Wie naiv man sich vor sieben Monaten doch zuprostete. Mensch, was sollte das neue Jahrzehnt toll werden. Reisen standen bereits fest terminiert im Kalender, die Shopping-Listen waren lang. Von dem, was sich beim Zünden unserer Silvesterraketen schon längst in Wuhan, China, ausgebreitet hatte, ahnte hierzulande damals noch niemand etwas.
Seither hat Covid-19 unser Leben verändert – nachhaltig. Die grosse Pandemie scheint (hierzulande) fallzahlen-technisch zwar halbwegs unter Kontrolle, die wirtschaftlichen Folgen spüren die meisten von uns aber erst jetzt. Als würde es nicht reichen, dass wir uns 2020 dauerhaft um die Gesundheit unserer Lieben Sorgen machen müssen, bangen viele derzeit sogar um ihren Job – denn auch hier leidet die Wirtschaft.
Eine der Branchen, die das Virus besonders hart getroffen hat, ist die Modeindustrie. Wegen verzögerter Lieferketten und wegfallender Kundschaft aus Asien wächst die Krise vielen Unternehmen langsam über den Kopf. Experten gehen inzwischen davon aus, dass der Markt für Luxuswaren in diesem Jahr um bis zu 35 Prozent schrumpfen wird.
Um ihre Existenz zu sichern, zücken viele Unternehmen gerade fleissig den Rotstift. Wohin man in der Stadt auch schaut, das vielversprechende Wort «Sale» prangt in so gut wie jedem Schaufenster. Eine Strategie, die zumindest fürs Erste anzukommen scheint. Die Fast-Fashion-Kassen klingeln im Rekordtempo – wenn auch nur durch kleine Summen.
Driftet man gleichzeitig jedoch Richtung Luxus-Segment, schwinden mit den Menschenmassen auch die leuchtend roten Prozent-Schilder aus der Kulisse. Klar, so ganz zum Image der Stores passen drastische Rabattaktionen eh nicht. Aber fürchtet sich hier wirklich niemand vor dem Wirtschaftseinbruch? Viele High-Fashion-Brands zogen die Preise in der Krise sogar noch an. So kostet seit diesem Frühling etwa die «Neverfull MM Monogram Bag» von Louis Vuitton nicht mehr länger 1'320, sondern stolze 1'500 US-Dollar. Kein Zufall, sondern Strategie. Statt auf Rabatte setzt das höhere Preissegment im Allgemeinen nämlich auf Preiszuschläge. So bestätigte Chanel schon im Mai, dass bestimmte Taschenmodelle künftig fünf bis siebzehn Prozent mehr kosten würden als bisher. Ähnlich sieht das Ganze seitdem auch bei Gucci, Prada und Salvatore Ferragamo aus.
Konsumgut-Experte Oliver Merkel gratuliert den Brands, die sich eine solche Preispolitik leisten können:
«Das bedeutet, dass die Marke so eine starke Strahlkraft hat, dass ein solcher Schritt für sie funktioniert. Solche Anpassungen sind sehr genau überlegt».
Wer sich inmitten der Krise eine Chanel-Tasche im Wert von 7'000 Franken kauft? Eben die, die das auch schon in den letzten Jahren taten. Kunden, die sich Luxusgüter leisten können, werden sich von ein paar Hundert Franken mehr nicht in die Flucht schlagen lassen – die fallen im Budget kaum auf.
Welche Preisstrategie sich letztendlich durchsetzt? Im Grossen und Ganzen vermutlich beide. Auch, wenn die Inflation erst in den Startlöchern steht, die Nachfrage für Mode wird so schnell nicht nachlassen. Und ob beim Fast-Fashion-Riesen nun wegen unzähliger Schnäppchen die Einnahmen fliessen, oder beim Luxus-Brand durch eine Handtasche mit Mega-Gewinnmagen die Kasse klingelt – überleben werden die Corona-Krise mit einer sehr hohen Wahrscheinlichkeit beide Konzerne.