Valentina Andrei (41) produziert 2024 den zehnten Jahrgang in ihrem Namen. Sie bewirtschaftet sieben Hektar Weinberge zwischen Martigny und Saillon, kultiviert Rebsorten wie Chasselas und Roussanne. Auf die Frage, mit welcher Rebsorte sie am liebsten arbeitet, antwortet sie ganz poetisch: «Das ist wie mit den Kindern, da macht man punkto Vorliebe auch keinen Unterschied. Man liebt sie alle, aber jedes hat seine Eigenart und seinen Charakter.»
Für die Winzerin ist die Weinlese die schönste Zeit des Jahres. Diesen Moment erwartet sie jeweils mit Ungeduld und Neugier. «Das Beste an der Weinlese ist der Moment, an dem es so richtig losgeht. Wir können es kaum erwarten, alle Trauben zu ernten, sind gespannt, was wir daraus machen werden, und sind noch voller Energie.» Ihr ist wichtig, während der Weinlese im Weinberg mitzuarbeiten. «So sehe ich die Trauben und habe Ideen, wie ich sie am besten verarbeiten kann. Ich weiss dann beispielsweise, in welchen Fässern ich meine Rotweine reifen lassen muss.»
Valentina Andrei geht erst in den Weinkeller, nachdem sie fast den ganzen Tag mit der Rebschere in der Hand die Trauben gepflückt und sortiert hat. Je nach Tag und Parzelle helfen ihr zwischen zehn und zwanzig Personen. Die Weinlese 2024 sei indes nicht einfach gewesen, fügt sie an. «Es musste viel aussortiert werden. Auf manchen Parzellen blieb bis zur Hälfte der Trauben auf dem Boden liegen. Da tut es einem schon ein bisschen im Herzen weh, wenn man bedenkt, dass wir den ganzen Sommer über um vier Uhr morgens aufgestanden sind, um uns um die Reben zu kümmern und sie zu bearbeiten, um am Ende auf einen so grossen Teil der Früchte verzichten zu müssen.»
Trotz aller Widrigkeiten dürfte der diesjährige Jahrgang gut sein. «Die weissen Weinmoste sind besonders fruchtig», erklärt Andrei. «Sie haben auch einen schönen Säuregehalt. Ich denke, wir werden sehr feine Weissweine haben! Die Rotweine wiederum dürften eher fruchtig sein. Aber das ist in Ordnung. Ich mag es nicht, wenn die Jahre zu warm sind und man Weine hat, die zu viel Alkohol enthalten.»
Seit zwölf Jahren führt Susi Steiger-Wehrli zusammen mit Zwillingsbruder Rolf den elterlichen 13-Hektar-Betrieb. Die Co-Patronne des Weinguts Wehrli in Küttigen AG kehrte nach Lehr- und Wanderjahren in der Schweiz, Frankreich und Australien zu ihren Wurzeln zurück, hat in der Heimat ihr Glück gefunden. «Ich liebe unser Weingut mit seiner spannenden Terroir-Geschichte und der grossen Vielfalt», sagt sie. «Zudem gibts für mich keinen anderen Beruf, der so vielseitig ist, wie der des Winzers.» Ihr Job fördere Kreativität und Gelassenheit. Man werde vital und besonnen. Und die sensorischen Fähigkeiten würden von Jahr zu Jahr besser.
«Das Schönste für mich ist aber, dass ich mit den Händen arbeiten kann», fügt Steiger-Wehrli an. Rebbau sei auch heute zum grössten Teil Handwerk, die Hände ihr wichtigstes Werkzeug. «Sei es, um in die Erde zu greifen, die Weichheit der Trauben zu prüfen oder um Schläuche zu montieren. Und nicht zuletzt, um ein Glas Wein zu halten.» Handarbeit, die man ihren Händen aber auch ansehe: Kleinere Schrammen gehören für sie genauso dazu wie eine gewisse Sprödheit, die durch den Gerbstoff verursacht wird. «Weh tun mir meine Hände aber nie», sagt sie. «Ich bin stolz auf sie und dankbar, dass ich mit ihnen das Leben spüren und quasi der Natur die Hand reichen darf.»
