Liebe Angela Merkel
Ich will Sie nicht älter machen, als Sie sind, aber seit letzter Woche sind Sie nicht mehr Mutti Merkel, wie man Sie stets nannte. Sondern Grossmutti. Und das ist als Kompliment gemeint: eine liebe Oma, die mit einfachen Worten ihren Enkeln die Welt erklärt. Und sagt, was jetzt zu tun ist. Dass sie es nicht alleine schafft, dass sie auf die Hilfe aller angewiesen ist.
Ihre Rede an die Bürgerinnen und Bürger war weltweit die beste Rede eines Staatsoberhauptes zur Corona-Krise. Sie dürfte noch lange in Rhetorikkursen als Best Practice analysiert werden, weil sie ideal den drei Kriterien einer guten Rede entspricht, die schon Aristoteles definiert hat: eine Kombination von Glaubwürdigkeit, Emotion und Logik.
«Das war eine neue Merkel, eine, die unter die Haut geht»
Selbst Ihre politischen Gegner haben Sie als «extrem führungsstark» erlebt. Das war nicht mehr die nüchtern-resolute Basta-Kanzlerin, die sagt, wos langgeht, und damit basta. Nein, das war eine neue Merkel, eine, die unter die Haut geht. Und: Es war wie vorgezogene Ostern! Plötzlich stand die politisch längst Totgesagte, um deren Nachfolge schon gerangelt wurde, wieder auf. Merkel holte sich alle Sympathien zurück, brachte alle Kritiker zum Schweigen.
Ich kenne auch hierzulande viele Menschen, die begeistert sind, dass eine mächtige Politikerin sich so menschlich ausdrücken kann, ohne Überheblichkeit, ohne «staatsmännische» oder gar martialische Töne wie der französische Präsident Emmanuel Macron («Wir sind im Krieg»). Auge in Auge mit den Mitmenschen, predigten Sie den Deutschen: «Es ist ernst, nehmen Sie es auch ernst» – «Zeigen Sie Vernunft und Herz» – «Bitte ziehen Sie alle mit». Gleichzeitig zeigten Sie Verständnis für die schwierige Situation anderer Omas. Rührend, wie Sie mit einem Lächeln den Enkeln vorschlugen, für die Grosseltern einen Podcast aufzunehmen, damit sie nicht so allein sind.
Ja, jetzt braucht Deutschland, braucht Europa eine Frau wie Sie.
Mit freundlichen Grüssen
Peter Rothenbühler
Die deutsche Bundeskanzlerin Angela Merkel, 65, ist zurück: Mit einer eindrücklichen Rede an ihre 80 Millionen Mitbürgerinnen und Mitbürger zur Corona-Krise hat sie Führungsstärke, Empathie und Glaubwürdigkeit bewiesen. Auch ihre politischen Gegner würdigten ihre Worte als Rede des Jahrhunderts. Merkel kam so gut an, dass niemand mehr darüber nachdenkt, sie könnte vor Ablauf ihres Mandats 2021 zurücktreten.