Nennen wir ihn Mark. Amerikaner, etwas älter als ich, war lange mit einer Schweizerin verheiratet, zwei Kinder etwa im gleichen Alter wie meine. Beim Hin- und Herschreiben auf Tinder ganz sympathisch. Es ist Sommer, wir treffen uns in einer Gartenbeiz um die Ecke seines Büros auf einen After-Work-Drink. Die Unterhaltung ist auch face to face angenehm. Er sagt mir gleich zu Beginn, ein Arbeitskollege, der gerade aus dem Ausland hier ist, muss noch etwas fertigmachen, und er muss dann kurz das Büro abschliessen gehen. Kein Ding.
Wenig später: Arbeitskollege ruft an, Mark geht, Mark kommt zurück – mit dem Arbeitskollegen im Schlepptau. Er wollte ihn nicht alleine ins Hotel schicken. Ist ja nett, irgendwie. Der Kollege, nennen wir ihn Gabriel, ist Bolivianer und locker 15 Jahre jünger als ich. Da klingelt Marks Handy. Er sagt, da muss er kurz ran, macht das steht auf, geht davon. Gabriel: «Woher kennst du Mark?» Ich: «Tinder. Unser erstes Date.» Gabriel: «Ooooh .....» Er ist recht nett, Gabriel, wir unterhalten uns, Mark kommt kurz sein Bier holen, verschwindet wieder, immer noch das Handy am Ohr, kommt nie mehr zurück. Irgendwann fragt Gabriel, ob ich mit in sein Hotel komme. Aus Mitleid? «Nein danke.» Aber ich übernehme die Rechnung. Auf dem Heimweg schreibe ich Mark: «Ich habe alles gezahlt, auch dein Bier. Bitte, gern geschehen.» Ich habe nie wieder von ihm gehört.
Diese Anekdote ist nun zwar nicht der Beschrieb eines typischen Tinder-Dates, aber es zeigt recht gut, worauf man beim Online-Daten gefasst sein muss: auf alles. Was ich mehrfach erlebt habe, auch nach dem ersten Date: Typen, die sich total die Kante gaben und am Ende des Abends kaum mehr den Ausgang der Bar fanden. Falls das an mir gelegen hat, liebe Männer: Es wär nicht nötig gewesen. Ihr hätte auch einfach gehen können. Dass nicht immer alle genauso aussehen, wie auf ihren Profilbildern, versteht sich fast schon von selbst – wobei ich wirklich nur einen getroffen habe, der das Foto eines anderen auf sein Profil gestellt hat. Und beim Treffen steif und fest behauptete, das sei er selbst.
«Dann hab ich noch den Mann mit der schlimmsten Stimme der Welt gedatet. Attraktiv, nett – aber dieses Gekrächze .... !»
Dann all die Männer, die in einer offenen Beziehung sind. In sein Dating-Profil schreibt das keiner, man erfährts so schleichend, manchmal beim ersten Date, manchmal auch später. Ich geh schwer davon aus, dass in 80 Prozent der Fälle ihre Frauen oder Freundinnen keine Ahnung von der Offenheit ihrer Beziehung haben. Und bei den anderen 20 Prozent artets zu einem Wettbewerb aus: Die Partnerin hat noch einen anderen Typen am Start, ich brauche ganz dringend auch jemanden. Meine Lust, dieser Jemand zu sein, hielt sich in engen Grenzen.
Dann hab ich noch den Mann mit der schlimmsten Stimme der Welt gedatet. Hat mir schon etwas leid getan. Attraktiv, nett – aber dieses Gekrächze....! Oberflächlich? Ja, natürlich. Denn eines muss man übers Online-Daten wissen: Ohne ein gewisses Mass an Oberflächlichkeit gehts nicht. Das fängt beim Swipen an (klar gehts da in erster Linie ums Aussehen) und hört dabei auf, dass man Ablehnung mit einem Schulterzucken hinnimmt. In den meisten Fällen hat sie eh nichts mit einem persönlich zu tun, sondern mit irgendwelchen Umständen. Von plötzlichem Puff im Job bis zur Rückkehr zur Ex.
Ich gebe zu, das war jetzt nicht gerade ein Werbespot für Tinder und Co. Auch wenn ich gewisse Dates im Nachhinein wirklich lustig finde. Es gab hingegen auch sehr tolle Begegnungen. Aber dazu ein andermal.