Spitz kann vieles sein: Wenn ein Gegenstand schmal zuläuft und in einer scharfen Spitze endet, zum Beispiel. Ein Dolch etwa, oder eine Nadel. Gefahr, Gefahr! Eine Bemerkung kann spitz sein. Sie wird in diesem Fall als spöttisch und gehässig empfunden. Ist jemand spitz, dann lodert er oder sie vor Begierde. Wer etwas auf die Spitze treibt, meint es oft ein bisschen zu gut. Der Emotionskosmos ums das Wort «spitz» ist ein ungemütlicher. Da schwingt eine gewisse Angst davor mit, verletzt zu werden. Aber auch Übermut und die Lust an diesem. Wenn das Modehaus Schiaparelli nun die Form der weiblichen Brust überspitzt, finden wir uns exakt dort wieder.
Die 1973 verstorbene italienisch-französische Modeschöpferin Elsa Schiaparelli verschrieb der Haute Couture mit surrealistischen Entwürfen eine Schocktherapie – seit 2019 übersetzt der Amerikaner Daniel Roseberry als Kreativdirektor des Hauses Schiaperelli ihr opulentes Erbe in die Gegenwart: Mit der Couture-Kollektion für diesen Frühling flüchtete er sich ins Weltall. Planetenbahnen wanden sich um Korsagen, Krägen lappten wie Halbmonde über die Schulter der Models und... ja, die Rüstung von Roseberrys goldenen Space-Kriegerinnen bestand aus spitzen BHs, die wie Geschosse aus dem Brustpanzer ragten. Der sogenannte «Cone Bra» (z. Dt. Kegel-BH) dient als Rüstung für Königinnen, die auf der Sonnenseite des Lebens wandeln.
Eine Uniform für alle
Um abseits des Laufsteges niemanden aufzuspiessen, bietet Schiaprelli auch eine versöhnlichere Variante des Cone Bras an. Integriert in Jacken und Blazer aus soften Materialien sind sie weniger aggressive Waffe als ästhetischer Schutz. Vor einer Welt, an der eine Pandemie zehrt, in der sich Frauen immer noch behaupten müssen. Der Busen als Statement – das französische Luxushaus bietet Female Empowerment für den Kleiderschrank. Als der Ursprung allen Lebens ist Frau weich und gefährlich zugleich, bereit, für ihre Überzeugungen in den Kampf zu ziehen. Unabhängig von ihrer Körper- und Körbchengrösse, losgelöst von Alter und Schönheitsnormen.
Madonna als Ur-Mutter des Cone Bra
Als verführerischer Rammbock der Popkultur war Madonnas Karriere schon immer an ein stark erotisiertes Erscheinungsbild gekittet. Ihre Stimme war nie subtil, sie wollte mit dem Kopf, oder eher dem Körper, durch die Wand: Madonna küsste Ende der Achtziger im Musikvideo zu «Like A Prayer» einem schwarzen Jesus die Füsse und machte in «Like A Virgin« das Hochzeitskleid im prüden Amerika zum sexualisierten Statement. Egal ob als Punk, Braut, ganz nackt in ihrem Coffee Table Book «Sex» aus dem Jahre 1992, als Cowboy, Yogi oder Mother of Disco: Die Brüste waren immer da – als Zeichen weiblicher Selbstbestimmung. 1990 performte Madonna live im Cone Bra. Die Brust als Symbol überspitzt – eine Aussage, die sein Schöpfer und Enfant Terrible der Mode, Jean Paul Gaultier, nicht besser hätte treffen können. Jetzt gerne wieder.