Nach nur fünf Jahren verlässt Designer Demna Gvasalia den Brand, dem wir wohl den Aufstieg der Ugly Fashion zu verdanken haben – Vetements. Wir vermuten: Nicht ganz unbedacht. Warum es mit der hässlichen Trenderscheinung nämlich schon bald vorbei sein könnte? Fangen wir mal von vorne an:
Die Grundidee für Vetements kam dem Deutsch-Georgen 2014, weil er nach eigener Aussage «von der Mode gelangweilt» war. Und tatsächlich, seine Vision von Kleidung entpuppte sich schon mit der ersten Skizze als eine komplett andere, als die, die wir zuvor kannten. Der Designer wollte weg von majestätischer Distanz und hin zur volksnahen Strassen-Klamotte. Ein Konzept, nachdem man offenbar so lechzte, dass es in Sekundenschnelle aufging. Nach nur einem Bestandsjahr schaffte es Vetements mit jeder Menge XXL-Ärmeln, kastigen Oversized-Blazern und Jogginghosen auf die Pariser Fashion Week – als erstes Streetwear-Label in der Geschichte.
Aber nicht nur seine Entwürfe revolutionierten mit ihrer Underground-Optik, auch bei den Runway-Locations verzichtete der Designer von Anfang an auf Exklusivität. Seine Mode präsentierte Gvasalia fast ausschliesslich an Alltagsschauplätzen. Etwa in einer Reinigung, einem Pariser Club oder zuletzt in einer McDonald's Filiale. Anlässlich seines Umzugs aus Paris in die Schweiz verzichtete der 38-Jährige 2017 sogar vollkommen auf eine Live-Performance: Seine Spring-Kollektion liess er an Zürchern fotografieren, die ihm zufällig auf der Strasse über den weg liefen. Die Fotos zeigte er anschliessend in einer Art Ausstellung. Untermalt wurde das Ganze von den urbanen Klängen des Wiener-Cloud-Rappers Yung Hurn. Eine Szenerie, so hipp wie Vetements Chunky-Sneaker.
Was Gvasalia startete, kam an. So gut, dass ihn das Traditionshause Balenciaga im Oktober 2015 zum neuen Creative Director ernannte. Das französische Label, das unter Alexander Wangs Leitung eher schlecht als recht lief, erhielt durch die Neubesetzung sofort an Aufschwung. Für das, wofür Wang noch stark kritisiert wurde (es hiess seine Designs würden seiner eigenen Brand zu sehr ähneln), wurde der Vetements-Kreativkopf sofort gefeiert. Balenciaga bekam das Gvasalia-typische, genderneutrale Strassen-Update und die Verkaufszahlen stiegen kometenartig durch die Decke.
Egal, ob nun Vetements, Balenciaga oder erschwinglichere Kopien – was die Modebegeisterten in den letzten Jahren trugen war klobig, erfinderisch und vor allem: strassentauglich. Eben genau das, was die Modewelt vor der Ugly Fashion-Bewegung nicht war. Wer hätte schon zuvor gedacht, dass sich ein knallgelbes DHL-Shirt jemals für knapp 450 Franken verkaufen liesse?
So wie es aber nun mit jedem Trend ist, ist auch die Lebensdauer der textilen Hässlichkeit mit einem gnadenlosen Ablaufdatum versehen. Wo Gvasalia einst noch verlauten liess, dass seine Arbeit auf Angebot und Nachfrage basiere und Vetements-Artikel niemals im Sale landen würden, sieht das Ganze in der Realität heute anders aus. Die lustigen Sockboots mit Feuerzeugabsatz, die sich vor einigen Saisons noch an so ziemlich jeden Street-Style-Star-Fuss anschmiegten, findet man inzwischen bis zu 60 Prozent reduziert. Keine Frage, die Blüte der Ugly Fashion beginnt zu welken. Und das erkannte nun wohl auch Demna Gvasalia selbst. Mit den Worten «Ich habe meine Misson erfüllt» verabschiedete sich der Designer jetzt von seinem eigenen Label und konzentriert sich wohl vorerst ausschliesslich auf das Traditionslabel Balenciaga. Neues Oberhaupt im Vetements-Kollektiv wird übrigens sein Bruder Guram. Ob der an der alten Hässlichkeit festhält oder eine neue Richtung einschlägt, bleibt wohl erstmal abzuwarten.