um sich rum. «Gärtner sind eher schweigsame Leute», sagt Steff la Cheffe. «Nicht viel reden, sondern machen.» Seit knapp zwei Jahren besitzt die 33-jährige Bernerin einen Schrebergarten. Von der Beatboxerin zum Bünzli? «Genau, ich nenne es meinen Strebergarten.»
Während des Lockdown hat die Sängerin hier ihre Tatkraft investiert, vier Kubikmeter Erde anliefern lassen, um das Fundament für eine gute Ernte zu legen. «Es hat etwas Therapeutisches, dass ich ein Stückchen Land habe, wo ich arbeiten kann. Es ist wohltuend für Körper, Seele, Geist.» Ihre ersten Monate als Schrebergärtnerin hat die «Ha ke Ahnig»-Musikerin vor allem gesessen, gespürt und beobachtet. Wie verlaufen die Sonne und der Schatten? Wo ist der beste Platz für welche Pflanze? «Wenig kam gut, davon die Gladiole.»
Einen Song auf ihrem neuen Album hat sie nach der Blume benannt. Das Album «PS:» war nicht geplant und ist deshalb für Steff la Cheffe eine Fortsetzung ihres zweiten Top-1-Albums «Härz Schritt Macherin». «Beim letzten Album fand ich, dass wütend sein nicht souverän ist, und habe diese Gefühle unterdrückt.» Damals verarbeitete die Rapperin eine romantische Liebe und wollte die Wut auslassen. «Aber ich kann mich selbst nicht verarschen. Die Wut kam nochmals hervor und verlangte nach einem Ausdruck.»
Folglich geht es bei «PS:» nochmals um die Liebe und die damit verbundene schwere Zeit von Steff la Cheffe. «Jeder kennts: Wenn mal etwas schiefläuft, dann gibts so einen Strudel, und es läuft gleich nirgends mehr.» Aber «PS:» handelt nicht nur davon, wenns mit einem gewissen Menschen nicht funktioniert, sondern auch mit Erwartungen. «Oder mit der Musik. Zwischenzeitlich wollte ich sie aufgeben», sagt Steff la Cheffe, die gemäss Sänger Seven, 41, eine «Tischbombe» ist und bei der TV24-Sendung «Sing meinen Song – Das Schweizer Tauschkonzert» als solche stets überraschte und überzeugte.
«Deshalb habe ich angefangen, bei mir aufzuräumen. Habe mich einfach um mich als Mensch gekümmert»
«Es war ein ständiger Knorz, dass ich auf Biegen und Brechen von der Musik leben wollte.» Irgendwann gesteht sie sich deshalb ein, dass es in Ordnung ist, Musik nur als Nebenerwerb oder als Hobby auszuüben –
ab da liefs wieder. «Mittlerweile sage ich mir: ‹Wenns mit Gewalt nicht geht, versuchs mit Gefühl und dann noch
mit mehr Gefühl. Wenns mit mehr Gefühl nicht geht, dann versuchs mit mehr Gewalt, und sonst lass es sein und akzeptiere, dass es nicht geht.›»
Steff la Cheffe bläst an einer Pusteblume, die Flugschirme wehen davon. Wenn sie loslässt, lösen sich ihre «Chnörz», so die Erkenntnis. «Deshalb habe ich angefangen, bei mir aufzuräumen. Habe mich einfach um mich als Mensch gekümmert.» Ein langer Prozess. «Ei Schritt füre, ei Schritt zrügg», singt sie in «Schritt». «Das Um-sich-Kümmern hört nie auf, wie Wäsche waschen. Du kannst alle Wäsche frisch gewaschen versorgt haben, aber am Abend legst du wieder die gebrauchte Unterwäsche in den Korb, und es fängt von Neuem an. Das muss man als Mensch aushalten.»
Einen Weg für sich hat Steff la Cheffe in der Spiritualität und der Religion – sofern Letztere ins Mystische geht – entdeckt. «Ich finde viel Weisheit darin, die man als Werkzeug im Leben brauchen kann.» Um sich im Alltag zu verankern, folgt sie einer Morgenroutine mit kleinen Ritualen wie Meditation und erinnert sich dabei an die Geisteshaltung der Dankbarkeit. «Das lässt mich aufmerksam im Körper sein. Sonst lasse ich mich schnell von Gedanken und Gefühlen wegtragen, bin abwesend, und meine Handlungen laufen auf Autopilot.»
Auch die Kreativität hilft der Musikerin, Distanz zu ihren Gefühlen und Gedanken zu gewinnen. «Ich habe sie dann wie parkiert und kann sie loslassen. Ich muss mich nicht immer mit ihnen identifizieren und mich schon gar nicht von ihnen voll mitreissen lassen. Das tat ich lange genug.»
Liebe, Schmerz, Hoffnung, Trauer. Verflogen ist die schwermütige Zeit. «Statt Schiesspulver streue ich Stärneschtoub über dini Schisslune», singt sie in «Fluss» und lässt gleichzeitig los. Das Lied ist eine gesangliche Versöhnung mit ihrer Kindheit, dem abwesenden Vater und der Tatsache, dass ihre Mutter die drei Kinder allein und am Existenzminimum aufziehen musste: «Mami hät kei Chole gha, Papi hät en Vogu gha, isch verschoue, isch usgfloge.» Ein weiterer Schritt von ihr hin zur Lebensbejahung und Akzeptanz: «Denn Widerstand kostet einfach extrem viel Kraft.»
Steff la Cheffe vertraut in ihrem Leben wieder sich selber und ihrem Können. Ihr kurzzeitig abhandengekommenes Selbstbewusstsein hat sie zurückerobert. «Aber es ist ein neues, tieferes und ruhigeres Selbstbewusstsein.» Es dreht sich nicht mehr alles nur um die Liebe. «Der Kopf und das Herz gingen wieder auf, und ich kann das ganze Leben anschauen und darüber schreiben. Im Moment läuft es sehr flüssig mit der Musik.» Mit «PS:» endet auch ein Zyklus. Zehn Jahre ist es her, seit Steff la Cheffe ihr erstes Album, «Bittersüessi Pille», veröffentlicht hat und in der Schweizer Musikszene «aus Frou i däm männerdominierte Hiphop-Zoo» für Furore sorgte.
Blüemli, Kräuter, Beeren, Kefen und Mais hat sie angepflanzt. Stangenbohnen sollen folgen. «Die einfachen, naturnahen Sachen, die praktisch sind, tun mir gut. Es ist nichts Abstraktes wie die Kunst.» Steff la Cheffe sitzt im Schrebergarten wieder ganz still und stumm. Denn Gärtner reden erst über ihre Früchte, wenn sie ernten.