Gerade in die Pilotphase gestartet und schon hagelt es für das vom deutschen Bundesministerium für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (BMZ) lancierte Nachhaltigkeitslabel «Grüner Knopf» scharfe Kritik. «Greenwashing», heisst es im Netz. Aber warum? Auf der Website des langfristig auch in der Schweiz und in Österreich geplanten Bekleidungs-Siegels hört sich zunächst erst mal alles ganz sinnvoll an: «Der Grüne Knopf stellt verbindliche Anforderungen, um Mensch und Umwelt zu schützen. Insgesamt müssen 46 anspruchsvolle Sozial- und Umweltstandards eingehalten werden – von A wie Abwassergrenzwerte bis Z wie Zwangsarbeitsverbot» und «Drei Viertel der Verbraucherinnen und Verbraucher finden nachhaltige Mode wichtig. Sie wollen zu Recht kein T-Shirt tragen, das in 16-Stunden-Schichten für einen Hungerlohn genäht oder mit giftigen Chemikalien gefärbt wurde». Das Problem: So ganz schliesst der Grüne Knopf diese Umstände leider nicht aus.
Hungerlöhne bleiben
Beschäftigen wir uns erst mal mit dem Begriff «Hungerlohn». Alles, was in den Standards des Grünen Knopfs gefordert wird, ist ein für Industrieländer üblicher Mindestlohn. Und das bedeutet in der Realität leider nicht gleich existenzsichernder Lohn. Gucken wir uns das am Beispiel einer Näherin in Bangladesch an, bedeutet das: Je nach Arbeitszeiten verdient sie pro Monat 40 bis 80 Franken. Das entspricht dem lokalen, legalen Mindestlohn. Um abgesichert und ausreichend versorgt durch einen Monat zu kommen, benötigt sie allerdings 100 Franken. Die Versorgung eventueller Kinder oder anderer Familienmitglieder ist hier nicht mit eingerechnet. Also wie war das noch gleich mit dem Hungerlohn?
Freifahrtschein für EU-Länder
Unternehmen, die ihre Kleidung innerhalb der EU fertigen lassen, müssen lediglich offenlegen, wie sie Risiken in der Lieferkette umgehen. Die Produktion selbst wird hier nicht kontrolliert. Diverse Vorfälle der Vergangenheit, zum Beispiel in Rumänien und Bulgarien, zeigen aber, dass gerade das Arbeitsrecht in der Textilbranche oft nicht eingehalten wird.
Faser- und Rohstoffherstellung interessiert nicht
Ein weiterer Punkt, der das vermeintliche Nachhaltigkeitslabel unglaubwürdig erscheinen lässt, ist der begrenzte Kontrollbereich. Unternehmen, die ihre Kleidung mit dem Grünen Knopf versehen möchten, werden vom Bund bislang nämlich nur in den Produktionsschritten «Nähen und Zuschneiden» sowie «Färben und Bleichen» auf Herz und Nieren geprüft. Die Faser- und Stoffherstellung wird dabei völlig ausser Acht gelassen. Heisst: Ein T-Shirt mit dem Siegel muss weder aus Bio-Baumwolle bestehen, noch ist sichergestellt, ob Arbeiter der Rohstoffherstellung legal bezahlt wurden. Andere Kontrollbereiche sollen langfristig zwar folgen, noch ist allerdings nicht zu belegen, ob Mensch und Umwelt bei der Herstellung der Kleidung mit dem Grünen Knopf wirklich geschützt worden sind.
Zudem bleibt wohl auch fraglich, ob umweltschädliche Viskosefasern oder Teflon-Membranen wirklich mit einem solchen Siegel ausgestattet werden dürften. Bislang geht das jedenfalls ohne Weiteres.
Die Liste der Kritikpunkte ist lang – und macht deutlich, dass der Grüne Kopf zwar im Ansatz gut ist, in seiner Umsetzung aber aktuell noch kläglich versagt.