Wenn man irgendwo neu ist, möchte man im besten Falle gut oder gar nicht auffallen. Wirft man einen Blick auf mein allererstes Klassenfoto, dann kann man davon ausgehen, dass Mama keinesfalls vorhatte, mich zu verstecken. Mein überhitztes, zahnlückiges Gesicht grinst zwischen anderen kleinen Köpfen hervor – aus einem riesigen Kragen ragend. Er lappt bis auf die Schultern und hat eine Spitzenbordüre. Vorne zugebunden konnte das weisse Monster damals universal eingesetzt werden: zum Pulli vom Jogginganzug, zum Kleid oder Mini-Cardigan. Was auffällt: Die Mädchen in meiner Klasse, mit denen ich heute noch befreundet bin, waren damals ebenso überdimensional bekragt. Höflicher Cuteness-Overload verbindet offensichtlich.
Geht es um Cuteness-Overload bin ich dann auch ganz schnell schwitzend bei Harry Styles. Die Schulstart-Etikette gilt nämlich selbstredend auch für den internationalen Pop-Adel. Jüngst flanierte die kanadische Sängerin Céline Dion in einem Marc-Jacobs-Full-Look für Frühling/Sommer 2020 durch New York – mit kunterbuntem Strickpulli und zuckersüssem Spitzenkragen. Aber hey, Céline mag neuerdings ikonisch unterwegs sein, den Move mit der niedlichen Spiessigkeit kennen wir aber längst. Klar, von der kleinen Brit-Knalltüte Harry. Der Wunderknabe trägt den Look seit Monaten. Gerne und oft von Gucci. Ich sehe gerne und oft (öfter, am öftesten) zu ♡
Céline Dion klaut von Harrys Styles
Beweisstück 1
Beweisstück 2
Krägen machen Schule
Natürlich legen sich die blütenreinen Krägen auch über die Bildschirme unserer Instagram-verwöhnten Handys. Sie sitzen auf Blogger-Wollpullovern und bunten Stylisten-Jacken. Bei Influencerinnen wie Pernille Teisbaek und Leandra Medine Cohen sieht der Look objektiv betrachtet spiessig aus, Blanca Miró macht sich dank quietschbunter Jacke zum Clown (würden böse Zungen behaupten). Woher rührt das Bedürfnis, sich als braves Schulmädchen zu verkleiden? Ist es der Wunsch nach Bildung statt Stumpfsinn, Höflichkeit statt Ellbogen, einer Meinung statt Ignoranz? Oder würden wir schlicht und einfach gerne wieder in der Grundschule sitzen und sorglos vor uns hin kritzeln? Die Spitze des Lolita-Eisbergs dabei: der Haarreif.
Der wulstige Haarschmuck, der gerade jedes noch so rebellische Köpfchen zähmt, reiht sich ein in einen Dresscode, der feminin und nicht aufreizend, zurückhaltend klassisch und keineswegs schrill ist. Ausser man heisst Blanca Miró und kommt mit der Zirkus-Nummer ums Eck. Auch hier handelt es sich allerdings um einen gut erzogenen Clown. Der einfach Spass hat. Und den brauchen wir heute, wo wir keine unbeschwerten sechs Jahre mehr alt sind, unbedingt. Damit uns nicht irgendwann der Kragen platzt.
Diese Ladies haben den Hals nicht vollbekommen: