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Bleibt gesund mit Daniel Koch

Wird uns ein Lockdown erlösen?

Als Mister Corona führte Daniel Koch die Schweiz durch die erste Welle der Pandemie. Auch pensioniert ist sein Rat landauf, landab gefragt.

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Daniel Koch, 2020, Kolumne

Daniel Koch war von 2008 bis 2020 Leiter der Abteilung «Übertragbare Krankheiten» beim Bundesamt für Gesundheit.

Kurt Reichenbach

Der Bundesrat hat am 11. Dezember härtere Massnahmen für die ganze Schweiz beschlossen und gleichzeitig auch Ausnahmen für einzelne Kantone ermöglicht. Den einen geht das zu wenig weit, für andere gibt es bereits jetzt viel zu viele Einschränkungen. In diesem Beinahe-Glaubensstreit geht vergessen, was eigentlich das Hauptziel und die Aufgabe der Regierung ist: die Gesundheit und das Leben der Bevölkerung zu schützen.

Aber weder das Leben noch die Gesundheit bestehen nur aus der Abwesenheit von Infektionskrankheiten. Sie bestehen aus körperlicher und geistiger Fitness, kurz gesagt aus einem normalen Wohlbefinden. Das gilt für jeden einzelnen Menschen und auch für die ganze Gesellschaft.

«Der Blick auf Daten, Zahlen und R-Werte reicht nicht aus»

Daniel Koch

So wie der gute Hausarzt dafür sorgt, dass ein Patient ganzheitlich und in seinem besten Interesse versorgt wird, so müssen die Gesundheitsbehörden dafür sorgen, dass die Bevölkerung ganzheitlich adäquat betreut wird. Selbstverständlich stehen heute dem Hausarzt unzählige Spezialisten zur Verfügung. Je nach Bedarf hat dann auch die eine oder andere Behandlung Vorrang, und zu guter Letzt entscheidet immer noch der Patient.

Aber kein guter Hausarzt würde bei einem Augenleiden den Patienten vollständig dem Augenarzt überlassen und sagen, den Bluthochdruck, das Rheuma und die beginnende Zuckerkrankheit schauen wir erst in einem Jahr wieder an. Und genauso wichtig ist es für die Gesundheitsbehörden, dafür zu sorgen, dass nicht alles der Infektionsbekämpfung geopfert wird.

Die Gesellschaft braucht eine gesunde Jugend, arbeitsfähige und wertschöpfende Erwerbstätige und Lebensqualität für Seniorinnen, Senioren und Betagte. Dazu reicht der Blick auf Daten, Zahlen, Modelle und R-Werte nicht aus. Es braucht eine multidisziplinäre Zusammenarbeit der Medizin und der Sozialwissenschaften. Ein Lockdown alleine löst unser Problem nicht. Er kann bestenfalls, eingebettet in eine Gesamtsicht, zur Problemlösung beitragen. Am Ende werden wir die Pandemie nur als Gesellschaft lösen können, indem alle mitmachen und ein guter Mix aus den uns zur Verfügung stehenden Schutzmassnahmen zum Tragen kommt.

Von Daniel Koch am 17. Dezember 2020 - 15:34 Uhr