Da sagt man immer, den Jungen fehle der Anstand. Dabei haben gerade jüngere Genossinnen Ihre Arbeit zuerst gewürdigt. Nur die reife Zürcher SP-Regierungsrätin Jacqueline Fehr ist vorgeprescht, um Ihren Abgang zu fordern und für eine Frau an der Spitze der Partei zu weibeln. «Eine Frau, ja, aber sicher nicht so eine!», haben darauf selbst Frauen gestöhnt.
Dank haben Sie mehr als verdient. Sie waren lange die dominierende Figur unter den Parteipräsidenten, ein hervorragender Stratege, gegen aussen wie gegen innen. Sie mussten stets den Karren ziehen und sogar den Kaffee selber servieren.
Und nun das Rennen um die Nachfolge. Man redet nicht von Ihren Leistungen oder Fehlern. Zum Beispiel Ihre Weigerung, im Frühjahr das Klima zum Wahlkampfthema zu machen, eine Fehleinschätzung. Aber auch der Beweis dafür, dass der Klima-Tsunami die Schweizer Politik echt überrascht hat. Dabei war ja die SP zum Leader in der Klimafrage prädestiniert:
Sie war schon grün, bevor es die Grünen gab. Doch hat die Partei sich lange mit absurdem Gestürm wie der Überwindung des Kapitalismus herumgeschlagen. Nur Petra Gössi, die FDP-Präsidentin, versuchte, die grüne Kurve zu kriegen, wenn auch spät.
Ich bin als People-Beobachter sowieso der Meinung, dass die Verluste der SP nicht nur mit der grünen Welle, sondern auch mit dem Bild zu tun haben, das die SP bietet: Wenn man Sie, den vierschrötigen Freiburger im Anzug und der tiefen Stimme neben Petra Gössi (FDP) und Regula Rytz (Grüne) in ein Schaufenster stellen würde, wüsste der Wähler sofort, wen er wählen möchte. Die beiden Frauen strahlen Jugendlichkeit, Frische und Selbstbewusstsein aus. Und sie können besser reden, deutsch und deutlich. Verkörpern das, was es jetzt an der Spitze der SP braucht: eine Frau, die den Karren aus dem Dreck zieht. Und dafür Mut, einen Plan und Eier braucht. Das hat übrigens eine Frau gesagt: SP-Nationalrätin Tamara Funiciello. Elle en a, wie wir Welschen sagen. Sie hat welche.
Ständerat Christian Levrat, 49, wurde 2008 mit 38 Jahren Präsident der SP Schweiz. Nur Helmut Hubacher (SP) und Ueli Maurer (SVP) waren länger Parteipräsident als er. Im Frühjahr hat er intern seinen Rücktritt angemeldet. Nachdem er letzten Sonntag wieder in den Ständerat gewählt worden war, machte er ihn öffentlich. Obwohl die SP jetzt verloren hat, führte Schachspieler Levrat seine Partei zu einigen wichtigen Erfolgen.