Denn das ganze Lebenstempo des Winzers werde von der Natur bestimmt. «Sie gibt dir den Rhythmus vor, jedes Jahr ist unterschiedlich und neu.» So würden die Reben anders wachsen, das Wetter immer wieder ganz anders wirken. «Ich liebe es, wenn das Wetter den Ton angibt, aber es kann auch nerven», erzählt sie. Wenn man das ganze Jahr auf die Frucht hinarbeite und einem die Witterung dann einen Strich durch die Rechnung mache, sei es herausfordernd. «Gerade bei der Weinlese.»
Umso mehr geniesse sie dann die schönen Erntetage. «Beim Start der Ernte hatte ich Tränen in den Augen», sagt sie. «Freudentränen, weil uns so viele wunderbare Menschen mit Stolz, Ehrgeiz und Dankbarkeit halfen. Und weil dann ein besonderer Zauber im Rebberg herrschte.» Sie habe in dieser Zeit auch immer ein bestimmtes Lied im Ohr. Oder besser im Herzen: «Heart of Courage» von Two Steps From Hell. «Ein wunderbarer Song, der meine erfüllte Stimmung während der Ernte perfekt widerspiegelt.»
Sie sind ein eingespieltes Team: Julien (44) und sein Bruder Christian Dutruy (49) keltern in diesem Jahr ihren 20. Jahrgangswein. 2004 übernahmen sie nach Tätigkeiten bei anderen Winzern im In- und Ausland den Familienbetrieb in Founex VD am Genfersee. Ein grosses Weingut, das die beiden Brüder biologisch bewirtschaften und zu dem Parzellen an der Côte und im Lavaux gehören.
Nebst den gemeinschaftlichen Tätigkeiten hat jeder seine eigenen Aufgaben: Julien hat die Weinproduktion und die Vermarktung des Weins unter sich, während Christian für die Personalabteilung und die angegliederte Weinbaumschule zuständig ist. Diese Schule, in der die Veredelung und der Handel mit Weinreben praktiziert wird, wurde 1917 von ihrem Grossvater ins Leben gerufen.
Das Beste daran ist, dass sich die beiden Tätigkeiten ergänzen: Ab November läuten die beiden Brüder die Hauptsaison in der Weinbaumschule ein, die Zeit davor ist der Weinlese gewidmet. Für die Gebrüder Dutruy ist dies die schönste Zeit des Jahres. «Die Weinlese ist der Lohn für ein Jahr Arbeit», so Julien Dutruy. «Sie ist mit viel Spannung verbunden, aber auch eine echte Belohnung.» Einer ihrer Lieblingsmomente ist die Pressung der ersten geernteten Trauben. «Das ist der eigentliche Startschuss für die Weinlese. Der Keller ist im Nu vom berauschenden Duft des Weinmosts erfüllt – im Hintergrund ertönt das Geräusch der Weinpresse. Mit jedem Jahrgang wird ein neues Kapitel aufgeschlagen, das selbst nach 20 Jahren immer noch ein einzigartiges Erlebnis ist, das nie dem vorherigen gleicht.»
Bei den Dutruys werden die Trauben zunächst im Weinberg von den Weinlesern vorsortiert, wobei unreife oder faule Beeren ausgesondert werden. Im Keller kommen die Trauben dann noch einmal auf den Sortiertisch. In einem eher «schwierigen» Jahr wie 2024 ist es wichtig, die Trauben vor dem Pressen noch einmal gründlich zu prüfen und zu sortieren. «Wenn jeder Jahrgang gute Weine hervorbringen und die Qualität der Weine beständig sein soll, macht der Sortiertisch den Unterschied. Vor allem, wenn man wie wir keine Korrekturen vornimmt, braucht man perfekte Trauben. Das macht die Weine reintöniger!»
Die Trauben des Weinguts Dutruy werden zu 100 Prozent von Hand geerntet. Und die beiden Brüder sind zuversichtlich, was den Jahrgang 2024 betrifft: «Die Erträge werden gering sein, aber die Qualität ist gut! Das Jahr 2024 sollte uns elegante Weine bescheren.»
Hinweis: Wein massvoll geniessen.
Der Schweizer Boden ist einzigartig und anspruchsvoll und erfordert minutiöses Know-how und ständige Handarbeit. Mehr als 2500 Winzerinnen und Winzer pflegen eine uralte handwerkliche Tradition, um aussergewöhnliche Weine zu produzieren. Mit ihrem Engagement und ihrer Leidenschaft garantieren sie qualitativ hochwertige Weine.