Lieber Beat W. Zemp
Nein, bitte, schneiden Sie am 31. Juli nicht den Schnauz ab, wie Sie im Spass gedroht haben. Ich will Sie weiterhin spontan erkennen können, am Schnauz, am Pochettli und am verschmitzten Ausdruck. Ich will hören, wie die Leute tuscheln: «Das ist der höchste Lehrer der Schweiz!» Und: «Der färbt sicher die Haare.»
«Auch der beliebteste Bundesrat steht dauernd in der Kritik. Sie nicht.»
Sie treten also als Präsident des Dachverbandes der Schweizer Lehrerinnen und Lehrer ab, nachdem Sie fast 30 Jahre (!) als «Lehrer der Nation» jede noch so gewaltige Veränderung der Schule mit soliden Antworten und Vorschlägen begleitet haben.
Eine so lange Amtszeit schaffen heute nicht mal Päpste. Und wer geniesst als Präsident noch rundum so viel Anerkennung und Respekt? Auch der beliebteste Bundesrat steht dauernd in der Kritik. Sie nicht.
Wie haben Sie das nur geschafft? Da hört und liest man dauernd von verhaltensauffälligen Kindern, von ausgebrannten Lehrern, von Handy-Plage, Mobbing, Streit um Lehrpläne; und der Einzige, der die Nerven nie verloren hat, jede Anfrage von schnellen Medien bis spät abends ruhig und akkurat im Interesse der Schulen und der 130 000 Lehrpersonen des Landes beantwortet hat, ist der Zemp.
Eigentlich erinnern Sie uns an die Sorte Lehrer, die wir so geliebt haben, echte Autoritäten, hochintelligent, mit grosser sozialer Kompetenz. Die hatten alle nette oder weniger nette Übernamen, bei uns hiess einer «Schloch», ein anderer «Gödi». Von Ihnen ist keiner bekannt. Ich beneide die heutigen Lehrer nicht um ihre Aufgabe. Und Ihre Nachfolgerin Dagmar Rösler schon gar nicht. Man wird sie an Ihnen messen. Brutal.
Mit freundlichen Grüssen